Wie wir bereits zuvor hervorgehoben haben, dominierte der private Gewerbeimmobilienmarkt die Schlagzeilen der Medien und passte die gemeldeten Werte nur langsam an veränderte makroökonomische Rahmenbedingungen an. Dies ist das Gegenteil für den börsennotierten/öffentlichen Markt: Er ist zukunftsorientiert, wird täglich an den Aktienmärkten bewertet und spiegelt in seinen Bewertungen bereits die negativen Auswirkungen höherer Zinsen auf die zugrunde liegenden Immobilienwerte wider. Dies bedeutet, dass börsennotierte Real Estate Investment Trusts (REITs) mit großen Abschlägen gegenüber privaten Vermögenswerten gehandelt werden, da sie die Auswirkungen höherer Zinsen bereits „einkalkuliert“ haben und nun von einer Trendwende bei den Zinssätzen profitieren dürften.
Wie beweisen wir dies? Ein wichtiger Indikator besteht darin, dass der private Immobiliensektor die erhebliche Bewertungslücke zwischen privaten und börsennotierten Immobilien ausnutzt, um den bestehenden Wert börsennotierter REITs auszuschöpfen. Kürzlich gab Blackstone, der größte private Betreiber, bekannt, dass er den börsennotierten REIT für gehobene Küstenapartments, Apartment Income (AIR Communities), für rund 10 Milliarden US-Dollar erwirbt. Dies folgt auf eine frühere Übernahme in diesem Jahr, bei der es im Januar den kanadischen REIT Tricon Residential gab, ein Portfolio bestehend aus hauptsächlich Einfamilienhäusern in der US-amerikanischen Sunbelt-Region für 3,5 Milliarden US-Dollar. Beide Transaktionen wurden mit einem Aufschlag von mehr als 20% auf den aktuellen Aktienkurs abgeschlossen. Dies sehen wir als Beispiel für die attraktive Preisgestaltung börsennotierter Wohn-REITs (und des gesamten börsennotierten REIT-Sektors).
Immer noch überzeugende Bewertungen
Betrachtet man speziell US-amerikanische Wohnimmobilien-REITs (Abbildung 1), erscheint der Sektor im Vergleich zu den beobachteten Preisen auf dem privaten Markt aus jüngsten Transaktionen immer noch unterbewertet. Apartment-REITs werden derzeit mit einem Abschlag von etwa 10% auf den geschätzten Nettoinventarwert (NAV) gehandelt, während REITs für die Vermietung von Einfamilienhäusern einen noch größeren Abschlag von etwa 20% aufweisen.
In Europa beobachten wir, dass deutsche Wohnungseigentümer mit Abschlägen von rund 40 Prozent auf den Schätzwert gehandelt werden. Dies spiegelt die höhere Verschuldung wider, stellt unserer Ansicht nach aber auch eine Chance für Anleger dar.
Abbildung 1: Durchschnittlicher Nettoinventarwertaufschlag/-abschlag für US-Wohnimmobilien
Während wir für Gewerbeimmobilien von den Höchstwerten von Anfang 2022 bis zum Tiefstwert einen Bewertungsrückgang von etwa 20% erwarten, dürfte sich die Bewertung im Wohnimmobiliensektor schneller stabilisieren als in vielen anderen Sektoren, da dieser relativ gesehen von der geringeren Präsenz der Anleger in anspruchsvolleren Segmenten des Gewerbeimmobiliensektors wie Büros und Einkaufszentren geringerer Qualität profitiert.
Gut aufgestellt für Wachstum
Seit der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 haben börsennotierte Wohnimmobilien-REITs ihre Verschuldung reduziert und sich so für den jüngsten Abschwung, insbesondere in den USA, eine günstige Ausgangsposition verschafft. Diese geringere Hebelwirkung kann im Vergleich zu privaten Eigentümern einen besseren und kostengünstigeren Zugang zu Finanzmitteln ermöglichen. Wir erwarten, dass börsennotierte REITs ihre Kosten- und Kapitalzugangsvorteile sinnvoll nutzen und „gute Gebäude mit schlechten Bilanzen“ von privaten Eigentümern erwerben. Dadurch könnte das Potenzial der Anlageklasse steigen, ihren Marktanteil wie in den vergangenen dreißig Jahren weiter auszubauen und zu zusätzlichem Gewinnwachstum beizutragen.
Darüber hinaus verfügen REITs typischerweise über effiziente Kostenstrukturen und sind in der Lage, in die Verbesserung der Betriebsplattform zu investieren, was im Vergleich zu ihren privaten Pendants häufig zu einer höheren Belegungsrate, höheren erzielten Mieten und effizienteren Betriebsmargen geführt hat. Anfang 2024 erreichten einige US-Vermieter eine Auslastung von rund 95% und verzeichneten bei der Verlängerung der Mietverträge mittlere einstellige Zuwächse.
Während das erhöhte Angebot kurzfristig ein Hindernis für den Wohnungsmarkt in den USA zu sein scheint, lässt die Bautätigkeit derzeit dramatisch nach, was auch die mittelfristigen Wachstumsaussichten verbessern dürfte.
