Mit ihren Unternehmenszahlen für das dritte Quartal 2024 haben die großen US-Finanzinstitute die US-Earnings Season eröffnet. Viermal im Jahr sind Analysten, Investoren und Marktbeobachter gefordert, ihre Schlüsse aus den Quartalszahlen der Unternehmen zu ziehen. Die Erwartungen sind diesmal groß, umso größer ist das Potenzial für Enttäuschungen. Der Auftakt verlief aber vielversprechend. Bis Ende Oktober werden rund 300 US-Unternehmen aus dem S&P 500 Index – darunter Mega-Caps wie Alphabet (Google-Muttergesellschaft), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehem. Facebook) oder Microsoft – ihre Berichte offengelegt haben, was zwei Dritteln der gesamten Marktkapitalisierung entspricht.
Dabei sind nicht nur die absoluten Zahlen und die Veränderungen zum Vorjahreszeitraum bzw. Vorquartal ausschlaggebend, sondern es sollten vielmehr die Gewinnerwartungen, die zuvor akribisch gesammelt und von diversen Anbietern von Finanzdaten veröffentlicht wurden, übertroffen werden. Die sogenannten „Earnings Surprises“ beeinflussen daher die Kursreaktionen an den Börsen maßgeblich, wobei negative Gewinnüberraschungen in der Regel besonders starke negative Kursausschläge verursachen.
Gewinnwachstum: Erwartungen verdoppelt
Im dritten Quartal des Vorjahres lag das durchschnittliche Gewinnwachstum der 500 größten US-Unternehmen bei rund 5%. Für das dritte Quartal des laufenden Jahres sind die Erwartungen für das Gewinnwachstum rund doppelt so hoch.1 Diese Erwartungshaltung erhöht naturgemäß die Chance für negative Überraschungen. Der „Season Kick-off“ durch die großen US-Finanzinstitute ist jedoch diesmal gut gelungen.
JP Morgan verdiente rund 13 Mrd. USD im abgelaufenen Quartal und kann mit einer soliden Eigenkapitalrendite (ROE) in Höhe von rund 17% punkten. Bei den Kundeneinlagen ist die nach Bilanzsumme größte US-Bank schon das vierte Jahr in Folge die Nr. 1. Bei Wells Fargo war das Quartal in Summe sehr positiv, auch wenn das Nettozinseinkommen im Jahresvergleich um 11% zurückging.1 Dafür punktete das Unternehmen bei den Vorsorgen für faule Kredite, die geringer ausfielen als von den Analysten erwartet.
Die auf Vermögensverwaltung und Wertpapierdienstleistungen spezialisierte älteste noch bestehende Bank der Vereinigten Staaten, Bank of New York Mellon (gegr. 1784), übertraf zwar ebenfalls die erwarteten Gewinnzahlen, musste jedoch deutlich höhere Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle vornehmen.1
Blackrock, der weltweit größte Investmentmanager, übertraf die hohen Gewinnerwartungen der Analysten und markierte mit rund 11,5 Billionen USD Assets under Management (AuM) einen neuen Rekord.1
Quelle: Bloomberg Finance L.P., Stand: 11.10.2024
Alle in der Tabelle gelisteten Unternehmen konnten die Gewinnerwartungen der Analysten übertreffen (Spalte „Überraschung“). Die Kursreaktionen fielen mit Ausnahme der Bank of New York Mellon äußerst positiv aus. Während der S&P 500 Financial Sector Index an diesem Tag mit plus 1,95% aus dem Handel ging, lagen die Aktien von Wells Fargo, JP Morgan und Blackrock deutlich darüber.
Kathrein Aktienstrategie
Kathrein setzt in der Aktienselektion auch auf den sog. „Earnings Surprise“-Faktor. Auf Basis der weltweit top gerankten Analyst*innen wird der „Smart Estimate Score“ errechnet. Der Beitrag zur relativen Out-/Underperformance hängt historisch betrachtet stark von der Höhe der positiven bzw. negativen Gewinnüberraschung ab. Wenn es gelingt, jene Unternehmen herauszufiltern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv überraschen, und jene zu meiden, die wahrscheinlich enttäuschen werden, so kann dieses Vorgehen gegenüber einem Index-Portfolio (möglichst genaue Nachbildung eines Aktienindex) vorteilhaft sein.
Von Josef Stadler, Portfoliomanager, Kathrein Privatbank
1 Quelle: Bloomberg, Stand: 11.10.2024