Im Laufe dieser Woche werden die beiden großen Notenbanken, die EZB und die US-Fed, ihre letzten Zinsentscheidungen vor der Sommerpause treffen. Auch wenn die amerikanische Notenbank im Juni bei den Zinsanhebungen pausiert hat, wäre es eine große Überraschung wenn nicht beide Häuser den Leitzins und die damit zusammenhängenden Sätze um jeweils einen Viertelprozentpunkt anheben würden. Die EZB hätte den Leitzins dann bei 4,25% und die US-Fed in der Spanne von 5,25%-5,50%.
Im Gleichschritt geht es dann noch in die Sommerpause (im August finden traditionell keine Notenbanksitzungen statt) aber das könnte es dann auch gewesen sein mit der Parallelität. Es ist anzunehmen, dass sich ab Herbst die Zinsstrategien unterscheiden werden. Die amerikanische Notenbank wird Mittwochs wohl den Zinsgipfel erreichen und im Herbst zuwarten, um in der ersten Jahreshälfte 2024 die andere Richtung einzuschlagen und die Zinsen zu senken. Ein Schritt, der schon mehrmals vorausgesagt wurde, sich aber immer weiter nach hinten verschoben hat. Die aktuellen Makrodaten sprechen jedoch inzwischen dafür, dass in den USA sowohl die Inflation zurückkommt als auch die Wirtschaft einigermaßen stabil bleibt und die US-Fed somit ihr Ziel erreicht haben dürfte.
Etwas anders sieht das Bild hingegen in Europa aus. Zwar sehen wir bereits eine sinkende Headline-Inflation, aber bei der Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) scheint der Abwärtstrend noch nicht zu greifen und – auch aufgrund einzelner Basiseffekte –wäre sogar ein neuer Rekordwert in diesem Sommer keine große Überraschung. Somit ist die Prognose für die Entscheidung bei der ersten Herbst-Sitzung der EZB im September vorerst ein Vabanquespiel. Die Präsidentin der EZB, Madame Lagarde, weist ja schon seit einigen Sitzungen darauf hin, dass die Entscheidungen sehr datengetrieben sind und damit kurzfristig getroffen werden. Seit einigen Tagen sind aber auch die Aussagen der einzelnen Notenbankmitglieder sehr zurückhaltend, wenn es um die Sitzung im Herbst geht. Hatte man noch im Juni von den Falken, jene Mitglieder die eher höhere als niedrige Zinsen befürworten, traditionell aus den nördlichen Ländern, Forderungen nach weiteren Zinsschritten im Herbst vernommen, so gehen derzeit die Aussagen eher in die Richtung der offiziellen EZB-Linie keine Vorentscheidungen zu treffen.
Diese Unsicherheit hat natürlich auch Auswirkungen auf die Kapitalmärkte, noch viel mehr, da der Sommer oftmals eine eher ruhige und weniger liquiditätsgetriebene Zeit ist. So hat die zehnjährige Rendite deutscher Staatsanleihen vor etwa drei Wochen aufgrund von guten Arbeitsmarktzahlen in den USA um etwa 0,25% zugelegt. Dies frei nach dem Motto: „Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Zinsen können weiter angehoben werden.“ In der Vorwoche hingegen kamen die US-Inflationszahlen und das besser als erwartet – gleich wurde die Bewegung wieder zunichte gemacht und die Rendite kehrte auf ihr Ausgangsniveau zurück. Diesmal unter dem Gedanken: „Die Inflation ist auf gutem Wege, die Zinsen brauchen nicht weiter angehoben werden.“ Auf derartige datengetriebene Stimmungsschwankungen stellen wir uns für die nächsten Wochen ein, werden aber nicht jeder neuen Zahl hinterher hecheln, sondern unserer langfristigen, strategischen Ausrichtung treu bleiben und darauf aufbauend jederzeit ein ausgewogenes Portfolio zusammenstellen.
Von Thomas Odehnal, Fondsmanager bei Kathrein Capital Management