Assenagon Equity Insights #12: Aktien-Duration & die Zukunft der Automobilbranche
Die Aktien-Duration gibt Ausschluss über die zukünftige Cashflow-Verteilung und die damit eingepreisten Wachstumserwartungen.
Wir analysieren, wie stark Tesla wirklich wachsen muss, um die aktuelle Bewertung zu rechtfertigen.
- Daraus ergeben sich ähnliche Marktanteile wie heute, jedoch mit anderen Herstellern an der Spitze.
Die Bewertung von Tesla polarisiert
Es gibt vermutlich kaum eine Aktie, welche die Investorenlandschaft derart polarisiert wie Tesla. Sämtlichen Kritikern und Leerverkäufern zum Trotz konnte das Unternehmen auf fundamentaler Seite mit fast einer Million produzierten Fahrzeugen im Jahr 2021 überzeugen und schließt somit allmählich zu etablierten Autoherstellern, wie beispielsweise Daimler mit zwei Millionen Fahrzeugen, auf. Angesichts der vielfach höheren Bewertung ist allerdings noch einiges an Wachstumsfantasie eingepreist.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung möchten wir mit Hilfe der Aktien-Duration einen alternativen Blick auf das Unternehmen werfen. Denn wenn Tesla eines bewiesen hat, dann, dass Totgesagte länger leben.
Duration: Ein alternativer Blick auf die Bewertung
Duration beschreibt typischerweise die Sensitivität von festverzinslichen Anlagen gegenüber Zinsveränderungen. Im Bereich Aktien ist dieser Begriff unter Investoren – zu Unrecht – weniger geläufig. Denn das bekannte Konzept birgt die Möglichkeit, die teils äußerst heterogenen Entwicklungen innerhalb des Aktienmarktes der vergangenen Jahre im Kontext fallender Zinsen besser erfassen zu können.
Aktien-Duration definiert sich als die Sensitivität des Marktwertes eines Unternehmens gegenüber Veränderungen der Zinsen. Dabei ist entscheidend: Wann fällt ein Cashflow an und wie exponiert ist dieser zu möglichen Veränderungen am Zinsmarkt? Denn der Aktienkurs spiegelt zwangsläufig die Summe der diskontierten zukünftigen Cashflows wider. Liegt ein Großteil der erwarteten Cashflows in ferner Zukunft, ergibt sich eine lange Duration und eine in Relation zu aktuellen Kennzahlen erhöhte Bewertung.
Abbildung 1 veranschaulicht die Duration von fünf ausgewählten Automobilherstellern im Vergleich. Erwartungsgemäß weist Tesla mit 26 Jahren eine hohe Duration auf, ist hiermit jedoch nicht Spitzenreiter. Denn Rivian, bekannt für sein fulminantes und insbesondere volatiles Börsendebüt im vierten Quartal 2021, kommt gar auf 32 Jahre. Man muss allerdings nicht zwingend im Wachstumsmarkt E-Mobilität tätig sein, um eine hohe Bewertung seitens des Kapitalmarkts zu erhalten. Aufgrund seiner Marken- und Margenstärke wird zum Beispiel Ferrari wie ein Wachstumstitel bewertet, was sich in einer Duration von 24 Jahren widerspiegelt. Das Schlusslicht in dieser Vergleichsgruppe stellt Daimler dar, sinnbildlich für deutsche Automobilhersteller, welche im Zuge des Abgasskandals viel Vertrauen verspielt und den Übergang zur E-Mobilität lange Zeit verschlafen haben.
Abb. 1: Aktien-Duration im Vergleich
Quelle: Assenagon, Bloomberg
Die Frage ist, wie sich die freien Cashflows in der Zukunft entwickeln müssen, um den aktuellen Marktwert und die damit einhergehende Duration zu rechtfertigen. In anderen Worten: Wenn der aktuelle Marktwert den fairen Wert widerspiegelt, wie hoch sind dann die eingepreisten Wachstumserwartungen?
