Im August haben sowohl die EZB als auch die FED pausiert. Keine einzige Zinsentscheidung stand am Plan. Nichtsdestotrotz fand auch im letzten Monat ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Event für Notenbanker statt: das wirtschaftspolitische Symposium in Jackson Hole (im US-Bundesstaat Wyoming) vom 22. bis 24. August mit dem Thema: Neubewertung der Wirksamkeit und Transmission der Geldpolitik. Die dort getätigten Aussagen deuten auf einen baldigen Start der Zinswende in den USA hin.
Auch wenn es länger als erwartet gedauert hat, haben die Notenbanken die Inflation scheinbar in den Griff bekommen. Die Raten sind in den letzten Monaten noch einmal zurückgegangen und wir sind der Zielrate in der Höhe von 2% Inflation nähergekommen. Im Juni sank die Inflation in den USA um 0,1%, im Juli gar um 0,2%.1 Der Durchschnitt aus beiden Monaten liegt also bei 0,15% Wenn das in den nächsten zehn Monaten so bleibt, dann sind wir in einem Jahr unter 2% Inflation. Es ist also alles angerichtet für eine Zinssenkung, könnte man sagen. Dies wurde auch – für einen Notenbanker relativ deutlich – von Jerome Powell bei dem Treffen der Notenbanken in Jackson Hole zum Ausdruck gebracht. Seine Aussage, dass die Inflation auf dem richtigen Weg sei und der Arbeitsmarkt keiner weiteren Abkühlung mehr bedarf, war fast schon eine Zusage zur ersten Zinssenkung Mitte September.
Große Erwartungen
Die Kapitalmärkte preisen dieses Szenario bereits ein und gehen von einer ersten Zinssenkung der FED um 25 Basispunkte im September aus. Wir gehen davon aus, dass zwei weitere Senkungen der Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte im November und Dezember folgen – insgesamt also 0,75% bis Jahresende.
Wie es aber manchmal so ist auf den Kapitalmärkten: Reicht ein Notenbanker den kleinen Finger mit einer ersten Zinssenkung im September zu 25 Basispunkten, nimmt der Markt die ganze Hand und preist bis Jahresende bereits 100 Basispunkte Zinssenkung in den USA an.1 Damit noch nicht genug: auch zu Jahresbeginn 2025 im Jänner erwarten die Märkte einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte nach unten und noch einen im März auch um 25 Basispunkte. Insgesamt erwarten die Kapitalmärkte eine Zinssenkung von 1,5 % in etwas mehr als einem Jahr1. Diese Erwartung unterscheidet sich aber drastisch von jener der Notenbanker. Die Projektionen der FED-Mitglieder zu Ende des Jahres 2024 ergaben zwar einen geringeren Leitzins, aber mit einem Medianwert in der Höhe von 5,125% deutlich höher als momentan von den Märkten erwartet wird. Dasselbe Spiel wiederholt sich bei den Erwartungen für 2025: Für Ende 2025 erwarten die FED-Mitglieder Leitzinsen von 4,125%, die Märkte preisen aber bereits einen Satz von 3,09%1. Wenngleich auch nach dem Septembermeeting die Erwartungen der FED-Mitglieder wahrscheinlich nach unten revidiert werden, werden die Projektionen der FED-Mitglieder bezüglich des zukünftigen Zinspfades noch immer höher sein als die Markterwartungen.
Lehren aus der Vergangenheit
Und was sagt uns die Historie? Wir haben uns die Zinssenkungszyklen in den USA seit 1.1.1971 näher angesehen und dabei festgestellt, dass diese im Durchschnitt etwas über 400 Tage andauern und die Leitzinsen um 300 Basispunkte zurückgehen. Es hat aber durchaus auch längere Zinssenkungszyklen gegeben. Übrigens der letzte Zinssenkungszyklus von Oktober 2019 bis März 2022 war genau 958 Tage lang.1
Also Märkte, FED-Mitglieder und Historie zeigen uns fallende Leitzinsen an. Der Zinssenkungszyklus ist mehr oder weniger eingeläutet und könnte in zwei Wochen seinen Anfang nehmen. Im Zuge dessen wird sich auch Schritt für Schritt die inverse Zinskurve auflösen. Momentan ist der Leitzins mit 5,5% um 163 Basispunkte höher als die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen in den USA, die nur bei 3,87% liegen. Bis zum Ende des Zinssenkungszyklus sollte sich diese inverse Zinskurve in den USA wieder umkehren und längere Laufzeiten sollten wieder höhere Renditen aufweisen als der Leitzins in den USA. Man sollte also für das Halten längerer Laufzeiten wieder mit einer höheren Rendite belohnt werden. Aber auch für die längeren Laufzeiten gilt: die Renditen gehen im Durschnitt während eines Zinssenkungszyklus zurück und in den USA ist dann doch noch etwas Platz für fallende Renditen. Noch dazu wird man bei fallenden Anleihenrenditen mit Kursgewinnen belohnt. Je länger die Restlaufzeit einer Anleihe ist, desto höher fallen üblicherweise die Kursgewinne bei fallenden Renditen aus. Also auch an den USD-Anleihenmärkten ist alles angerichtet. Dabei ist aber zu beachten, dass Investitionen in Finanzinstrumente jederzeit Kursschwankungen unterliegen und zu Verlusten führen können.
Positionierung bei fallenden Zinsen
Wir setzen in unserer Strategie bei Anleihen nun auf längere Laufzeiten, sowohl für Anleihen in EUR als auch USD gibt es nun interessante Möglichkeiten sich für die kommenden Zinssenkungen zu positionieren.
Von Andreas Weidinger, LEITUNG PORTFOLIOMANAGEMENT, Kathrein Privatbank
1 Datenquelle: Bloomberg, Stand: 30. 8. 2024