„In den USA erwies sich die Binnennachfrage als deutlich widerstandsfähiger gegen Inflation und höhere Zinsen als erwartet, und das BIP ist im dritten Quartal um mehr als 2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Der Abbau der hohen Ersparnisse und die Verlagerung hin zu Dienstleistungen ließen den Konsum weiter kräftig wachsen. Die starke Inanspruchnahme von Krediten trotz historisch hoher Zinsen und die Zunahme der Zahlungsausfälle zeigen jedoch, dass die Bilanzen der privaten Haushalte Risse aufweisen. Die Investitionen außerhalb des Wohnungsbaus wurden durch Ausgaben für immaterielle Güter (die weniger zinssensitiv sind) und steuerliche Anreize für den Bau von Produktionsanlagen (z. B. Chipfabriken) aufrechterhalten, aber der Impuls wird nicht strukturell sein. Das Ende der tilgungsfreien Zeit für Studiendarlehen und der Pandemiefonds für die Kinderbetreuung werden das verfügbare Einkommen weiter belasten. Wir gehen davon aus, dass sich das Wachstum der Nulllinie nähert und im ersten Quartal 2024 leicht negativ ausfallen wird. Danach werden die nach wie vor angespannten finanziellen Rahmenbedingungen die Erholung verlangsamen, so dass erst Ende nächsten Jahres wieder ein Wachstum einsetzt. Ein langsamerer Nachfragerückgang wird dazu beitragen, die Inflation zu senken, aber wir erwarten einen sehr langsamen Übergang, so dass die Kernrate des Verbraucherpreisindex Ende 2024 immer noch bei 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr liegen wird. Die Aufwärtsrisiken sind nach wie vor gering: Eine längere Phase sehr hoher Ölpreise dürfte sich auf die Kerninflation auswirken, und der jüngste Anstieg der Hauspreise und Mieten wird einen raschen Inflationsrückgang behindern.
Eurozone durchläuft Schwächephase
Der Einkaufsmanagerindex fiel im dritten Quartal unter die kritische Marke von 50 (Durchschnitt 47,7), was auf eine verringerte Wirtschaftstätigkeit hindeutet, dies wird durch harte Daten wie Einzelhandelsumsätze und Industrieproduktion bestätigt. Dennoch haben sich die jüngsten Stimmungsdaten von einem niedrigen Niveau aus verbessert. Langfristig sehen wir weiterhin Spielraum für Verbesserungen, da die Immobilienmärkte fest bleiben und die rückläufige Inflation das Wachstum der Realeinkommen und des Konsums begünstigen wird. Allerdings zögern die Verbraucher bislang, ihre Ersparnisse in größerem Umfang einzusetzen, und die angespannten Finanzierungsbedingungen wirken sich negativ aus. Alles in allem erwarten wir für den Euroraum 2023/24 ein Wachstum von 0,4 Prozent/0,5 Prozent, während der Konsens bei 0,6 Prozent/0,8 Prozent liegt.
China: Erste grüne Triebe?
China hatte einen sehr schwachen Start ins dritte Quartal, aber im August stabilisierten sich die Daten etwas. Die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe lagen im Durchschnitt im leicht expansiven Bereich. Dennoch ist China weiterhin mit starkem Gegenwind konfrontiert: Die Exporte sind weiter rückläufig und die globalen Einkaufsmanagerindizes deuten auf eine weitere Schwäche hin (obwohl sich der globale Lagerzyklus stabilisiert hat). Im Inland haben sich die Anlageinvestitionen im bisherigen Jahresverlauf weiter verlangsamt, wobei die Immobilieninvestitionen die größte Belastung darstellen. Die Neubautätigkeit schwächelt und beeinträchtigt die Eigenfinanzierung der Entwickler. Wir rechnen daher mit weiteren schlechten Nachrichten. Die Politik hat in letzter Zeit deutlich versucht, die Nachfrage nach Immobilien anzukurbeln. Insgesamt hat die Fiskalpolitik zu einer Reihe gradueller Maßnahmen gegriffen. Die Einzelhandelsumsätze haben auf die jüngste Unterstützung für Autokäufe reagiert, aber der Caixin Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor hat sich erneut abgeschwächt. Außerdem haben die chinesischen Haushalte noch nicht damit begonnen, ihre überschüssigen Ersparnisse aus der Covid-Zeit abzubauen. Alles in allem erwarten wir eine eher L-förmige Wachstumserholung (4,8 Prozent im Jahr 2023 und 3,8 Prozent im Jahr 2024)."
Von Thomas Hempell, Head of Macro & Market Research bei Generali Investments