Angesichts anhaltender makroökonomischer Bedenken nutzen die globalen Versicherer das Umfeld langfristig höherer Zinsen, um ihre Vermögensallokation in hochwertige Anleihen und Private Credit zu beschleunigen. Gleichzeitig erhöhen sie das Durations- und das allgemeine Anlagerisiko. Dies geht aus Risk & Resilience: The 13th Annual Global Insurance Survey von Goldman Sachs Asset Management hervor.
Die diesjährige Umfrage wurde im Januar und Februar 2024 durchgeführt. Sie beruht auf den Antworten von 359 CIOs und CFOs von Versicherungsunternehmen, die zusammen mehr als 13 Billionen US-Dollar an Bilanzvermögen repräsentieren. Das Ziel der Studie ist es, Trends in der globalen Versicherungsbranche zu identifizieren und herauszuarbeiten, was Anlagespezialisten im Versicherungsbereich am meisten bewegt. Zentrale Themen umfassen die Bedenken hinsichtlich der Kreditqualität, die Nachfrage nach hochwertigen, renditestarken Anlagen und Investment-Grade-Anlagen in Privatmärkten sowie Interesse an wirkungsorientierten Anlagemöglichkeiten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG).
„Nachdem die wirtschaftlichen Erträge im vergangenen Jahr besser als erwartet ausgefallen waren, sind die Versicherer für die Märkte und die Weltwirtschaft im Jahr 2024 verhalten optimistisch“, erklärt Michael Siegel, globaler Leiter Insurance Asset Management und Liquidity Solutions bei Goldman Sachs Asset Management. „Die schwachen Renditen aus 2022 sind noch nicht vergessen und die Inflation bleibt weltweit auf erhöhtem Niveau.“
Makroökonomische Sorgen – trotz Verbesserungen fehlt es noch an Zuversicht
Laut der Umfrage sind die fünf größten makroökonomischen Risiken für die Anlageportfolios von Versicherern:
- Wirtschaftsabschwung/Rezession in den USA (52 Prozent)
- Volatilität des Anleihen- und Aktienmarktes (48 Prozent)
- Geopolitische Spannungen (46 Prozent)
- Inflation (42 Prozent)
- Geldpolitische Straffung (27 Prozent)
Nur sieben Prozent der befragten Versicherer nennen einen Wirtschaftsabschwung beziehungsweise eine Rezession in China als wesentliches Risiko. Für sechs Prozent stellt eine Deflation oder ein groß angelegter Cyberangriff ein zentrales Risiko dar.
Inflationsängste bestehen aktuell noch bei 42 Prozent der Befragten, im Vorjahr waren es noch 55 Prozent. Der Anteil der Versicherer, die im laufenden Jahr mit einer US-Rezession rechnen, sank von 44 Prozent im Jahr 2023 auf 16 Prozent. Dennoch besteht weiterhin die Sorge vor einer längerfristigen Rezession. So erwarten 50 Prozent der Befragten in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Rezession in den USA. Im Vorjahr waren es 38 Prozent.
„Wir gehen davon aus, dass die Zentralbanken im weiteren Verlauf des Jahres allmählich Lockerungen vornehmen werden. Dies dürfte risikobehafteten Anlagen sowohl im Anleihe- als auch im Aktienbereich zugutekommen. Angesichts steigender Makrorisiken und der anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA ist es jedoch möglich, dass die Volatilität zunimmt und die Renditeszenarien zum Jahresende sind sehr heterogen“, kommentiert Alexandra Wilson-Elizondo, Co-CIO Multi-Asset Solutions bei Goldman Sachs Asset Management.
„Vor diesem Hintergrund und angesichts des gegenwärtigen Renditeniveaus müssen Versicherungsunternehmen das Risikospektrum nicht ausweiten, um gute risikobereinigte Renditen zu erzielen. Wir können von den aktuell höheren Zinsen über verschiedene Laufzeiten profitieren und schätzen zudem die Möglichkeit, über liquide Spread-Produkte sowie manche Verbriefungsinstrumente hinweg zu diversifizieren, um insgesamt breiter über Sektoren zu streuen. Zudem kann durch Investitionen in private Märkte an aufkommenden makroökonomischen Trends partizipiert werden“, ergänzt Alexandra Wilson-Elizondo.