Abbildung 2: Baubeginne liegen unter dem 10-Jahres-Durchschnitt
US-Neubauten im Mehrfamilienhaussektor (auf Jahresbasis, saisonbereinigt)
Wohnen: ein vielfältiger Sektor mit defensiven Eigenschaften
Der Sektor börsennotierter Wohnimmobilien hat bewiesen, dass er attraktive langfristige Renditen und Einkommensströme generieren kann, die in der Vergangenheit tendenziell mit der Inflation Schritt gehalten haben. Darüber hinaus bietet der börsennotierte Markt ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten. Bereiche wie Studentenwohnheime, Einfamilienhäuser zur Miete, Seniorenresidenzen und Seniorenwohnen haben allesamt von strukturellen Nachfragetreibern wie dem demografischen Trend einer alternden Bevölkerung profitiert.
Abbildung 3: Die Wohnchance
Strukturelle Unterversorgung in verschiedenen Teilsektoren
Selektivität ist ein Muss
Wir betonen noch einmal, dass bei Investitionen im Immobiliensektor ein selektiver Ansatz von entscheidender Bedeutung ist, da zahlreiche Faktoren wie Mieternachfrage, Marktangebot, Finanzierungskosten und -verfügbarkeit usw. nicht nur zwischen den Immobilienarten, sondern auch auf regionaler und lokaler Ebene große Unterschiede aufweisen können.
Der Sektor der Einfamilienhausvermietung ist im Wohnbau wohl am besten positioniert, da er einen treuen Kundenstamm und starke Nachfragetrends aufweist, die durch sinkende Hypothekenverfügbarkeit und verhaltene Eigenheimkaufaktivität begünstigt werden. In Nordamerika sind die Fundamentaldaten der US-Ostküste im Vergleich zu den Märkten an der Westküste und im Sunbelt aufgrund des besseren Beschäftigungswachstums und Angebots stärker. In Kanada beobachten wir ein starkes Wachstum der Marktmieten, das durch die dynamische Einwanderungspolitik und die gesunde Beschäftigung des Landes unterstützt wird. In Europa haben inzwischen einige schwedische und deutsche Wohnungsbauunternehmen große Schulden aufgenommen, die in einem Umfeld steigender Zinsen deutlich schwächer bewertet wurden. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die operative Belastbarkeit und die robusten Cashflows der Unternehmen in der Region vom Markt unterschätzt werden. Und was noch wichtiger ist: Dort, wo der Verschuldungsgrad zu hoch war, haben die Unternehmen diese Bedenken durch Dividendenkürzungen, neue Kapitalspritzen und die Veräußerung von Vermögenswerten ausgeräumt.
Das Fazit
Die weltweiten Märkte für Wohn-REITs bieten weiterhin attraktive Gelegenheiten. Diese ergeben sich aus der demografischen Entwicklung, einem Wohnungsmangel auf den meisten globalen Märkten (der sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch verschärfen wird) und der Nachfrage nach bezahlbaren und gut verwalteten Mietwohnungen.
Wir blicken mit größerer Zuversicht und Überzeugung in die Zukunft, dass sich börsennotierte REITs aufgrund ihres Potenzials für attraktive und wachsende Dividendenströme, ihrer Diversifizierung gegenüber anderen Anlageklassen und ihres defensiven Wachstums erneut als wertvoller Baustein in den Portfolios der Anleger erweisen könnten.
Angesichts der jüngsten Akquisitionen von Blackstone wären wir keine Überraschung, wenn in den kommenden Monaten weitere börsennotierte REITs durch private Betreiber aufgekauft würden. Dies sollte zu einer deutlich positiven Prognose für börsennotierte Immobilien beitragen und bei Anlegern die Zuversicht wecken, sich den Sektor noch einmal genauer anzusehen.
Definitionen
Bilanz: Ein Rechnungsabschluss, der die Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und das Eigenkapital eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüberstellt.
Investment Grade: Eine Anleihe/Schuldverschreibung, bei der ein relativ geringes Risiko eines Zahlungsausfalls bei Kapital- und Zinszahlungen besteht, was sich in der höheren Bewertung durch die Ratingagenturen widerspiegelt.
Nettoinventarwert (NAV): der Gesamtwert eines Vermögenswerts abzüglich ausstehender Schulden und fixer Kapitalaufwendungen.
REITs oder Real Estate Investment Trusts investieren in Immobilien durch direkten Besitz von Immobilienvermögen, Immobilienanteilen oder Hypotheken. Da sie an einer Börse notiert sind, sind REITs in der Regel sehr liquide und werden wie Aktien gehandelt.
Immobilienaktien, einschließlich Real Estate Investment Trusts (REITs), reagieren empfindlich auf Änderungen von Immobilienwerten und Mieteinnahmen, Immobiliensteuern, Zinssätzen, steuerlichen und regulatorischen Anforderungen, Angebot und Nachfrage sowie auf Veränderungen der Managementfähigkeiten und der Bonität des Unternehmens. Bei REITs besteht zusätzlich die Gefahr, dass sie nicht die Voraussetzungen für bestimmte Steuervorteile oder für eine Registrierungsbefreiung erfüllen, was negative wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen könnte.