In weniger als einem Monat haben die deutschen Konservativen nicht nur ihren sparsamen finanzpolitischen Kurs aufgegeben, sondern sich auch mit den Mitte-Links-Parteien auf eine Reform der nationalen Schuldenbremse geeinigt, die letzte Woche von beiden Kammern verabschiedet wurde. Kernelemente sind ein 500-Milliarden-Euro-Fonds für zusätzliche Infrastrukturausgaben und die Befreiung der Verteidigungsausgaben, die über 1% des BIP liegen, von der Schuldenbremse.
Dieser überraschende und mutige finanzpolitische Schritt ermöglicht es Deutschland, seine Infrastrukturlücke, die Schätzungen zufolge bei bis zu 600 Mrd. EUR liegt, nahezu zu schließen. Eine unzureichende Infrastruktur ist ein Wachstumshemmnis und der bevorstehende Ausgabenschub ermutigt die Unternehmen, ihre Kapazitäten auszubauen. Unsere Simulationen zeigen, dass das deutsche Wachstum in den nächsten fünf Jahren um kumulativ 1,5 Prozentpunkte steigen wird und die seit 2019 andauernde Stagnation der Produktion beendet wird.
Diese konstruktive Sichtweise ist jedoch nicht selbstverständlich. Sie setzt voraus, dass die Entlastung des Jahreshaushalts auch für Investitionen ausgegeben wird, dass auch andere Investitionshemmnisse, wie z.B. Bürokratie und Regulierung, angegangen werden und dass die nächste Bundesregierung sich mit der Einführung neuer Investitionshemmnisse wie z.B. einer Vermögenssteuer zurückhält. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen wird wichtige Hinweise darauf geben, ob angebotsseitige Reformen dazu beitragen werden, das Potenzial der „fiskalischen Bazooka“ auszuschöpfen, oder ob es sich nur um ein Strohfeuer handeln wird.
CHARTS DER WOCHE
EMU: Economic and Monetary Union (Wirtschafts- und Währungsunion)
Von Dr. Martin Wolburg, Senior Economist bei Generali Investments