Ergebnisse sprechen für Private Credit, hochwertige Anleihen und Risikobereitschaft
83 Prozent der Befragten erwarten, dass die Renditen auf zehnjährige US-Treasuries bis Ende 2024 auf dem gleichen oder unter dem Niveau liegen werden, auf dem sie sich zum Zeitpunkt der Umfrage befanden. Dagegen gehen 17 Prozent davon aus, dass die Renditen 4,25 Prozent übersteigen werden.
Die Versicherer wählten fünf Anlageklassen aus, die ihren Erwartungen nach über die nächsten zwölf Monate die höchste Gesamtrendite liefern werden. Vier der fünf Kategorien stehen im Zusammenhang mit Private Credit und hochwertigen Anleihen:
- Private Credit (53 Prozent)
- US-Aktien (46 Prozent)
- Staatsanleihen (34 Prozent)
- Private Credit mit Investment-Grade-Rating (33 Prozent)
- IG-Unternehmensanleihen und Private Credit aus Industrieländern (jeweils 31 Prozent)
Nur 5 Prozent der Versicherer glauben, dass gewerbliche hypothekenbesicherte Wertpapiere (Commercial Mortgage-Backed Securities) die höchsten Renditen aufweisen werden; bei gewerblichen Hypotheken sind es sechs Prozent.
Trotz der herrschenden ökonomischen Unsicherheiten planen 27 Prozent der befragten Unternehmen, die Risikopositionen in ihren Gesamtportfolios auszubauen.
„Im vergangenen Jahr erlebte Fixed Income ein starkes Comeback und Versicherungsunternehmen zeigten wieder deutlich mehr Interesse an der Anlageklasse“, sagt Volker Anger, Leiter Insurance Asset Management für Kontinentaleuropa bei Goldman Sachs Asset Management. „In diesem Jahr sind sie risikofreudiger und bevorzugen neben hochwertigen Fixed-Income-Anlagen auch Private Credit, das zu einer schrittweisen Ertragssteigerung, besserer Diversifikation, Schutz vor Verlustrisiken und stabilen Renditen beitragen kann. Versicherungsunternehmen bieten sich damit aktuell optimale Voraussetzungen für die Vermögensallokation. Dennoch ist ihnen bewusst, dass sie sich an diesem Punkt nicht zurücklehnen dürfen.“ Um sich höhere Renditen zu sichern, wollen 42 Prozent der Befragten 2024 das Durationsrisiko erhöhen. Damit ist der Anteil so hoch wie noch nie in der Geschichte der Umfrage. 2023 waren es noch 38 Prozent. Nur fünf Prozent planen, die Duration zu senken.
35 Prozent der Versicherer gehen davon aus, das Kreditrisiko in ihren Portfolios im Laufe des Jahres zu erhöhen, obwohl 59 Prozent Bedenken äußern, dass der Kreditzyklus in seine letzte Phase eintritt.
„Da sich das Zinsumfeld bald ändern dürfte, gehen wir davon aus, dass die Fundamentaldaten von Investment-Grade-Unternehmensanleihen für Versicherer, die höhere Renditen erzielen wollen, weiterhin attraktiv bleiben werden“, so Neil Moge, globaler Co-Leiter Insurance Portfolio Management bei Goldman Sachs Asset Management. „Die verengten Spreads lassen jedoch nur wenig Spielraum für Fehler. Um Relative-Value-Potenzial für Portfolios zu identifizieren und gleichzeitig Tail-Risiken adäquat zu managen, ist daher eine hochwertige, aktive Auswahl von Wertpapieren unerlässlich.“
Erstmals bessere Performance von Private Credit gegenüber Private Equity erwartet
Versicherungsunternehmen gehen davon aus, dass US-Aktien und Private Credit im Jahr 2024 die höchsten Gesamtrenditen liefern werden. Beide Kategorien sind für jeweils 15 Prozent der Befragten die erste Wahl. Private Equity und Staatsanleihen folgen mit jeweils zehn Prozent an dritter Stelle. Somit führt die Anlageklasse Private Equity erstmals nicht die Liste an.
