Der Weltaktienindex in Euro ist mit rund 23% im Minus, Technologieaktien rund 30% und europäische Aktien je nach Index knapp 20%. Auch wer stärker auf Anleihen setzte, wurde dieses Jahr bitter enttäuscht, fielen doch die sicheren Staatsanleihen in Europa rund 14% über alle Laufzeiten gerechnet. Unternehmen- und High Yield-Anleihen haben nicht viel weniger verloren, auch wenn die Zinssensitivität (Duration) hier deutlich geringer ist.
Die Frage, die sich dabei viele stellen: Ist der Boden schon erreicht? Die Ursache für diese Entwicklung ist bekannt, Inflationszahlen wie wir sie seit den 80er Jahren nicht mehr gesehen haben. Anfangs wurden diese als kurzfristiges Phänomen der Pandemiebekämpfung und wieder anziehenden weltweiten Erholung gesehen. Mit dem Krieg in der Ukraine und den folgenden Sanktionen verfestigten sich die Preiserhöhungen nachhaltig. Das ultratiefe Zinsniveau der letzten Jahre hat die Aktien wie auch die Anleihenmärkte in lichte Höhen getragen, daher ist nun der Richtungswechsel umso heftiger. Für den Anleger positiv sind die nun aktuellen Renditeniveaus nach Jahren der negativen Zinsen, so kann man aktuell zehnjährige österreichische Anleihen mit 2,2% und deutsche mit 1,7% Rendite kaufen.
Welche Faktoren gilt es, im Auge zu behalten?
Die Prognosen gehen erst Ende 2023 von einer Rückkehr der Inflation Ende 2023 auf zwei bis drei Prozent aus. Es ist zu hoffen, dass, wie vielfach erwartet wird, wir jetzt den Höhepunkt des Preisauftriebs gesehen haben. Das wird v.a. von den sogenannten Zweitrunden-Effekten abhängen, also ob die gestiegenen Preise auch Löhne und Gehälter in die Höhe treiben.
Bei den Anleihen stellt sich die Frage, wie viel Realverzinsung bei Staatsanleihen von der EZB zugelassen wird. In den letzten Jahren war diese negativ, langfristig war sie aber immer zwischen ein und drei Prozent.
Bei der Frage, ob wir eine Rezession in den USA und oder auch in Europa erwarten, schauen wir vor allem auf die Einkaufsmanager-Indizes, die sich zwar verschlechtert haben, aber überwiegend noch immer über der kritischen 50-Punkte-Marke liegen. So weisen diese Frühindikatoren in den USA 57,0 und in der Eurozone 54,2 aus. Auch andere Indikatoren lassen aktuell auf keine Rezession schließen.
Für eine nachhaltige Verbesserung an den Kapitalmärkten benötigt es einen deutlichen Rückgang der Inflationszahlen, sodass man wirklich davon ausgehen kann, dass wir uns in Richtung zwei bis drei Prozentpunkte Preisauftrieb bewegen.
Im laufenden Quartal wird mit einem leichten Rückgang des Wachstums der Unternehmensgewinne in den USA und Europa gerechnet. Erholung bei den Gewinnerwartungen ist dann ab dem dritten Quartal in Sicht. Angesichts der unsicheren Aussichten sollte man mit Zukäufen im Aktienbereich noch zuwarten. Aktuell bleiben wir weiterhin untergewichtet in den Aktienmärkten und bei Anleihen möglichst kurz.
Harald Holzer, MBA, CFA, Mitglied des Vorstandes / Chief Investment Officer, Kathrein Privatbank