„Die Erholung nach der Covid-Krise hat dazu geführt, dass einige wichtige Stellenmärkte, die bereits eng waren, an ihre Grenzen stoßen. Es ist zwar noch zu früh, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen, aber wir sind der Meinung, dass es für die Zentralbanken schwierig sein wird, die Inflation von den derzeitigen Niveaus aus einzudämmen, auch wenn sie sich nach Kräften bemühen, die Erwartungen zu stabilisieren. Die angespannte Suche nach Fachkräften in Verbindung mit den soliden Bilanzen der privaten Haushalte und Unternehmen lassen uns davon ausgehen, dass die Fed der Inflationsbekämpfung Vorrang vor der Verteidigung der Finanzmärkte einräumen wird.
In der Eurozone sind die Inflationssorgen hauptsächlich auf die steigenden Energiepreisezurückzuführen, weshalb wir davon ausgehen, dass festverzinsliche Wertpapiere weiterhin unter Druck stehen werden. All diese Faktoren könnten die europäischen Aktienmärkte weiter belasten. Eine globale Konjunkturabschwächung bei starkem Dollar trägt nicht dazu bei, die Währungen der Schwellenländer zu stützen, die im bisherigen Monatsverlauf bereits deutlich unterdurchschnittlich abgeschnitten haben und weiterhin unter Druck stehen werden. Wir halten eine Allokation in Lokalwährungsanleihen noch für verfrüht.
Im Hinblick auf Aktien sollten wir bedenken, dass die Verbraucherausgaben und die Produktion im verarbeitenden Gewerbe im Laufe des Jahres 2022 zurückgegangen sind, während die Beschäftigungszahlen robust bleiben und die Bilanzen des Privatsektors sowohl in den USA als auch in Europa in guter Verfassung sind. Der kräftige Aufschwung nach der Covid-Krise, der im ersten Quartal des Jahres einsetzte, bescherte vielen Unternehmen solide Gewinne und günstige Refinanzierungsprofile nach zwei Jahren mit billiger Liquidität. Im bisherigen Jahresverlauf hat die Korrektur an den Aktienmärkten zu einer Anpassung der Bewertungen geführt, und obwohl die Märkte immer noch etwas übermütig sind, nähern wir uns rasch den langfristigen Durchschnittswerten an. Wir sind der Ansicht, dass die aktuelle Berichtssaison entscheidend sein wird, um das volle Ausmaß des Schadens bei den Unternehmensgewinnen zu erkennen, der durch steigende Kosten entstanden ist. Und um festzustellen, ob sie in der Lage sind, die gestiegenen Produktionskosten an ihre Kunden weiterzugeben. Sollte dies der Fall sein, wird sich die Inflation als noch hartnäckiger erweisen als von uns prognostiziert.
Wir gehen davon aus, dass die Rohstoffpreise mittel- bis langfristig weiterhin Unterstützung finden werden, da die Produktionskapazitäten aufgrund jahrelanger Unterinvestition reduziert wurden und gleichzeitig die Nachfrage nach Industriemetallen, die im Rahmen der grünen Transformation eingesetzt werden, steigt. Die Notwendigkeit, neue Energiequellen zu erschließen, um das russische Angebot zu decken, wird die Produktion mittelfristig ebenfalls stützen, obwohl eine mögliche Beilegung des Krieges die Nachfrage kurzfristig beeinflussen könnte.
Unserer Ansicht nach werden die Hauptrisiken in der zweiten Jahreshälfte neben der Inflation die geopolitische Unsicherheit und die Energieunsicherheit sein. Einerseits könnten die Auswirkungen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine den Welthandel und das Wirtschaftswachstum weiter beeinträchtigen. Andererseits haben die Finanzmärkte bereits erhebliche Korrekturen erfahren, so dass sich in den kommenden Monaten einige Bewertungsgelegenheiten ergeben könnten, die es zu nutzen gilt.“
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