- Ein erhöhtes Risiko dürfte noch einige Zeit bestehen, auch wenn wir jetzt „spät im Zyklus“ sind und die Phase der Zinserhöhungen ausläuft
- Das gestiegene idiosynkratische Risiko bietet mehr Chancen für eine aktive Wertpapierselektion und das Potenzial, entscheidende Marktentwicklungen zu nutzen
- Trends 2023 bleiben bestehen, sollten jedoch bei anhaltenden Volatilitätsphasen neu bewertet werden
Nach der beispiellosen Inflation im vergangenen Jahr, dem Zinsanstieg und der Neubewertung von Aktien in der Erwartung, dass höhere Kapitalkosten letztlich das Wirtschaftswachstum und die Gewinne belasten würden, gingen Anleger zu Beginn des Jahres 2023 von potenziell ruhigeren Märkten aus. Währenddessen entstand eine weitere Quelle der Volatilität: die Turbulenzen im Bankensektor, die die Finanzstabilität in mehreren großen Volkswirtschaften gefährden könnten.
Die entschlossenen Maßnahmen der Regulierungsbehörden haben zwar das Risiko einer Ansteckung eingedämmt. Dennoch wurden zahlreiche Wirtschaftsprognosen über den Haufen geworfen – und die Nerven liegen blank –, sodass sich die Frage aufdrängt, ob sich die Märkte nun in einem noch schwierigeren Umfeld bewegen.
Wir denken, dass dies der Fall ist. Das erhöhte Risiko dürfte noch eine Weile anhalten. Allerdings befinden wir uns im „späten Zyklus“, in dem die Zentralbanken ihre Zinserhöhungen auslaufen lassen. Diese späte Phase des Zyklus bietet Chancen für aktive Wertpapierselektoren, die vom Anstieg des idiosynkratischen Risikos profitieren können.
So erwies sich beispielsweise die Volatilität im März als willkürlich. Aktive Manager konnten so attraktive Unternehmen zu günstigen Bewertungen erwerben und gleichzeitig diejenigen meiden, die möglicherweise vor strukturellen Problemen stehen.
Das bedeutet, dass viele der von uns erwarteten Trends im Laufe des Jahres 2023 bestehen bleiben. Wir sind jedoch der Meinung, dass Anleger auf Veränderungen achten und diese Informationen nutzen sollten, um ihre taktischen Allokationen unter Berücksichtigung dieser volatilen Zeiten zu justieren und von ihnen zu profitieren.
Aktien: Qualität zählt mehr denn je Anlagemöglichkeiten in Aktien:
- Qualitätsaktien: Unternehmen mit soliden Bilanzen und attraktiven Bewertungen
- Gesundheitswesen: Defensive Eigenschaften und starkes Alpha-Potenzial
- Europäische Aktien: Positionierung für den Aufschwung nach der Rezession bei aktuell attraktiven Bewertungen
Zu Jahresbeginn wiesen wir darauf hin, dass Aktienanleger angesichts der Korrektur der Weltwirtschaft in der Zyklusmitte Qualität bevorzugen sollten. Diese definierten wir als Unternehmen mit soliden Bilanzen, die über den gesamten Zyklus hinweg Cashflows generieren können. Diese Aussage ist wahrer denn je. Da der Zugang der Verbraucher zu Krediten das Umsatzwachstum bremst und höhere Inputkosten die Gewinnspannen belasten, könnten die Gewinne 2023 an das untere Ende der prognostizierten Spanne rutschen und die Bewertungsmultiplikatoren weiter drücken.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass dies kein Umfeld ist, in dem man Risiken gänzlich vermeiden sollte. Vielmehr sind wir der Meinung, dass Anleger mit einer entsprechenden Risikotoleranz die Volatilität nutzen sollten, um Qualitätsunternehmen mit attraktiven Bewertungen zu identifizieren. Angesichts der starken säkularen Themen, die die Weltwirtschaft verändern, haben viele Unternehmen das Potenzial, in den nächsten Quartalen ein solides Gewinnwachstum zu erzielen.
