Globale Finanzmärkte unter Druck: Ursachen und Erwartungen

Kathrein Privatbank | 08.08.2024 09:38 Uhr
Harald Holzer, MBA, CFA, Chief Investment Officer, Kathrein Privatbank / © e-fundresearch.com / Kathrein Privatbank
Harald Holzer, MBA, CFA, Chief Investment Officer, Kathrein Privatbank / © e-fundresearch.com / Kathrein Privatbank

  • Japans Aktien unter Druck und US-Technologiewerte im Fokus
  • Die globalen Finanzmärkte erlebten in den letzten Tagen eine bedeutende Verkaufswelle, die vor allem japanische Aktien stark beeinträchtigte.
  • Mehrere Faktoren haben zu einem komplexen und schwierigen Marktumfeld geführt, das Investoren vor große Herausforderungen stellt.

Zusammenfassung der Ereignisse

Wir beurteilen die starke Korrektur an den Aktienmärkten in den letzten Tagen als Überreaktion auf schwächere US-Wirtschaftsdaten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktbericht vom Freitag und der Zinserhöhung der Bank of Japan um 25 Basispunkte. Wir halten die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nach wie vor für gering. Auch die schnelle Einpreisung von deutlichen Zinssenkungen in den USA bis zum Jahresende erachten wir als überzogen. Auf Unternehmensebene erwarten wir – trotz einiger Abwärtskorrekturen in der laufenden Ergebnissaison – weiterhin ein weltweites Gewinnwachstum von 10% p.a. Die anstehenden Zinssenkungen der Fed und der EZB sollten deutlich unterstützend wirken. Die Volatilität bleibt in jedem Fall hoch. Dies bestätigt bereits der heutige Tag nachdem eine rasante Erholung an den japanischen Aktienmärkten einsetzte und mit einer Abwertung des japanischen Yens begann.

Japans Aktienmärkte unter Druck

Der japanische Topix-Index ist seit seinem Rekordhoch im letzten Monat um 24% gefallen. Der Nikkei 225 erlitt seinen schlimmsten eintägigen Rückgang, da das Vertrauen der Investoren schlagartig schwand. Diese dramatischen Verluste wurden größtenteils durch die Zinserhöhung der Bank of Japan am 31. Juli ausgelöst. Diese Maßnahme führte zu einem sprunghaften Anstieg des Yen, was die Gewinnprognosen für Exporteure erheblich belastete. Yen-finanzierte Carry Trades, die in Zeiten niedriger Volatilität bei Investoren beliebt waren, wurden aufgelöst, da die höheren Zinssätze die Attraktivität dieser Strategie verringerten. Dies trug weiter zur Panik und zum Abverkauf an den Märkten bei.

US-Technologiewerte und AI-Euphorie

Auch die US-Märkte blieben von diesem globalen Trend nicht verschont. Insbesondere die hoch bewerteten US-Technologiewerte gerieten unter Druck. Der Nasdaq 100 Future verzeichnete den schlechtesten Eröffnungstag seit vier Jahren. Die Euphorie um Künstliche Intelligenz (AI), die die Technologieaktien in den letzten Monaten angetrieben hatte, beginnt abzuflachen. Dies führt zu einer Neubewertung vieler Tech-Werte, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen wirtschaftlichen Abschwächung.

Rückschlag in einem Bullenmarkt?

Betrachtet man die Anzahl der Tage ohne eine Korrektur in der Höhe von 10% auf Basis vom MSCI ACWI Index, so zeigt sich, dass die aktuelle Bewegung überfällig war. Ein Risiko eines Bärenmarktes sehen wir aus heutiger Sicht nicht. In historischen Analysen war die aktuelle Bewegung eher im Zusammenhang mit unvorhersehbaren Ereignissen wie der Lehman-Krise oder militärischen Eskalationen zu beobachten – dies ist aktuell nicht der Fall. Selbst die Spannungen zwischen Israel und dem Iran spielen derzeit eine untergeordnete Rolle. Ein Blick auf die Rohölpreise Brent und WTI spiegelt dies ebenfalls wider. Rezessionsängste scheinen zu überwiegen, da auch der Rohölpreis nachgibt – eine drohende Eskalation im Nahen Osten würde sich in steigenden Preisen niederschlagen.

