Jasper Sagoo: Wir haben zwei interessante Beobachtungen gemacht: Erstens war der Drawdown bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern 2020 mehr als 25 % geringer als bei Staatsanleihen und auch die Volatilität war deutlich niedriger. Zweitens lag die Ausfallquote der Emittenten von Hochzinsunternehmensanleihen aus Schwellenländern, die etwa 40 % des Anlageuniversums der Schwellenländerunternehmensanleihen ausmachen, bei 3,5 % – ein starker Gegensatz zu der Ausfallquote von 7 % bei US-Hochzinsanleihen.[1]
In der ersten Hälfte von 2021 setzten Schwellenländerunternehmensanleihen ihre stabilere Wertentwicklung fort, besonders während der durch die US-Zinsen verursachten Marktvolatilität im ersten Quartal, und die Tatsache, dass die Duration mehr als drei Jahre kürzer als bei Staatsanleihen war, kam den Gesamtrenditen zugute.[2]
Jasper Sagoo: Nach den schlimmsten Phasen des COVID-Schocks war die Verschlechterung der Fundamentaldaten gemessen an der Nettoverschuldung, einer Kennzahl der Verschuldung eines Unternehmens, geringer als während der Ölkrise 2015, was zum Teil guter Unternehmensführung zu verdanken war. Die Nettoverschuldung wird sich im Verlauf von 2021 voraussichtlich verbessern, wenn die Unternehmensgewinne sich erholen.
Aus Sicht der Bewertungen sind Schwellenländerunternehmensanleihen auf Relative-Value-Basis attraktiv gegenüber vergleichbaren Anleihealternativen. Die Spreads von Schwellenländerunternehmensanleihen hinken nämlich der deutlichen Spread-Erholung in Industrieländern bisher hinterher, besonders verglichen mit US- und europäischen Hochzins- und Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Mit Schwellenländerunternehmensanleihen können Anleger mehr als den doppelten Risikoaufschlag pro Turn of Leverage (Nettoverschuldung/EBITDA) verdienen, den US-Hochzinsanleihen bieten. Staatsanleihen aus Schwellenländern sehen gemessen an ihrer historischen Handelsspanne zwar billiger aus, doch der Ausblick für die Fundamentaldaten von Schwellenländerunternehmen erscheint stabiler und weniger unsicher verglichen mit den Staatsanleihen vieler Länder rund um den Globus. Die Anlageklasse der Schwellenländerunternehmensanleihen bietet in der letztendlich immer noch herrschenden Niedrigrenditewelt weiter eine Rendite- und Ertragsquelle, und verglichen mit Anlagechancen bei Anleihen aus Industrieländern erscheinen die Spread-Bewertungen zudem attraktiv.
Wir rechnen mit einem mäßigen Emissionsvolumen, denn Unternehmen sind konservativ und begrenzen angesichts besserer Cashflows aktionärsfreundliche Maßnahmen wie Investitionsausgaben, Fusionen und Übernahmen oder hohe Dividendenzahlungen, die in der Regel durch Anleihen finanziert werden.
Auf Unternehmensebene haben nichtzyklische Unternehmen wie Abfüllfirmen, Telekommunikationsunternehmen und Funkmastenbetreiber den COVID-Schock gut überstanden, weil sie Kosteneinsparungen umgesetzt haben und von robusten Produkten profitieren konnten. Zyklische Sektoren wie Glücksspiel und Immobilien sowie der Transportsektor wurden mehr beeinträchtigt, haben sich jedoch proaktiv um Liquidität und Refinanzierungen gekümmert und tun dies immer noch, während sie auf eine Normalisierung des Tourismus und des Konsumverhaltens warten.
Jasper Sagoo: Die Attraktivität der Anlageklasse hat Aufmerksamkeit erregt und wir konnten einen stetigen Investmenttrend und Interesse bei verschiedensten Anlegern beobachten, wie beispielsweise:
- Anlegern, die eine Beimischung für auf Anleihen aus Industrieländern spezialisierte Portfolios suchen, auch Crossover-Anleger genannt,
- Anlegern in Schwellenländerstaatsanleihen, die Diversifikation, hohe Bonität und mehr Alphapotenzial wünschen,
- Versicherungsanlegern, die ihre Kapitalrendite optimieren möchten.