Die Bandbreite der Risiken, die zur aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheit beitragen, verstärkt unsere Besorgnis über die möglichen Auswirkungen auf die Aktienmärkte, insbesondere angesichts der unserer Meinung nach unangenehmen Marktkonzentration. Strategien, die sich eng an technologielastigen Benchmarks orientieren, haben sich während der Markterholung 2020 bewährt. Doch wie die Renditen der letzten zwölf Monate zeigen, hat diese Konzentration den indexbasierten Strategien einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Höhere Zinssätze und Marktvolatilität haben aber auch Chancen in der Technologiebranche geschaffen. Überinvestitionen und höhere Diskontsätze haben die Investmentlandschaft innerhalb des Sektors verändert. Wir erwarten kurz- bis mittelfristig eine größere Dispersion bei den Renditen, die davon abhängt, inwieweit die Unternehmen ihre Ziele in einer sich verlangsamenden Wirtschaft erreichen.
Eine ähnliche Dynamik ist auch in geografischer Hinsicht zu beobachten. Da viele globale Indizes auf die USA ausgerichtet sind, könnten Anleger, die sich an den Benchmarks orientieren, bei einer Verschärfung der Kreditbedingungen einer hartnäckigen Inflation ausgesetzt sein. In den USA gibt es attraktive Renditechancen, doch sollten Anleger die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, ob sie das in den wichtigsten Benchmarks enthaltene Exposure wünschen.
Angesichts des spürbaren Gegenwinds ist ein Exposure im defensiven Gesundheitssektor eine Überlegung wert. Innerhalb dieses Sektors ist Biotechnologie unseres Erachtens besonders vielversprechend, da die Bewertungen attraktiv sind und der Sektor stark innovativ ist. Angesichts der zukunftsorientierten Märkte könnten Anleger auch profitable kleine und mittelgroße Unternehmen in Betracht ziehen, da diese in der Regel zu Beginn eines Aufschwungs eine bessere Performance aufweisen.
Grafik 1: Historische und aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnisse in ausgewählten Märkten
Während sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse in den USA wieder auf ein durchschnittliches Niveau eingependelt haben, werden viele europäische Länder mit erheblichen Abschlägen gehandelt.
Quelle: Bloomberg, Stand: 30. März 2023.
Anleger sollten sich im Abschwung zwar auf Qualität fokussieren, aber gleichzeitig auch an die Zukunft denken und zyklische Positionen zu attraktiven Preisen in Märkten erwägen, die am ehesten eine Vorreiterrolle bei der Überwindung der Rezession spielen werden.
Wir glauben, dass Anleger den konjunkturellen Gegenwind in Europa im weiteren Jahresverlauf zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Es bestehen jedoch weiterhin Risiken, vor allem hinsichtlich der Folgen der Geopolitik auf die Energie- und Lebensmittelkosten. Sollten sich die Dinge weiterhin so entwickeln wie bisher, sind europäische Aktien aufgrund ihres zyklischen Charakters historisch gesehen gut positioniert, um eine bessere Performance zu erzielen, sobald sich die Wirtschaft erholt. Da für 2024 eine moderatere Inflation und eine Beschleunigung des Wachstums prognostiziert wird, könnten europäische zyklische Werte zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bewertung anderer Industrieländeraktien weiter sinkt, höher bewertet werden. Europäische Aktien bieten aufgrund ihrer im Vergleich zu anderen großen Märkten historisch niedrigen Bewertungen und höheren Dividendenrenditen zusätzliche Chancen.
Fixed Income: Nutzen, was der Markt hergibt Festverzinsliche Anlagemöglichkeiten:
- Kurze Duration: Attraktive Erträge bei gleichzeitiger Vermeidung von Durationsrisiken
- Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating: Robuste Geschäftsmodelle mit Potenzial, den Abschwung zu überstehen
Der letztjährige Zinsanstieg – so unerfreulich er auch war – bedeutet, dass eine Anleihenallokation wieder attraktive Erträge, das Potenzial für Kapitalzuwachs und den damit einhergehenden Vorteil der Diversifizierung gegenüber traditionell riskanteren Anlageklassen bieten kann. Deshalb rechnen wir mit umfangreichen Allokationen in festverzinsliche Anlagen, da die Anleger nach defensiven Strategien für einen möglichen Abschwung suchen.