Arbeitsmarktdaten in den USA

Schwächer als erwartet ausgefallene Arbeitsmarktdaten in den USA haben eine hitzige Debatte darüber entfacht, ob die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht. Die Arbeitslosenquote stieg im Juli an, was teilweise auf eine anhaltende Normalisierung des Arbeitsmarktes nach der Pandemie zurückgeführt wird. Einige Marktanalysten fordern eine rasche und signifikant Zinssenkung durch die Federal Reserve. Eine Senkung um einen Prozentpunkt auf 4,25%-4,5% bis zum Ende des Jahres wird als notwendig erachtet, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Die Zinssatz-Futures deuten darauf hin, dass der Markt mit einer Senkung der Zinssätze um über 200 Basispunkte bis Ende 2025 rechnet, was die Fed Funds Rate auf nahe 3% bringen würde.

Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist zwar gestiegen, bleibt aber im Vergleich zu den vergangenen Monaten weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Ein weiterer rasanter Anstieg würde eine deutliche Eintrübung des makroökonomischen Bildes verlangen. Eine baldige Zinssenkung der US-Federal-Reserve käme der US-Wirtschaft aus unserer Sicht zugute, um einer weiteren Eintrübung zumindest entgegenzuwirken.

Globale politische Spannungen

Neben den wirtschaftlichen Unsicherheiten tragen auch geopolitische Spannungen zur Marktvolatilität bei. Israel bereitet sich auf mögliche Angriffe des Iran und von regionaler Milizen vor, nachdem führende Vertreter der Hisbollah und der Hamas ermordet wurden. Die USA entsenden defensive Verstärkungen und drängen auf einen Waffenstillstand in Gaza, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern.

Unsere Erwartungen

Aus heutiger Sicht scheint es sich bei der Marktbewegung um eine Überreaktion zu handeln. Der Markt entwickelte sich, als ob ein externer Trigger vergleichbar mit Covid-Pandemie eingetreten wäre – dies ist jedoch nicht der Fall. Das Bild ähnelt eher dem Jahr 1987, als sich der Markt nach einer Korrektur schnell erholte, da die Fundamentaldaten den vorangegangenen rapiden Einbruch nicht rechtfertigten. Obwohl eine Korrektur im aktuellen Umfeld überfällig war, ist sie in einem Bullenmarkt nicht ungewöhnlich - wir haben in der ersten Jahreshälfte 2022 bereits einen Rückgang von über 15% erlebt. Dies war die Folge der russischen Invasion in der Ukraine. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine weltweite Rezession erwartet – ausgelöst durch die rasant steigenden Energiepreise und dem damit verbundenen Anstieg der Inflation. Der daraus resultierende Anstieg der Anleihenrenditen und die damit verbundenen Anhebungen der Leitzinsen durch die Zentralbanken konnten die Aktienmärkte nicht daran hindern, neue Allzeithochs zu erreichen. 

Selbst wenn wir die zunehmenden Spannungen zwischen Israel und dem Iran sowie den gesunkenen Ölpreis berücksichtigen, sehen wir keine kurzfristige Eskalation und auch keine Rechtfertigung für diese Marktbewegung. Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen um 25 Basispunkte senken wird, allerdings nicht in Form einer Entscheidung zwischen den Sitzungen, was zu noch mehr Unsicherheit führen könnte, sondern im Rahmen der nächsten tourlichen Sitzung im September 2024. Die nächste Stellungnahme der Fed wird auf dem Treffen der Zentralbanken in Jackson Hole erfolgen, wo sie bestätigen wird, dass die Wirtschaft zwar schwächer ist, aber keine tiefe Rezession zu erwarten ist. Auf Unternehmensebene wurden die Gewinnerwartungen für dieses Jahr in den letzten Wochen etwas nach unten korrigiert, jedoch bleibt der Trend beim Gewinnwachstum aufwärts gerichtet. Sobald die Kosten der Schuldenlast sinken, wird dies den Druck auf Unternehmen und Verbraucher zusätzlich verringern.

Fazit: Ein komplexes Marktumfeld

  • Die aktuelle Marktsituation ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels mehrerer Faktoren:
  •  Zinserhöhungen in Japan: Das nachhaltige Ende der lockeren Geldpolitik der Bank of Japan hat den Yen gestärkt und die Aussichten für Exporteure verschlechtert.
  • Massiver Ausverkauf bei Technologiewerten: Der Abverkauf wurde durch eine Abkühlung der AI-Euphorie, sehr hohe Bewertungen und wirtschaftliche Unsicherheit ausgelöst.
  • Schwache US-Arbeitsmarktdaten: Die enttäuschenden Daten schüren Rezessionsängste und führen zu Forderungen nach übertriebenen Zinssenkungen durch die Federal Reserve.
  • Weltpolitische Spannungen: Insbesondere die Spannungen im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran sorgten für zusätzliche Unsicherheit und Abwärtsbewegungen an den Märkten.
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