Passiv mit aktiven Risiken?
Die Bedeutung passiver Anlagen im Rahmen der Asset Allokation hat über die vergangenen zehn Jahre massiv an Bedeutung gewonnen. Wenngleich es zu Beginn des Aufkommens passiver Anlagen oftmals reine replizierende Konzepte auf globale Indizes wie dem MSCI World oder S&P 500® waren, in der Regel im Mantel eines ETFs, existiert mittlerweile eine Vielzahl von Erweiterungen:
- Smart Beta-Indizes, welche auf Basis systematischer Regeln versuchen Faktor-Prämien zu vereinnahmen
- Indizes, welche verschiedene Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen
- Individuelle Kriterien, oftmals im institutionellen Segment anzutreffen, wie bspw. Ausschlusslisten oder auch Mindestanforderungen hinsichtlich ESG
Letzten Endes werden eine Vielzahl derartiger Produkte als passiv bzw. semi-passiv eingeordnet, die Realität ernüchternder Ergebnisse offenbart jedoch, dass vermutlich die inhärenten Risiken in Form aktiver Abweichungen zum Grunduniversum stärker zum Tragen kommen als erwartet. Im vorliegenden Artikel gehen wir der Frage nach, ab wann ein Investment nicht mehr als passiv zu betrachten ist. Zudem wird aufgezeigt, dass die gern verwendete Kenngröße Tracking Error unzureichend hinsichtlich der Klassifizierung und des eingegangenen Risikos ist.
Analyse am Beispiel Dividende Global
Für die nachfolgende Analyse werden fünf Portfolios konstruiert, welche auf Basis des globalen Aktienmarktes (Grunduniversum) den Faktor Dividende betonen. Portfolio 1 zielt darauf ab eine zehn Prozent höhere Dividendenrendite zu erzielen als das Grunduniversum. Jedes weitere Portfolio steigert das Ausschüttungsziel um weitere zehn Prozent, sodass Portfolio fünf eine 50 Prozent höhere Dividendenrendite aufweist als der globale Aktienmarkt. Alle Portfolios haben gemeinsam, dass sie ganzheitlich konstruiert werden. Das heißt bis auf den Faktor Dividende, welcher je nach Portfolio mit einem höheren Ausmaß betont wird, werden sämtliche Faktor-, Sektor- und Ländereffekte gegenüber dem globalen Aktienmarkt neutralisiert. Somit wird sichergestellt, dass der zunehmende Grad an Aktivität im Portfolio (Erhöhen der Dividendenrendite) keine zusätzlichen Risiken jenseits der Dividendenausprägung verursacht.
Tabelle 1 stellt die deskriptiven Daten für den globalen Aktienmarkt sowie die fünf Portfolios dar. Die 1.510 Unternehmen zeigen im Durchschnitt eine gegenwärtige Dividendenrendite – und in diesem Fall gesuchte Zielgröße – von 2,14 Prozent auf.
Mit jedem Schritt einer höheren Dividendenrendite steigt der Tracking Error sukszessive an und die Anzahl der Positionen nimmt ab, da Aktien mit niedriger Dividendenrendite entsprechend untergewichtet werden, um das höhere Dividendenniveau zu erreichen. Wenngleich eine Dividendenrendite von 3,22 Prozent gerade im Vergleich zum europäischen Markt nicht hoch erscheint, stellt es im globalen Kontext eine deutliche Steigerung des Ausschüttungsniveaus dar und geht entsprechend mit einem Tracking Error von 1,4 Prozent einher.
Die Problematik des Tracking Errors ist, dass er einerseits nur begrenzt aussagekräftig hinsichtlich dem Ausmaß maximaler relativer Risiken ist. Andererseits können Effekte, wie beispielsweise die Zinswende im Jahr 2022, zu einem deutlichen Anstieg des künftigen Tracking Errors führen. Der drastische Zinsanstieg hat die Marktstruktur und damit Korrelationszusammenhänge signifikant verändert, was einen Anstieg des Tracking Errors zur Folge hatte. Somit ist das Maß insbesondere ex ante nur bedingt geeignet, um einzuschätzen, inwiefern ein Investment noch als rein passiv zu klassifizieren ist.
Abbildung 1 umfasst für die fünf Dividendenportfolios neben dem relativen maximalen Drawdown den Active Share. Wenngleich im ersten Falle wie beim Tracking Error eine reine ex post Betrachtung möglich ist, spiegelt er dennoch das resultierende, aktive Underperformance-Risiko wider und stellt oftmals die Basis einer Verkaufsentscheidung seitens Investoren dar.
Wie sich zeigt, liegt im Falle des Portfolios mit einer Erhöhung um zehn Prozent der Dividendenrendite und damit einhergehendem Tracking Error von 0,74 Prozent lediglich ein relativer maximaler Drawdown von -2,0 Prozent vor. Zielt man darauf ab, ein Portfolio zu konstruieren, welches eine 50 Prozent höhere Dividendenrendite als das Grunduniversum aufweist, so steigt der relative Drawdown auf etwa -10 Prozent an. Wenngleich der Tracking Error von 1,4 Prozent im reinen Vergleich mit aktiven Strategien wenig Aktivität suggeriert, nimmt das Risiko mit circa zehn Prozent Underperformance ein Ausmaß an, welches nicht mehr als passiv einzuordnen ist.
Assenagon Equity Framework
Zur finalen Einordnung von Investments in passiv und nicht-passiv lässt sich der Active Share heranziehen. Dieser spiegelt die Summe der offenen aktiven Risiken (Unter- & Übergewichtung) im Vergleich zur Benchmark wider. Sowohl gegenüber dem Tracking Error als auch dem relativen maximalen Drawdown hat der Active Share darüber hinaus den Vorteil, dass er eine ex ante und prognosefreie Beurteilung aktiver Risiken eines Investments ermöglicht, ohne anfällig für Schätzfehler zu sein.
Für den Anleger
Unserer Ansicht nach ist ein Investment nicht mehr als passiv zu klassifizieren ab einem Active Share von über 20 Prozent. Diese Beobachtung lässt sich über verschiedene Faktorstile bzw. Grunduniversen hinweg feststellen – unabhängig davon, ob das Portfolio ganzheitlich konstruiert wurde oder unerwünschte Nebeneffekte vorliegen. Die ganzheitliche Konstruktionsweise hat den Vorteil, dass das Ausmaß des Active Shares bestmöglich für die Zielgröße (hier Dividendenrendite) ausgeschöpft wird, ohne zusätzliche Risiken hinsichtlich Tracking Error oder relativem maximalen Kursverlust zu verursachen.
Abbildung 2 zeigt auf, dass sich rein passive Portfolios durch eine geringfügige Betonung (z. B. 10 bis 20 Prozent) von Faktoren, wie im vorliegenden Beispiel der Dividendenrendite, optimieren lassen ohne ihren passiven Charakter zu verlieren. Wie sich allerdings anhand der Wertentwicklung des Portfolios Dividende +50 Prozent erkennen lässt, sind einer derartigen Optimierung Grenzen gesetzt: Trotz eines nicht allzu hohen Tracking Errors zeigt sich eine relative Wertentwicklung mit aktivem Risikocharakter.
Von Daniel Jakubowski, Head of Equity Portfolio Management und Dr. Ulrich Wessels, Institutional Sales bei Assenagon Asset Management
PS: Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, wie sich indexnahe Investments effizient konstruieren lassen.