Die aktuellen Bedingungen dürften eine Allokation in Anleihen mit kürzerer Laufzeit und Investment-Grade-Emissionen rechtfertigen. Die geldpolitische Unsicherheit bedeutet, dass ein erhöhtes Durationsrisiko vermieden werden sollte. Nach der letztjährigen Preisanpassung bieten Anleihen mit kürzerer Laufzeit nun Renditen im mittleren einstelligen Bereich – über weite Strecken des letzten Jahrzehnts war dies unvorstellbar. Auch das Risiko-Ertrags-Profil ist seit Anfang 2022 günstiger geworden.
Und schließlich können robustere Investment-Grade-Geschäftsmodelle einen Abschwung möglicherweise besser überstehen als zyklischere High-Yield-Emittenten. Auch wenn wir glauben, dass diese Konvergenz der Kräfte den Stellenwert von Anleihen innerhalb einer breiteren Allokation erhöht hat, sollten Anleger beachten, dass die Inflation sowohl unvorhersehbar als auch schwer einzudämmen ist. Folglich sollten Anleger weiterhin auf Entwicklungen achten, die entweder die Inflation oder die Geldpolitik beeinflussen und die Aussichten für Anleihen erneut beeinträchtigen könnten.
Grafik 2: Notwendiger Zinsanstieg, um Jahreserträge einer Anleihe zu vernichten
Anleihen mit kürzerer Laufzeit haben deutlich höhere Ertragspolster als solche mit längerer Laufzeit.
Quelle: Janus Henderson, Stand: 30. März 2023
Umfeld für Alternatives Alternative Anlagestrategien:
- Dach-Hedgefonds / Multi-Strategie-Ansätze: Portfolios, die mehrere Hedge-Fonds-Ansätze miteinander kombinieren, um das sich verändernde Marktumfeld zu meistern
- Absolute Return: Aktien- oder festverzinsliche Strategien, die versuchen, das erhöhte idiosynkratische Risiko zu nutzen
Ungewissheit erzeugt Volatilität. Wir glauben, dass Volatilität Strategien erfordert, die darauf abzielen, Marktschwankungen zu minimieren und eine möglichst breite Streuung zwischen den einzelnen Anlageklassen zu erreichen.
Für solche Situationen wurden Strategien entwickelt, die darauf abzielen, das Abwärtsrisiko einer breiten Allokation zu verringern. Die Rückgänge bei Aktien und Anleihen im vergangenen Jahr haben gezeigt, was passiert, wenn die Diversifizierung versagt. Während sich der Konsens über eine in mehreren großen Volkswirtschaften bevorstehende Rezession gebildet hat, sind Tiefe und Dauer eines Abschwungs weniger gewiss. Und obwohl einige Aktien- und Anleihesegmente das Potenzial haben, sich in volatilen Zeiten gut zu entwickeln, sind wir der Meinung, dass sich das derzeitige Umfeld besonders gut für ein Exposure in alternativen Strategien eignet – insbesondere in liquiden alternativen Strategien.
Die Palette der liquiden alternativen Strategien ist jedoch immens. Im derzeitigen unruhigen Umfeld sehen wir einen großen Wert in Multi-Strategie-Alternatives, die verschiedene Anlagestrategien kombinieren und die Allokation zu diesen Strategien je nach Marktumfeld dynamisch anpassen können.
Beweglich bleiben
Aktien waren der Ausgangspunkt, und so ist es nur angemessen, dass wir zum Schluss auf diese Anlageklasse zurückkommen. Wie der Ausverkauf von US-Regionalbanken im März – darunter mehrere gut geführte Unternehmen – gezeigt hat, kann eine erhöhte Volatilität zu Kursverwerfungen führen, die opportunistische Manager nutzen können.
Da die Weltwirtschaft zu einem System mit höherer Inflation und höheren Zinssätzen zurückfindet – ein System, das mit geopolitischen Risiken und einem Trend zur Deglobalisierung belastet ist – erwarten wir Verwerfungen in anderen Sektoren.
Folglich können agile Anleger – auch solche, die bereit sind, von ihrer Benchmark abzuweichen – beträchtliche Überschussrenditen erzielen, indem sie die echten Risiken vom „Getöse“ trennen.
vom Portfolio Construction & Strategy Team, Janus Henderson Investors