Seit einer Woche fliegen Raketen und Drohnen zwischen Israel und Iran. Raketen detonierten in Natanz, Fordow und im Zentrum Teherans; neben den Atomanlagen standen auch Luftabwehrsysteme und die militärische Führung im Visier. Beobachter sprechen vom schwersten Schlag gegen Irans Militär seit dem Golfkrieg. Die Frage und Sorge ist daher, könnte eine breit angelegte iranische Vergeltungswelle – mit Schwärmen von Drohnen und salvenweise abgefeuerten Raketen – die bislang punktuelle Auseinandersetzung in einen offenen, großflächigen Krieg überführen und wie würde sich dieser auf die Kapitalmärkte auswirken?
Teherans doppelte Achillesferse
Ökonomisch sitzt das Regime auf einem Pulverfass: die Inflation verharrt oberhalb von 35%, der Rial hat binnen 18 Monaten mehr als die Hälfte an Wert verloren. Sanktionen kappen Investitionen, Exporterlöse hängen fast ausschließlich am Absatz nach China. Militärisch ist die Kommandostruktur geschwächt. Der Verlust der Generalstabsspitze und mehrere ausgeschaltete S-300-Batterien öffnen Lücken in der Luftabwehr. Zudem sind Irans Vorfeldarmeen angeschlagen: Hamas hat ihre Führungsriege verloren, Hezbollah beklagt Tausende Gefallene und ringt seit Monaten um Nachschub. Diese Mischung begrenzt Teherans Handlungsspielraum: Ein langwieriger Krieg würde Wirtschaft und Regime gleichermaßen überfordern.
Doch die größte Sorge liegt tiefer unter Beton und Granit: Sollten die noch intakten Atom-Anlagen in Natanz, Fordow oder dem neuen, bergfesten Standort bei Shahid Karimi Schaden nehmen, könnte das Regime versucht sein, den letzten Tabu-Schritt zu gehen – den offenen Ausstieg aus dem „Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen“ und die Beschleunigung eines möglichen Atomwaffenprogramms. Ein solcher Schritt wäre politisch Gift, militärisch riskant – und für die Märkte ein Schock, weil jede weitere Eskalationsstufe fast zwangsläufig über den Ölpreis ausgetragen würde.
Öl bleibt Risikofaktor – doch Irans Hebel schrumpft
Iran fördert rund 3,4 Mio. Barrel pro Tag – etwa vier Prozent des Weltangebots. Für Investoren zählt jedoch etwas anderes: 20% der globalen Seefracht passieren die nur 50 km breite Straße von Hormus. Eine Blockade ließe die Preise sofort durch die Decke schießen, selbst wenn das physische Defizit zunächst moderat bliebe.
Gleichzeitig wird das Überangebot wahrscheinlicher: OPEC+ hat für Juli eine zusätzliche Ausweitung um 411 000 Barrel/Tag in Aussicht gestellt. Kurzfristig dominiert also die Angst vor einer Störung, mittelfristig die Frage, ob die Fässer überhaupt gebraucht werden.
Wie reagieren die Märkte?
Kaum waren die ersten Einschläge in Natanz und Teheran bestätigt, setzten an den Finanzplätzen reflexartig Risk-off-Ströme ein – allerdings in erstaunlich moderater Dosierung:
- US-Dollar: Der US-Dollar legte um knapp ein Prozent zu – ein klassischer, aber gedämpfter Fluchtreflex. Selbst während früherer Golfkrisen verzeichnete der Greenback stärkere Zuwächse.
- Gold: Das Edelmetall zog um gut 1,5% auf rund 3 440 USD/Feinunze an und näherte sich neuen Höchstständen an, ohne einen regelrechten Panikkauf auszulösen.
- Aktien: Der weltweite MSCI-World-Index gab innerhalb des Tages gut ein Prozent nach. Die stärksten Abgaben gab es bei Airlines und zyklischen Konsumwerten; defensive Sektoren wie Energie und Rüstung notierten fester. Wir glauben, dass der anhaltende US-China-Zollstreit für viele Anleger nach wie vor der wichtigere Belastungsfaktor bleibt.
- US-Staatsanleihen: Trotz der Inflationssorgen, die ein Ölpreisschock auslösen könnte, sank die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen kurzzeitig auf 4,33%, bevor sie sich nahe 4,35% einpendelte – ein Zeichen, dass Anleger zwar Sicherheit suchen, aber keine Rezessionspanik einpreisen.
Unterm Strich signalisieren die Märkte Vorsicht, aber keine Panik. Ein heftiger Schlagabtausch wird eingepreist, ein länger eskalierender Krieg dagegen nicht.
Basisszenario – was wir erwarten
- Inwieweit die Eskalation diesmal gehen wird, ist - nicht zuletzt aufgrund der Drohgesten von Trump, nicht einzuschätzen. Zwar dürfte Teheran kurzfristig weitere Drohnen- und Raketenangriffe starten, doch die wirtschaftliche Fragilität (Inflationsraten jenseits 35%, wegbrechende Devisenströme) lässt wenig Spielraum für einen langen intensiven Gegenschlag.
- Für den Ölmarkt heißt das: Die jüngste Brent-Spitze bleibt wahrscheinlich eine Episode, solange die Straße von Hormus offenbleibt.
- Das Risiko bleibt jedoch real: Ein gezielter Schlag Irans gegen saudische Öl-Terminals oder auch nur eine temporäre Blockade von Hormus würde den Ölpreis schlagartig nach oben schnellen lassen, mit unmittelbaren Folgekosten für die globale Konjunktur.
Was folgt daraus für Anleger?
Der geopolitische Donnerschlag ist laut, doch noch trägt er kein systemisches Echo. Wer ein ausgewogenes Portfolio besitzt, sollte daher vor allem eines tun:
- die Nerven behalten. Unsere Grundannahmen – von den Auswirkungen amerikanischer Zollpolitik bis hin zu den Bewertungen an den Aktienmärkten und dem mittelfristigen Dollar-Trend – bleiben intakt;
- das Risiko einer weltweiten Rezession hat sich durch die jüngsten Angriffe nicht verschärft.
- Langfristige Anlagepläne gehören deshalb keinesfalls über Bord geworfen. Die Märkte sind zwar nervös, aber nicht panisch.
Aus unserer Sicht besteht derzeit kein akuter Handlungsbedarf für unsere Strategie – wir verfolgen die Märkte jedoch fortlaufend und würden unser Portfolio bei veränderten Rahmenbedingungen anpassen
Von Harald Besser, Leiter Portfolio Management bei der Kathrein Privatbank
1 Bloomberg, 13. 6. 2025
Disclaimer
Bei dieser Information handelt es sich um eine Marketingmitteilung der Kathrein Privatbank Aktiengesellschaft. Sie beinhaltet keine direkte oder indirekte Empfehlung für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder einer Anlagestrategie. Bei der Anlage in Wertpapiere sind Kursschwankungen aufgrund von Marktveränderungen jederzeit möglich. Darstellung der Wertentwicklung mit Bezug auf die Vergangenheit lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf zukünftige Ergebnisse zu. Für die Richtigkeit der Daten kann trotz sorgfältiger Recherche und Erfassung keine Haftung oder Garantie übernommen werden.