Inflation: Quo vadis?
Die wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Monate sind geprägt vom Thema Inflation. Wenngleich das von den Zentralbanken propagierte Narrativ am Markt ist, dass diese Entwicklungen nicht nachhaltiger Natur sind, erscheint eine gewisse Dynamik auf der Zinsseite als wahrscheinlich.
Abbildung 1 veranschaulicht eine Reihe ausgewählter Indikatoren, welche den gegenwärtigen Inflationsdruck verdeutlichen. Neben eingepreisten Inflationserwartungen von 10-jährigen Staatsanleihen spiegelt ebenfalls der breit diversifizierte Rohstoff-Index das geschilderte Szenario wider.
Zugegebenermaßen lassen sich teilweise steigende Inflationszahlen und Erwartungen unweigerlich auf Engpässe in Lieferketten zurückführen, welche mittelfristig gelöst werden dürften. Nichtsdestotrotz birgt das gegenwärtige Szenario die Gefahr einer einhergehenden Zinsentwicklung, insbesondere in den USA, wo es nur noch eine Frage des Zeitpunktes scheint, bevor die Zentralbank mit dem Tapering beginnt. Andere Zentralbanken sind hier bereits vorangeschritten und haben erste Anhebungen des Leitzinses vorgenommen. Zu nennen seien hier beispielsweise Norwegen, Neuseeland oder Südkorea.
Auch an den amerikanischen und europäischen Anleihemärkten lassen sich steigende Renditen auf Seite der Staatsanleihen beobachten. So nähert sich auch eine 10-jährige Bundesanleihe wieder der Nulllinie.
Zinssensitivität von Investmentstilen
Im Szenario steigender Zinsen rückt die Aktien-Duration als Maß der Zinssensitivität in den Mittelpunkt. In Abbildung 2 werden eine Reihe ausgewählter Investmentstile hinsichtlich Ihrer Aktien-Duration im Vergleich zum globalen Aktienmarkt abgebildet. Hierbei werden globale Indizes verwendet, welche die Grundlage für milliardenschwere Faktor-ETFs darstellen.
Erwartungsgemäß zeichnet sich Value durch eine deutlich kürzere Duration im Vergleich zum globalen Aktienmarkt aus, wodurch sich ein Teil der Underperformance der vergangenen Dekade auf die kontinuierlich sinkenden Zinsen zurückführen lässt. Die kurze Duration erklärt sich dadurch, dass ein Großteil der Cashflows von Value-Unternehmen in naher Zukunft anfallen, weshalb der Marktwert weniger sensitiv auf einen möglichen Zinsanstieg reagiert als es beispielsweise bei Growth-Unternehmen der Fall wäre. Für diese werden nämlich signifikante Cashflows oftmals erst in ferner Zukunft erwirtschaftet, wodurch sich die hohe Zinssensitivität des Marktwertes erklärt.
Im ersten Moment mag die kurze Duration des Momentum-Index verwundern. Denn in den vergangenen Jahren war dieser Investmentstil stark geprägt von Unternehmen aus dem Technologiesektor. Allerdings erlebt Value als Investmentstil eine gewisse Renaissance im Zuge der konjunkturellen Erholung, weshalb der Momentum-Index aktuell teils durch Value-Titel geprägt ist.
Quality als Lösung für steigende Inflation?
Als mögliche Positionierung gegenüber steigenden Inflationserwartungen und einem möglichen Zinsanstieg werden oftmals Qualitätstitel in Betracht gezogen. Zum einen zeichnen sich Qualitätsaktien durch absolut hohe Cashflows aus, zum anderen können entsprechende Unternehmen aufgrund einer Preissetzungsmacht auf einen inflationären Anstieg der Kosten, beispielsweise in Form von steigenden Löhnen oder Materialkosten, gut reagieren.
Allerdings zeichnen sich klassische Quality-Strategien typischerweise durch eine hohe Bewertung aus. Aufgrund fehlender, ganzheitlicher Risikosteuerung gilt dies auch für den gezeigten Quality-Index. Denn ein qualitätsbedingt erhöhter Marktwert führt trotz absolut hoher Cashflows zu einer längeren Duration. Insofern würde sich die längere Duration des Quality-Indexes im Zuge steigender Zinsen relativ zum globalen Aktienmarkt negativ auswirken.
Assenagon Equity Framework
Um sich für ein mögliches Inflations- und Zinsszenario zu positionieren, sind Value-Strategien der geeignete Ansatz, da sie durch eine kürzere Duration als der globale Aktienmarkt geprägt sind. Wichtig jedoch: Man darf Qualität nicht aus dem Blick verlieren, denn eine gewisse Preissetzungsmacht ist trotz kurzer Duration von Nöten, um operativ dem Thema Inflation Herr zu werden.
Dies bedeutet nicht, dass Quality als Investmentstil im gegenwärtigen Inflationsszenario gänzlich ungeeignet wäre. Wichtig ist es, eine ganzheitliche Sichtweise walten zu lassen und das Portfolio unter anderem hinsichtlich der Bewertung neutral zum globalen Aktienmarkt auszurichten – im Sinne von "Quality at a reasonable Price"!
Für den Anleger
Das gegenwärtige makroökonomische Szenario birgt die Gefahr, dass höhere Inflationszahlen und damit einhergehend steigende Zinsen – zumindest bis zu einem gewissen Niveau – nachhaltig erhalten bleiben. Entsprechend sollten Zinssensitivitäten am Aktienmarkt stärker in den Fokus rücken. Denn aufgrund der Dominanz von Wachstumstitel haben viele Anleger in den vergangenen Jahren ihre Portfolien entsprechend umgeschichtet, wodurch sich ein nicht unerhebliches Maß an versteckten Zinsrisiken ergibt.
Value bietet hierbei aufgrund seiner kurzen Duration nicht nur die Möglichkeit relativ zum globalen Aktienmarkt von einem Zinsanstieg zu profitieren, sondern bestehende Zinsrisiken im Portfoliokontext zu neutralisieren. Auf eine ausreichende Qualität sollte bei der Wahl entsprechender Value-Strategien geachtet werden. Getreu dem Motto "Value at a reasonable Quality".