Vor einem Hintergrund, wenn der Nettofinanzierungsbedarf gerade außerhalb Asiens voraussichtlich relativ niedrig sein wird, deutet die zunehmende strategische Nachfrage nach der Anlageklasse unserer Meinung nach auf günstige technische Voraussetzungen hin.
Trotz allem, was für Schwellenländerunternehmen spricht, sind sie jedoch nach wie vor externen Risiken ausgesetzt, die beispielsweise von einer Herabstufung von Staatsanleihen (siehe Kolumbien oder Indien), politischer Unsicherheit (Peru, Türkei) oder geopolitischer Unsicherheit (Russland, Ukraine) sowie den breiteren makroökonomischen Bedingungen, wie der Risikostimmung, den Finanzierungsbedingungen und den Rohstoffpreisen, ausgehen. Anleger müssen diese Faktoren während des Researchprozesses genau abwägen, um attraktiv bewertete Unternehmen mit Merkmalen zu entdecken, die diese Faktoren abmildern und ein hohes Maß an Widerstandskraft bieten.
Jasper Sagoo: Wir sind der Meinung, dass man nur mit gründlichem, strukturiertem Anleihenresearch Ineffizienzen und Fehlbewertungen erkennen und das Renditepotenzial der Anlageklasse erschließen kann. Deshalb bauen wir unsere Portfolios Unternehmen für Unternehmen auf. Diversifikation ist in den Schwellenländern von maßgeblicher Bedeutung, um Anleger vor dem Unerwarteten zu schützen. Ein Teil der Risikoprämien, die Anleger in der Anlageklasse verdienen, kommt von der höheren Wahrscheinlichkeit, dass bei den 800 Unternehmen des Anlageuniversums etwas Unerwartetes eintritt.
Wir möchten jedes Unternehmen, das wir für eine Anlage in Erwägung ziehen, wirklich gut kennen: seine Angebote, seine Wettbewerbsposition, die Branchendynamik, seinen Ausblick und die Qualität der Unternehmensleitung. Deshalb besuchen wir auch alle Unternehmen, in die wir investieren.
Um uns einen ganzheitlichen Eindruck zu verschaffen, arbeiten wir auch mit unseren Ökonomen zusammen, die auf Schwellenländerstaatsanleihen spezialisiert sind, um das makroökonomische Umfeld zu verstehen, in dem ein Unternehmen tätig ist. Wir möchten wissen, ob Unternehmen zu der breiteren Strategie für Staatsanleihen und den Anlagezielen für jedes Land passen, wie etwa Entkarbonisierung, Energiesicherheit oder soziale Ziele.
Die ESG-Analyse ist tief in unserer Investmentkultur verwurzelt und unsere Analysten bestimmen die internen ESG-Scores der Emittenten, die sie analysieren, nach einem gründlichen Ansatz, der auf Wesentlichkeit basiert und auf die wichtigsten Faktoren in jeder Branche ausgerichtet ist. Bei der ESG-Bewertung von Emittenten führen unsere Analysten eine zukunftsorientierte Momentumeinschätzung durch, in die unser Dialog mit Unternehmen einfließt.
Jasper Sagoo: Ja, zurzeit befindet sich der Sweetspot unserer Ansicht nach bei ausgewählten Emittenten mit BB-Rating, bei denen Anleger gesunde Renditen erzielen können, ohne dass das Portfolio übermäßig anfällig für die Risiken niedriger eingestufter Anleihen ist. Das entspricht unserer Strategie, widerstandsfähige Erträge anzustreben. Strukturell bevorzugen wir auf lange Sicht nichtzyklische Emittenten und unser Hauptaugenmerk gilt Emittenten, die unserer Einschätzung nach widerstandsfähige Merkmale aufweisen.
[1] JP Morgan; Stand: 31. März 2021.
[2] Goldman Sachs Asset Management; Stand: 31. Mai 2021.