Assenagon AM: Eine neue EZB-Bazooka oder die Grenzen der Geldpolitik

Assenagon Asset Management | 25.07.2022 08:30 Uhr
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  • Aufgrund hoher Inflationszahlen legen westliche Zentralbanken eine geld­politische Vollbremsung hin.
  • Bei der gegenwärtigen Angebotsknappheit haben die Notenbanker kurz­fristig nur geringen Einfluss auf Preisdynamiken.
  • Um einen inflationssenkenden Effekt zu erzielen, müssten die Zinserhöhun­gen viel höher ausfallen.

Für mehr als eine Dekade haben die westlichen Zentralbanken die Wirtschaft mit günstigem Geld versorgt. Mittels niedriger Leitzin­sen und unkonventioneller Geldpolitik in Form von Anleihekäufen ermöglichten die Währungshüter günstige Kredite für Staaten, Unternehmen und Haushalte. Die Logik dahinter: Die Nachfrage ankurbeln, um so Inflationsraten nahe 2 Prozent, dem offiziellen Ziel der Zentralbanken, zu erreichen. Für Anleger gab es in dieser Zeit wenig zu verlieren. Kaum Inflationsrisiken, Zinsen nahe Null und sollte es doch einmal ernster werden – Stichwort Eurokrise oder Corona-Pandemie – standen die Zentralbanken bereit, um jedwede Krise durch noch mehr Liquidität abzuwehren. Aktien und Immobilien waren die einzigen Anlagen, mit denen dauerhaft Rendite erzielt werden konnten. Dementsprechend eilten Aktien­märkte jenseits und diesseits des Atlantiks von Rekord zu Rekord, während Immobilienpreise explodierten. Wenig profitable Tech-Firmen, die Gewinne in ferner Zukunft versprachen, wurden mit Geld überhäuft und Kryptowährungen boomten.

Um einen inflationssenkenden Effekt durch die Geldpolitik zu erzielen, müssten die Leitzinsen gegenwärtig in Europa und den USA bei mindestens 6 Prozent liegen. Thomas Romig, Head of Multi Asset Portfolio Management

Geldpolitische Kehrtwende

Diese goldene Ära ist erst einmal vorbei. Nach langem Zögern haben sich die Zentralbanken dazu entschieden eine geldpoliti­sche Vollbremsung hinzulegen, in den USA mehr noch als in Eu­ropa. Angesichts einer Inflationsrate im Mai von 8,6 Prozent er­höhte die Federal Reserve die Leitzinsen Mitte Juni um 75 Basis­punkte, der stärkste Anstiegt seit 1994. Ihre Botschaft könnte kla­rer nicht sein: Sie möchte die Inflation um jeden Preis eindäm­men. Die Europäische Zentralbank geht im Moment trotz Preis­steigerungen von über 8 Prozent langsamer vor. Die europäischen Währungshüter haben angekündigt, die Nettoanleihekäufe von Staatsanleihen im Juli einzustellen und so den Weg für eine erste Leitzinserhöhung zu bereiten. Im Gegensatz zur Fed muss die EZB – zumindest inoffiziell – auf die Befindlichkeiten der Mitgliedslän­der der Eurozone Rücksicht nehmen. So könnte beispielsweise die Staatsverschuldung Italiens in Höhe von 150 Prozent des BIPs oh­ne zusätzliches Auffangnetz untragbar werden – und damit die gesamte Währungsunion gefährden. Dementsprechend vorsichtig geht sie jetzt vor und plant weitere Maßnahmen, um gegen die zunehmende Fragmentierung der Märkte vorzugehen.

