Das Ergebnis der EU-Wahlen in Frankreich hat den Staatspräsidenten Macron – noch bevor die Stimmen ausgezählt waren – derart schockiert, dass er die Auflösung des Parlaments, und damit Neuwahlen ausgerufen hat. Die Tatsache, dass sein Bündnis nicht einmal 15% erreichte und die radikale Rechte unter Parteichefin Marine Le Pen fast ein Drittel der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, war dann doch zu viel. Dies ließ auch den Kapitalmarkt nicht zur Ruhe kommen. Der französische Aktienindex brach ein und Staatsanleihen werden mit zusätzlichen Risikoaufschlägen gehandelt. Wie geht es aber nun weiter?
Seit der Auflösung des Parlaments wird von den politischen Kommentatoren diskutiert, ob dies ein genialer Schachzug oder politischer Selbstmord Macrons war. Die Tendenz von Umfragen geht zur zweiteren Interpretation. Vielfach wird argumentiert, Macron habe mit den vorgezogenen Neuwahlen sein lange und oft beschworenes Ziel, Marine Le Pen vom Staatsthron fernzuhalten, konterkariert hat. Die Hoffnung, dass sich die Wähler in der Stichwahl (Frankreich hat auch für das Parlament ein Mehrheitswahlrecht) wieder „gegen rechts“ vereinen, könnte und dürfte diesmal nicht aufgehen. Damit sieht es so aus, als würde der in Frankreich durch die Verfassung sehr starke Präsident bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2027 mit einer ihm ungelegenen Regierung zusammenarbeiten müssen.
Politische Unberechenbarkeit kostet
Frankreichs Leitindex CAC 40 gehörte bereits in den ersten fünf Monaten dieses Jahres zu den schwächeren westeuropäischen Indizes und verlor in der Woche nach den EU-Wahlen zeitweise nochmals bis zu sieben Prozent.
Auf der Anleihenseite haben die Anleger dem französischen Staat in gewissem Maße das Vertrauen entzogen. Die Risikoaufschläge für zehnjährige Staatsanleihen stiegen von knapp 50 Basispunkten (gegenüber Deutschland) auf knapp 80 Basispunkte. Dies entspricht einem Kursrückgang von etwa 2,5 Prozentpunkten. Hier kommt hinzu, dass Frankreich bereits zuvor unter Beobachtung stand, und auch von Standard & Poor´s Ende Mai eine Ratingherabstufung hinnehmen musste, da die Staatsfinanzen wenig solide sind. Die Staatsverschuldung ist in den letzten fünf Jahren von unter 100% des Bruttoinlandsproduktes auf etwa 113% angestiegen und beträgt absolut über 3 Billionen EUR. Es ist jedoch zu befürchten, dass nach den vorgezogenen Neuwahlen nicht nur die politische Einigung schwierig sein wird, sondern auch die fiskalische Situation zusätzlich belastet wird und es zu einem ungebremsten Ausgabeverhalten kommt – und das, nachdem gerade erst ein offizielles Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet wurde.
Französisches Dilemma kompensieren
Apropos Europäischen Union: Auch hier wird blickt man mit großer Sorge auf den französischen Wahltag (7. Juli 2024) und die Stichwahl sieben Tage später. Wenn sich die Prognosen bewahrheiten und es eine entweder am rechten oder am linken äußeren Rand angesiedelte Regierung in Frankreich geben wird, wird eine Einigung in vielen (Kern-)Themen mit einem der Gründerstaaten der EU um ein Vielfaches schwieriger. Diese Sorge ist auch bereits an der Entwicklung des Euros abzulesen, der seit der EU-Wahl vor zwei Wochen gegenüber dem USD und auch gegenüber den meisten anderen wichtigen Währungen an Wert eingebüßt hat.
Durch die breite Diversifikation in unseren Portfolios, sei es über die Assetklassen, die Währungen, die Länder und auch die Laufzeiten, haben wir diese Bewegungen natürlich auch gespürt, konnten aber auf der anderen Seite von neuen All-time-Highs an den US-Börsen bzw. dem „flight to quality“ profitieren und das französische Dilemma vorerst überkompensieren.
Von Thomas Odehnal, Fondsmanager bei Kathrein Capital Management