„Technisch gesehen befindet sich der Euroraum in einer Rezession, da die Produktion in den letzten beiden Quartalen geschrumpft ist. Dennoch ist es auffällig, dass die Peripherie des Euroraums - mit Ausnahme Griechenlands - weit überdurchschnittliche Wachstumsraten verzeichnet. Ein wichtiger Grund dafür ist die geringe Abhängigkeit von der weltweiten Schwäche des verarbeitenden Gewerbes. Die Peripherie ist weniger exportorientiert als beispielsweise Deutschland oder die Niederlande und weist nur einen relativ geringen Anteil an Warenausfuhren auf. Während die vom Warenexport abhängigen Volkswirtschaften weiterhin mit starkem Gegenwind konfrontiert sein werden, wird die Peripherie von der Tourismussaison profitieren. Außerdem wird die Auszahlung des Konjunkturprogramms die Nachfrage stimulieren. Und die Inflation liegt - mit Ausnahme Italiens - derzeit unter dem Durchschnitt des Eurogebiets.
Die Stärke der Peripherie ist eindeutig ein stabilisierender Faktor. Da aber der Flash Composite PMI vom Juni mit 50,3 auf eine schrumpfende Wirtschaftstätigkeit hinweist, stellt sich die Frage, ob die Peripherie die Eurozone vor einer drohenden Rezession bewahren könnte? Wir bezweifeln dies, da idiosynkratische Faktoren wahrscheinlich zu einer Abschwächung des Wachstums führen werden.
Zusammen mit der weiter zurückgehenden Gesamtinflation und dem steigenden Verbrauchervertrauen - das im Juni auf höchsten Stand seit dem 22. Februar war - sehen wir immer noch eine Chance, dass die Produktion im weiteren Verlauf des Jahres 2023 nicht zurückgeht. Diese vorsichtig optimistische Sichtweise gilt jedoch nur, wenn der weltwirtschaftliche Rückenwind bestehen bleibt, während wir jedoch auch einräumen, dass das Risiko einer Rezession im zweiten Halbjahr zugenommen hat.“
Von Martin Wolburg, Senior Economist bei Generali Investments