Im Falle von Daimler spiegelt die niedrige Duration nahezu stagnierende Zahlen in den kommenden zehn Jahren wider. Wie Tabelle 1 verdeutlicht, erwartet der Markt, dass die Cashflows lediglich in etwa mit der Inflationsrate wachsen werden. Unter der Annahme, dass der heutige Marktwert fair ist, müssten Tesla und Rivian hingegen ein entsprechend hohes Wachstum erzielen. Für Rivian würde dies bedeuten, dass der derzeit negative freie Cashflow in Höhe von EUR -5,1 Mrd. in zehn Jahren auf EUR 9,3 Mrd. anwachsen muss. Entgegen aller Skeptiker konnte Tesla im Jahr 2021 einen freien Cashflow von EUR 2,8 Mrd. erzielen, der auf EUR 68,6 Mrd. anwachsen müsste, um den gegenwärtigen Marktwert zu rechtfertigen.
Tab. 1: Erwartete freie Cashflows in EUR Mrd.
Quelle: Assenagon, Bloomberg
Assenagon Equity Framework
Rein aus Perspektive des zu erzielenden Wachstums sind die Erwartungen an die Entwicklung des freien Cashflows von Tesla durchaus enorm. Um eine gewisse Vorstellung davon zu erhalten, ob eine solche Entwicklung am Automobilmarkt realistisch ist, analysieren wir nachfolgend die implizierten Marktanteile auf Basis der erwarteten freien Cashflows. Hierbei beschränken wir uns auf Hersteller mit Sitz in den Industrieländern.
Abbildung 2 visualisiert, wie sich die Marktanteile innerhalb der Automobilbranche in zehn Jahren verteilen würden. Sollte das implizierte Wachstum eintreten, so würde Tesla mit 32 Prozent die Marktführerschaft erlangen, gefolgt von Toyota mit 14 Prozent. Dies mag aus einer absoluten Perspektive äußerst hoch (und dominierend) erscheinen, relativiert sich jedoch schnell, wenn man die Verteilung der Marktanteile im Jahr 2021 betrachtet: Gemäß der freien Cashflows war Volkswagen mit 27 Prozent größter Automobilhersteller weltweit, gefolgt von Toyota mit 21 Prozent und Daimler mit 12 Prozent. Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere bei Tesla ein signifikanter Teil der Wachstumsfantasie aus Bereichen jenseits des klassischen Automobilgeschäfts (z. B. autonomes Fahren) beigesteuert wird.
Abb. 2: Entwicklung der Marktanteile gemäß freier Cashflows
Quelle: Assenagon, Bloomberg
Ob letzten Endes die aktuelle Bewertung von Tesla gerechtfertigt ist, wird die Zukunft zeigen. Jedoch ermöglicht es uns die Durationsanalyse eine Aussage zu treffen, wie die Entwicklung der freien Cashflows in den kommenden Jahren aussehen müsste, um den aktuellen Marktwert zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen verfügt Tesla mittlerweile aufgrund eines hohen Gewichts in globalen Indizes über eine Relevanz für den Kapitalmarkt.
Für den Anleger
Der Blick auf Cashflows und Duration ermöglicht einen alternativen Blick auf den Marktwert von Tesla. Denn sollte die Bewertung fair sein, impliziert dies, dass Tesla einen Marktanteil von 32 Prozent im Jahr 2030 erreicht.
Mit Sicherheit wird dies nicht die letzte Analyse zum Unternehmen sein. Der ökologische Impact sollte dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Denn trotz bestehender Mängel in operativen Aspekten (Soziales, Unternehmensführung) gibt es wohl kein Unternehmen, welches die Transformation in der Automobilbranche so populär befördert hat wie Tesla.
Daniel Jakubowski & Dr. Ulrich Wessels, Assenagon Asset Management
PS: Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, wie sich Tesla in die Green Economy einfügt.