„Generell können wir mit mehr Paranoia, mehr Volatilität und mehr unberechenbarem Verhalten auf den Märkten rechnen. Alle sind besessen von Rezession, Inflation und der Frage, ob die Zinssätze ihren Höhepunkt erreicht haben“, schätzt Tom O’Hara, European Equities Portfolio Manager bei Janus Henderson, das zukünftige Marktumfeld ein.
Unabhängig von einer weichen oder harten Landung seien weitere Turbulenzen zu erwarten. Laut O´Hara böte sich unabhängig davon die Chance, die Unternehmen zu kaufen, die seiner Meinung nach nicht nur 2024, sondern idealerweise auch im nächsten Jahrzehnt erfolgreich sein werden.
Die Ausgaben für den Bau von Fabriken in den USA belaufen sich derzeit auf fast 0,6% des BIP – so viel wurde seit 1990 nicht mehr für den Aufbau von Produktionskapazitäten ausgegeben.
Der Portfoliomanager sieht hier eine Besonderheit: „Vor Gründung der Welthandelsorganisation (und so sollten wir diese aktuelle Ära auch verstehen) fand ein Generationswechsel statt.“ Mehr als 30 Jahre lang wurde die Globalisierung immer weiter vorangetrieben und die Produktion nach Asien verlagert. Doch diese Entwicklung kehre sich jetzt um. Selbst wenn es sich nur um eine teilweise Umkehrung handele, könne sie sich sehr stark darauf auswirken, wohin die Investitionen fließen und welche Unternehmen davon profitieren werden.
Wo bieten sich in Europa die besten Chancen?
Anleger sollten sich in erster Linie nicht darauf versteifen, in Europa an sich zu investieren, sondern vielmehr nach Unternehmen suchen, die zwar in Europa notiert sind oder dort ihren Ursprung haben, aber weltweit relevant und führend in ihren jeweiligen Kompetenzfeldern sind, meint der Experte. „In Verbindung mit einigen großen weltweiten Umwälzungen, bietet sich hier eine wirklich gute Gelegenheit, in Weltmarktführer zu investieren, die in Europa notiert sind. Gleichzeitig profitieren sie von den globalen Trends, der Globalisierung, den massiven Investitionen in künstliche Intelligenz und Cloud Computing, die meiner Meinung nach alle auf einen Investitionssuperzyklus hinauslaufen“, so O’Hara.
Interessant seien Unternehmen, die trotz aller makroökonomischen Turbulenzen gedeihen werden, wie beispielsweise die Luft- und Raumfahrt. Dieser Sektor sei sehr robust, eine Wachstumsbranche.
In Europa gibt es Weltmarktführer wie Airbus, einer der beiden (größten) Flugzeugbauer der Welt, und Safran, das Flugzeugtriebwerke herstellt. Diese Unternehmen können quasi einen zehnjährigen Auftragsbestand vorweisen.
„Daneben gibt es Unternehmen, die aufgrund der neuen Wirtschaftslage und insbesondere aufgrund der höheren Zinssätze, wachsen dürften“, prognostiziert der Experte. Und weiter: „Höhere Zinssätze sorgen für mehr Ordnung in der Industrie. Bestimmte Branchen, vor allem die mächtigen etablierten Unternehmen dieser Branchen, dürften von der Wirtschaftsrationalität profitieren.“
AB InBev, beispielsweise, ist die größte Brauerei der Welt und hat festgestellt, dass die höheren Zinsen und die Inflation zum Konkurs vieler kleiner Brauereien geführt haben, die während der Niedrigzinsphase der letzten 10 bis 15 Jahre entstanden sind. Infolgedessen konsolidiert sich die Brauereibranche zugunsten starker etablierter Unternehmen von industriellem Ausmaß.
Letztendlich gehe es darum, Zugang zu den „Ermöglichern“ dieses Investitionssuperzyklus zu erhalten. Dabei sei es egal, ob es sich um die Schwerindustrie handelt, die Erdarbeiten durchführt, die Straßen und Autobahnen baut, wie CRH oder Holcim. Oder um Investitionsgüterunternehmen, die die Hardware und Software für die Automatisierung von Produktionsanlagen oder die Verwaltung von Rechenzentren liefern. „Und natürlich können es auch die Halbleiterausrüstungsunternehmen sein, die in Europa ausgezeichnet sind. Ein gutes Beispiel sind Unternehmen aus den Niederlanden, die Maschinen für die Chipherstellung liefern, die in den kommenden Jahren reichlich benötigt werden“, sagt O’Hara.
Europa attraktiver als USA
In Europa gäbe es weltweit führende Unternehmen zu sehr angemessenen Preisen. Oft würden sie mit Abschlägen gegenüber ihren hoch bewerteten US-Pendants gehandelt.
Laut O’Hara sind europäische Unternehmen sehr gut in der Herstellung und Fertigung von Produkten. Und genau diese Dinge würden in Zukunft für globale Themen wie Deglobalisierung, kapitalintensiver Aufbau neuer Produktionskapazitäten in den westlichen Ländern, Automatisierung der Fabriken, Aufbau von Rechenzentren und Reinvestitionen in die Infrastruktur – seien es Straßen, Eisenbahnen, Brücken und so weiter – benötigt.
„Die Unternehmen, die in Europa ansässig sind, spielen nicht nur in Europa eine Rolle. Sie bieten uns Zugang zu globalen Trends“, fasst der Portfoliomanager zusammen.