COVID-19: Mehr Lohngefälle – und was Frauen helfen kann

Der Women’s History Month März ist eine gute Gelegenheit, über Fortschritte nachzudenken, die weltweit bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden. Zum ersten Mal sitzt im Vorstand eines jeden S&P-500-Unternehmens mindestens eine Frau. Weibliche CEOs gibt es in den USA in allen Wirtschaftszweigen – in der Automobilbranche, im Gesundheitswesen, in der Informationstechnologie, im Energie- und im Finanzsektor. Und weltweit stellen Länder, in denen die Erwerbsbeteiligung von Frauen mindestens 50 % beträgt, 62 % des Welt-BIPs – was die Möglichkeiten unterstreicht, wie Frauen in der Wirtschaft auch weiterhin einen deutlichen Einfluss ausüben. Goldman Sachs Asset Management | 15.03.2021 16:48 Uhr
James Ashley, Leiter Market Strategy Team, Strategic Advisory Solutions, Goldman Sachs Asset Management / © Goldman Sachs Asset Management
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Von James Ashley, Leiter Market Strategy Team, Strategic Advisory Solutions, Goldman Sachs Asset Management:

Es gibt jedoch noch eine Menge zu tun. Gemäß globaler Maßstäbe der Geschlechtergleichstellung in vier Kategorien – Wirtschaft, Bildung, Politik und Gesundheit – erreichte das Medianland 70 von 100 Zählern auf dem Global Gender Gap Index. Die USA lagen mit 72 Zählern nur zwei Punkte vor dem Medianland. Häufig ist es auch so, dass Frauen mehr Verantwortung für die Kinderbetreuung und den Haushalt übernehmen, dass die Wahrscheinlichkeit bei Frauen geringer ist, eine Führungsposition zu erreichen, und dass Frauen in Dienstleistungsberufen stärker vertreten sind. Gerade während der COVID-19-Pandemie haben sich einige dieser Probleme wie die Beschäftigungslücke und das Lohngefälle noch verschlimmert.

Beschäftigungslücke zwischen den Geschlechtern wächst

Unter Umständen hat COVID-19 die wirtschaftlichen Ungleichheiten in vielerlei Hinsicht verschlimmert. Weltweit beträgt der Anteil von Frauen an der Erwerbsbevölkerung 39 %. Aber: Ihr Anteil an den Stellenverlusten auf dem Höhepunkt der Pandemie lag bei 54 %. Beispiel USA: Frauen verloren im vergangenen Jahr 5,4 Millionen Arbeitsplätze. Diese ungleichen Auswirkungen lassen sich zum Teil dadurch erklären, dass Frauen mehr Berufe in den Dienstleistungsbranchen, die am sensibelsten auf das Virus reagiert haben, ausüben. Dazu zählen Restaurants, die Hotelbranche und Pflegeberufe.

Solange sich die Beschäftigungszahlen noch nicht ganz erholt haben, leiden Frauen auch unter den fehlenden traditionellen Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Tatsächlich mussten zwei Drittel aller berufstätigen Eltern in den USA ihre Kinderbetreuung wegen COVID-19 anders regeln. Die Mehrzahl davon hat bisher noch keine Dauerlösung gefunden. Die bestehenden Kinderbetreuungsstätten kämpfen indes immer noch mit den erdrückenden finanziellen Folgen des Lockdowns, was es ihnen erschwert, den Betrieb unter Einhaltung der Kapazitätsbeschränkungen fortzuführen. Die Kombination aus begrenztem Präsenzunterricht und knappen Betreuungsmöglichkeiten könnte letztendlich bedeuten, dass Mütter dem Arbeitsmarkt länger nicht zur Verfügung stehen.

Wie aus Grafik 1 hervorgeht, verließen Frauen mit Kindern in den USA die Erwerbsbevölkerung von März bis September 2020 schneller (+1,8 Prozentpunkte) als Männer mit Kindern. Das deutet darauf hin, dass Frauen mehr Verantwortung für die Kinderbetreuung übernehmen. (Grafik 1)

Geschlechtergefälle beeinflusst Bezahlung und Altersvorsorge

Einkommensunterschiede sind ein weiteres Hindernis für die Geschlechtergleichstellung. Laut aktueller Einkommenszahlen der US-Statistikbehörde Census Bureau verdienen Frauen in den USA 82 Cent für jeden Dollar, den Männer verdienen. Ein Teil dieser Einkommenslücke lässt sich zwar auf Unterschiede in Branchen, bei Bildungsabschlüssen und Berufsjahren zurückführen. Doch: Für den Rest der Lücke, schätzungsweise 90 % der Gesamtlücke, gibt es keine Erklärung. Vielleicht sind unbewusste Vorurteile, „Unconscious Bias“ genannt, daran schuld, die möglicherweise überwunden werden können.

Über Zeiträume von mehreren Jahren kann durch diese Einkommenslücke ein Ersparnisproblem für Frauen entstehen, gerade weil sie in der Regel länger leben als Männer. Wenn man von 45 Berufsjahren mit stetigem Lohnwachstum und einem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2020 ausgeht, hätte eine Frau bis zu ihrem 70. Lebensjahr potenziell ein Vermögen von 6,3 Millionen USD angespart. Damit wäre ihre Altersvorsorge aber immer noch um 15 % (etwa 1,1 Millionen USD) niedriger als die Ersparnisse, die ihr männlicher Kollege akkumuliert hätte. Um diese Lücke zu schließen, hätte diese Frau acht Jahre länger berufstätig sein müssen.

Lücke schließen: Mögliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Märkte

Ein Fokus auf die Reduzierung der Arbeits- und Lohnungleichstellungen von Frauen könnte das Wachstumspotenzial in den USA beträchtlich steigern, wie aus Grafik 2 hervorgeht. Derzeit besteht in der Erwerbsbevölkerung eine Lücke von 11,3 % im Verhältnis von Frauen zu Männern. Um diese Beschäftigungslücke zu schließen, müsste die Erwerbsbeteiligung von Frauen um 15 Millionen steigen, was wiederum die Arbeitseinkommen um 5,5 % steigern würde. Würde sich auch das bestehende Lohngefälle schließen, könnten die Arbeitseinkommen noch einmal um 6,6 % steigen, sodass die Einkommen sich insgesamt um 12,1 % verbessern würden. Geht man davon aus, dass der Anteil des Faktors Arbeit am BIP bei 60 % bleibt und das Einkommen dem Grenzprodukt aus der Arbeit einer Erwerbsperson entspricht, würde diese Schätzung nahelegen, dass eine Gleichstellung am Arbeitsmarkt das US-BIP pro Jahr um 7,3 % oder 1,5 Billionen USD steigern könnte. (Grafik 2)

Fazit

Unserer Ansicht nach kann es sich schon bezahlt machen, wenn nur ein Teil der Lücke geschlossen wird – was uns im Hinblick auf die Zukunft weiterhin optimistisch stimmt. Wenn die Erwerbsbeteiligung, Lohnunterschiede und Diversität weiter im Fokus stehen, kann das zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen für alle führen. Wir sind überzeugt, dass jede Maßnahme zählt, denn – wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte – es ist nicht nur richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll, Frauen zu fördern.

James Ashley, Leiter Market Strategy Team, Strategic Advisory Solutions, Goldman Sachs Asset Management

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