„Private Credit wird für Versicherer auch nach den ersten Zinssenkungen attraktiv bleiben. CIOs von Versicherungsgesellschaften schätzen das günstige Risiko-Rendite-Profil der Anlageklasse und die Fähigkeit führender Manager, differenzierte Chancen bei geringerem Risiko auszumachen, die ihr Engagement in börsengehandelten Zinspapieren ergänzen“, erläutert Stephanie Rader, Co-Head of Alternatives Capital Formation, Goldman Sachs Asset Management. „Wir gehen davon aus, dass die Allokationen der Versicherer in Private Credit weltweit weiter steigen werden.“
Die niedrigsten Renditen erwarten die Befragten im Jahr 2024 bei Kryptowährungen, Immobilienbeteiligungen und gewerblichen Hypotheken.
Im Hinblick auf die Gesamtrendite im S&P 500 zum Jahresende erwarten zehn Prozent einen Anstieg um zehn bis 20 Prozent, 52 Prozent rechnen mit einem Plus von fünf bis zehn Prozent (gegenüber 38 Prozent im Jahr 2023), 22 Prozent erwarten leicht positive Renditen von 0 bis fünf Prozent, und nur 16 Prozent gehen davon aus, dass der S&P 500 in diesem Jahr unverändert bleibt oder nachgibt (gegenüber 25 Prozent im Jahr 2023).
Weitere wichtige Erkenntnisse: Künstliche Intelligenz, Konsolidierung, ESG
Künstliche Intelligenz (KI): 29 Prozent der Versicherer gaben an, derzeit KI zu nutzen. 51 Prozent erwägen den Einsatz, während 20 Prozent derzeit keinen Einsatz von KI in Betracht ziehen. Den Antworten zufolge findet KI Anwendung bei der Senkung der Betriebskosten (73 Prozent), beim Underwriting von Versicherungsrisiken (39 Prozent) sowie bei der Anlagebeurteilung (20 Prozent). Zu weiteren potenziellen Einsatzgebieten gehören das Forderungsmanagement und ein effizienterer Kundenservice.
Branchenkonsolidierung: 45 Prozent der globalen Versicherer rechnen in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Transaktionsvolumen innerhalb der Versicherungsbranche. In der letztjährigen Umfrage waren es noch 37 Prozent der Befragten.
ESG und Impact Investing: 86 Prozent der Befragten, die ESG und/oder Impact Investing in Betracht ziehen, priorisieren ökologische Faktoren, während 35 Prozent den Schwerpunkt auf gesellschaftliche Aspekte legen und 33 Prozent ihren Fokus auf die Governance richten.
Durchführung der Umfrage
Im Rahmen der 13. jährlichen globalen Umfrage von Goldman Sachs Asset Management unter Versicherern wurden Chief Investment Officers (CIOs) und Chief Financial Officers (CFOs) zur Wirtschaftslage, zu Asset-Allocation-Entscheidungen, Renditeerwartungen, der Portfoliokonstruktion und Kapitalisierung in der Branche befragt. Wir haben Antworten von 296 CIOs und leitenden Anlagefachkräften, 42 CFOs und leitenden Finanzverwaltern sowie 21 weiteren Personen erhalten, die sowohl als CIO als auch als CFO fungieren. Die befragten Versicherungsunternehmen repräsentieren zusammen mehr als 13 Billionen US-Dollar an Bilanzvermögen, was in etwa der Hälfte des weltweiten Branchenvermögens entspricht. Die beteiligten Unternehmen stellen einen breiten Branchenquerschnitt im Hinblick auf Größe, Sparten und regionale Präsenz dar. Die Antworten wurden im Zeitraum vom 17. Januar bis 9. Februar 2024 eingeholt.
Die vollständige Studie finden Sie hier.