Die Wende in der Geldpolitik kommt für die westlichen Volkswirt­schaften zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Viele Länder in Europa wie Deutschland, Frankreich oder Italien waren gerade erst dabei, sich von zwei Corona-Jahren zu erholen und das Vor­krisenniveau der Wirtschaftsleistung zu erreichen. Statt Wieder­aufschwung droht jetzt Stagflation oder gar eine Rezession. Schuld daran sind der Angriff Russlands auf die Ukraine in Kom­bination mit den umfangreichen Sanktionen des Westens, sowie die Zero-Covid-Strategie Chinas im Kampf gegen die hochan­steckende Omikron-Variante. Beide Faktoren haben das globale Warenangebot noch einmal stark verknappt. Zusätzlich führt die hohe Inflation zu realen Einkommensverlusten, welche die Kauf­kraft sinken lassen. Die Zinserhöhungen durch die Notenbanken schränken die Nachfrage noch weiter ein. Denn zum einen erhö­hen sich die Kreditkosten für Unternehmen und Haushalte, In­vestitionen und Konsum gehen in Folge zurück. Zum anderen wird Sparen wieder attraktiver, wenn sichere Anlageformen wieder mehr Zinsen abwerfen.

Keine Handhabe bei Angebotsschocks

Das ist das eigentlich Tragische an der aktuellen Situation. Die Zentralbanken haben bei der aktuellen Angebotsknappheit prak­tisch keine Handhabe, ihre Geldpolitik wirkt sich in erster Linie auf die Nachfrageseite aus. Wenn die Preissteigerungen durch externe Faktoren wie den Ukraine-Krieg oder Unterbrechungen in den globalen Lieferketten hervorgerufen werden, helfen Zinser­höhungen wenig. Knappheit bei Energie oder Lebensmitteln lässt sich so nicht beheben. Ganz im Gegenteil: Höhere Refinanzie­rungskosten verteuern Investitionen und erschweren die effizien­te Reallokation von Ressourcen innerhalb der Wirtschaftssekto­ren. Für Unternehmen wird es schwieriger, sich auf die neuen Herausforderungen des aktuellen Wirtschaftsumfeldes einzustel­len. So müssten Firmen beispielsweise die Produktion an die stark gestiegenen Energiepreise anpassen oder nach alternativen Liefe­ranten für ihre Vorprodukte suchen, um Lieferketten robuster ge­gen externe Einflüsse zu machen.

Dass die Notenbanken dennoch die Zügel anziehen, dürfte vor allem an der Sorge vor einer Lohn-Preisspirale liegen. Die hohen Inflationsraten verankern sich zunehmend in der Wahrnehmung der Bürger. Um ihr Einkommen vor der Entwertung durch Inflation zu schützen, verlangen Arbeitnehmer und Gewerkschaften höhere Löhne, die durch die Unternehmen über Preissteigerungen auf die Kunden umgewälzt werden. Diese Zweitrundeneffekte können eine Dynamik entfalten, die selbst bei wieder steigendem Waren­angebot zu einer dauerhaft hohen Inflation führt und von den Währungshütern nicht mehr gestoppt werden kann. Daher scheint die aktuelle Strategie darauf abzuzielen, durch verspätete, signi­fikante Leitzinserhöhungen die Nachfrage einzudämmen und Lohnerhöhungsrunden teilweise im Keim zu ersticken.

Weit hinter der Kurve: Inflation in der Eurozone und EZB-Einlagenzins

Quelle: Europäische Zentralbank

Trotz der zunehmend restriktiveren Geldpolitik laufen die Fed und die EZB aufgrund der zögerlichen Haltung im vergangenen Jahr den Inflationsentwicklungen weit hinterher. Daran ändern die ge­planten Zinserhöhungen kaum etwas. Um einen inflationssenken­den Effekt durch die Geldpolitik zu erzielen, wären viel höhere Leitzinsen nötig. Laut Taylor-Regel, einer nützlichen Faustregel zur Bestimmung der Leitzinsen, müssten diese gegenwärtig in Europa und den USA bei mindestens 6 Prozent liegen. Eine Zins­erhöhung in diesem Umfang wäre eine neue geldpolitische Ba­zooka, dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes: Das Wirtschafts­wachstum würde komplett abgewürgt werden und eine massive Rezession wäre unausweichlich.

Thomas Romig, Head of Multi Asset Portfolio Management bei Assenagon AM

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