Fuß vom Gas … so scheint jetzt das Motto der amerikanischen Notenbank zu sein. Sie werden sich jetzt fragen: Was meine ich damit? Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (FED) hat bereits im September dieses Jahres begonnen, die Leitzinsen zu senken, damals um 50 Basispunkte und dann noch einmal um 25 Basispunkte im November (übrigens zwei Tage nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten), wobei noch weitere Zinssenkungen avisiert wurden. Allerdings erwarten wir, dass das Tempo der Leitzinssenkungen in den nächsten Monaten deutlich zurückgehen wird. So ist auch das momentan vom Kapitalmarkt eingepreiste Bild ein ganz anderes als noch vor zwei Monaten: Im September dieses Jahres wurde ein Leitzinssatz für Dezember 2025 von unter 3% erwartet. Mittlerweile sind wir bei Erwartungen von knapp unter 4% für Ende 2025, also beinahe knapp 100 Basispunkte höher1. Leitzinssenkungen werden also noch immer erwartet, aber bei weitem nicht mehr in dem Umfang. Wir schätzen zwischen drei und vier Leitzinssenkungen in der Höhe von insgesamt 75 bis 100 Basispunkten im Laufe des nächsten Jahres.
Die letzten Meter sind die längsten
Was sind die Hintergründe dieser Entwicklung? Werfen wir zuerst einen Blick auf die Inflationsraten in den USA, die zwar erfreulicherweise deutlich geringer sind als noch vor 24 Monaten, jedoch in den letzten 12 Monaten deutlich langsamer gesunken sind. Die letzten Meter (vielleicht sind es ja auch dann doch noch etwas mehr als ein paar Meter) scheinen doch die beschwerlichsten zu sein. So ist die Verbraucherinflation im Jahresvergleich per Ende Oktober zwar von 3,2% auf 2,6% zurückgegangen, im Vergleich zum Monat davor – also Inflation von September 2023 auf September 2024 – aber von 2,4% auf 2,6% angestiegen. Wenn wir einen Blick auf die Kerninflation (ohne Nahrung und Energie) werfen, dann schaut das Bild sogar noch etwas schlechter aus. Der Rückgang von Oktober 2023 auf Oktober 2024 um 0,7 Prozentpunkte von 4,0% auf 3,3%1 fällt zwar geringfügig höher aus, aber auf doch deutlich höherem Niveau und ist noch immer ein Stück von der magischen 2%-Marke entfernt, die dem eigentlichen Ziel der US-Notenbank entspricht. Es wundert daher nicht, dass sich die Leitzinserwartungen wieder nach oben verschoben haben. Viele sprechen auch von einer „Sticky Inflation“ – ein zäher, hartnäckiger und anhaltender Preisauftrieb, der sich in den Köpfen der Wirtschaftsakteure (Konsumenten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber) festgesetzt hat und deswegen auch so schwer durch ein Drehen an den Leitzinsen zu bekämpfen ist, ohne in eine durch die Notenbank verursachte Rezession abzugleiten.
Trumps Wiederwahl und die Renditen
Und dann war doch noch etwas, oder? Am 5. November 2024 wurde Donald J. Trump zum designierten 47. Präsidenten der USA wiedergewählt. Noch dazu war das nicht alles: Auch im Senat und im Repräsentantenhaus haben die Republikaner die Mehrheit: Schuldenobergrenze ade! Der Streit zwischen den Demokraten und Republikanern über eine Erhöhung der Schuldenobergrenze hat damit vorerst ein Ende gefunden, weil schlicht und einfach die Zustimmung der Demokraten zumindest bis zu den „Midterm“-Wahlen in zwei Jahren nicht mehr benötigt wird. Einer breiten Senkung der Steuern, wem immer diese Senkung auch zugutekommt, steht daher eigentlich nichts mehr im Wege. Die Finanzierung wird durch eine Erhöhung der Staatsschulden vorangehen. Das ist die Annahme an den Kapitalmärkten. Im Zuge dessen sind auch die Renditen der amerikanischen Staatsanleihen ab einer Laufzeit von einem Jahr noch einmal angestiegen und haben den Trend ansteigender Renditen seit der ersten Leitzinssenkung im September noch einmal verstärkt. Zehnjährige Anleihen sind seit der Zinsentscheidung im September von 3,7% auf 4,4% um 69 Basispunkte angestiegen1. Es gab nur einen Zinssenkungszyklus seit 1970, in dem der Zinsanstieg in den ersten drei Monaten danach höher ausfiel und das war zu Beginn der 1980er. Im Durchschnitt sind die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen nach einer Zinssenkung seit 1970 mit 7 Basispunkten nur marginal angestiegen2. Dieser markante und außergewöhnliche Anstieg in diesem Zinszyklus hat Kathrein daher dazu veranlasst, die durchschnittliche Laufzeit in den von Kathrein verwalteten Fonds mit USD-Anleihen etwas zu verkürzen und damit das Zinsrisiko zurückzunehmen.
Transatlantische Zinsunterschiede
Rezessionsängste in den USA sind vorerst in weite Ferne gerückt. Die Wirtschaft wächst nach wie vor und Trump wird seinem Versprechen zufolge fiskalpolitisch alles dafür tun, dass das auch weiter so bleibt. Die Inflation ist zwar über 2%, aber doch auf niedrigem Niveau und nicht mit den Inflationsraten der 1970er und 1980er-Jahre zu vergleichen. Zu guter Letzt bleibt auch der US-Dollar durch die wachsende Zinsdifferenz zum Euro gut unterstützt. Kathrein ist daher im US-Dollar aktuell in den Portfolios übergewichtet. Leitzinsen und Kapitalmarktzinsen sind im Euro niedriger und dieser Unterschied wird aus unserer Sicht im nächsten Jahr noch größer werden. Zurzeit sind die Renditen zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen mit 4,4% um 215 Basispunkte – also um über 2% – höher als die von deutschen Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit1. Und dies in einer Zeit, in der Deutschland nicht durch politische Stabilität glänzt.
Von Andreas Weidinger, LEITUNG PORTFOLIOMANAGEMENT, Kathrein Privatbank
1 Quelle: Bloomberg, 22. 11. 2024
2 Quelle: NDR, 22. 11. 2024