Die Schnellschätzung der Gesamtinflation im Euroraum für Januar ging auf 8,5% im Jahresvergleich zurück. Ungeachtet einer wahrscheinlichen Aufwärtskorrektur aufgrund der späten Lieferung der deutschen Daten (~0,2 Prozentpunkte) ist die Gesamtinflation gegenüber ihrem Höchststand von 10,6% im Oktober weiter gefallen. Die Tendenz wird wird in den kommenden Monaten rückläufig sein. Dank des Endes der akuten Gasversorgungsengpässe sind die Energiepreise stark gesunken. Der Energiepreisindex wird deutlich zurückgehen und ab Mitte 2023 einen negativen Beitrag zur Gesamtinflation leisten.
Dennoch ist die zugrunde liegende Inflation weiter angestiegen. Die von der EZB gemessene Kerninflation wird in den kommenden sechs Monaten deutlich über der 2 %-Schwelle bleiben und könnte sogar noch weiter ansteigen. Grundsätzlich werden steigende Lohnzuwächse vor dem Hintergrund eines starken Arbeitsmarktes und eines nach wie vor hohen Inflationsdrucks verhindern, dass die zugrunde liegende Inflation im Jahr 2023 einen Abwärtstrend einschlägt.
Diese Inflationsaussichten werden die EZB auf Trab halten und stehen auch hinter der Aussage der letzten Sitzung, dass die Leitzinsen auf einem ausreichend restriktiven Niveau gehalten werden sollen. Die restriktiven Äusserungen der EZB-Ratsmitglieder in der vergangenen Woche unterstrichen diese Botschaft. Auch die Märkte haben diese Botschaft verstanden und sich unserer Ansicht angeschlossen, dass eine Leitzinssenkung im Jahr 2023 unwahrscheinlich ist. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Spitzen-(Einlagen-)zins bei 3,5 % liegt und bis weit in das Jahr 2024 hinein auf diesem Niveau bleiben wird.
Von Martin Wolburg, Senior Economist, Generali Investments
Biografie: Martin Wolburg, Senior Economist, Generali Investments
Martin Wolburg arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Senior Economist bei Generali Investments. Er ist spezialisiert auf die Eurozone. Er hat einen Abschluss in Volkswirtschaftslehre von der TU Berlin und einen Doktortitel von der Universität Hamburg.