Wer hätte sich das vergangenen September gedacht, als Euro/USD unter 1 fiel und die ersten Euro-Skeptiker das Ende der Gemeinschaftswährung herannahen sahen? Dabei waren die Gründe für diese Entwicklung deutlich zu sehen: Einerseits begann die US-Notenbank früher - und zudem recht aggressiv - ihren Leitzins anzuheben als die Europäische Zentralbank. Andererseits wirkte der Euro in einem globalen Vergleich für Investoren aufgrund des Krieges in der Ukraine nicht attraktiv.
Doch das Bild hat sich verändert. Investoren blicken in die Zukunft und da gibt es durchaus Argumente, die für den Euro sprechen. Zwar ist es nach wie vor so (und es wird auch noch längere Zeit so bleiben), dass der US-Leitzins über jenem der Eurozone liegt. Jedoch gehen zahlreiche Beobachter bereits von Zinssenkungen in den USA noch in diesem Jahr aus. Die Marktteilnehmer, die an eine baldige Zinssenkung glauben, führen zwei Gründe dafür ins Treffen: Zum einen wird das Risiko einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte als sehr hoch eingestuft, was durch die inverse Zinskurve (das kurze Ende der Zinskurve liegt über dem langen Ende) verdeutlicht wird. Zum anderen droht im Sommer ein neuerliches politisches Schauspiel rund um die Schulden-Obergrenze. Angesichts der Ausgeglichenheit der politischen Kräfte könnte das ein besonders dramatisches Stück werden. Als Resultat dieser beiden Faktoren wäre die Notenbank möglicherweise zum Handeln gezwungen und die geldpolitische Bremse müsste wieder gelockert werden. Wir halten Rezessions-Sorgen zwar nicht für unberechtigt, jedoch für verfrüht. Aus diesem Grund teilen wir die Markteinschätzung auch nicht und gehen derzeit nicht von einem raschen Kurswechsel der US-Notenbank aus.
Inflation - höher für länger
Zinssenkungserwartungen oder auch Hoffnungen diesbezüglich sind in der Eurozone noch kein Thema. Allerdings liegt das daran, dass die allgemeine Teuerung in der Eurozone (im März lag der harmonisierte Verbraucherpreisindex bei 6,9% p.a.) höher ist als in den Vereinigten Staaten. Die März PCE-Inflationsrate lag bei 4,2% p.a., PCE steht für den Wert der privaten Konsumausgaben und wird besonders von der FED berücksichtigt. Zudem gilt es noch abzuwarten, ob sich die Inflation nicht aufgrund von Zweitrunden-Effekten (z.B. einer Lohn-Preisspirale) verfestigt und somit länger zu hoch bleibt. Aus diesem Grund gehen wir davon aus, dass der Zinsanhebungszyklus der EZB länger als jener des US-Fed andauern wird. Ja, der US-Leitzins wird trotzdem höher als sein Euro-Pendant sein, aber allein die Tatsache, dass die Erwartungen divergieren (Erwartungen von Zinssenkung vs. Erwartung weiterer Anhebungen), stützt aus unserer Sicht den Euro.
Währungsrisiken werden bei uns aktiv verwaltet und mit einer konsequent umgesetzten Strategie kontrolliert. Demzufolge wird jegliche Währungsentwicklung auch laufend evaluiert und die Ausrichtung gegebenenfalls angepasst. Wir gehen derzeit davon aus, dass sich die relative Stärke des Euro weiter fortsetzen wird und halten das US-Dollar Exposure entsprechend gering.
Von Andreas Auer, Institutional Business bei Kathrein Privatbank AG