Mehr als einen Monat wütet Russlands Krieg gegen die Ukraine inzwischen und die Auswirkungen sind in vielen Branchen zu spüren. British Steel kündigte vor Kurzem eine beispiellose Preiserhöhung um 25% an, um der „Kostenexplosion“ zu begegnen. Andere europäische Stahlhersteller sind in gleicher Weise betroffen und dürften dem Beispiel des britischen Unternehmens folgen, wenn die Strompreise und andere Kosten nicht rasch wieder sinken.
Die britische Regierung hat die heimischen Ziegelhersteller bereits dazu aufgefordert, sich auf eine Drosselung der Produktion einzustellen, falls die Energieknappheit eine Rationierung von Strom erforderlich machen sollte. Besonders energieintensive Industriezweige wie die Ziegelindustrie sind häufig als erste von Stromrationierungen betroffen, da die Versorgung der privaten Haushalte erste Priorität hat. Dies dürfte Folgewirkungen für die Bauindustrie haben, die in hohem Maße von den Ziegelherstellern abhängig ist.
Die Ursache beider Entwicklungen geht auf die Tragödie zurück, die sich derzeit in der Ukraine abspielt. Doch selbst wenn morgen Frieden geschlossen würde, wäre es naiv anzunehmen, dass Russlands Rohstofflieferungen sofort wieder das Vorkriegsniveau erreichen würden. Viele dieser zusätzlichen Lieferkettenschocks würden voraussichtlich nicht sofort behoben, auch wenn sie nicht mehr das gleiche Ausmaß hätten wie aktuell in der Krise.
Die Inflation am Wendepunkt
Das zentrale Problem für die Zentralbanken besteht darin, dass ein Großteil des Preisdrucks, den wir seit der Erholung von der Pandemie erlebt haben, auf Lieferkettenprobleme zurückgeht. Mit diesen haben wir inzwischen schon länger zu tun und bei Verbrauchern, Herstellern und Arbeitnehmern dürfte dieser zweite Lieferkettenschock durch die Ukraine-Krise für dauerhaft höhere Inflationserwartungen sorgen.
Der aktuell starke Anstieg der Energiepreise und anderer Preise wird sich in zwölf Monaten wahrscheinlich nicht wiederholen. Dadurch werden die Jahresvergleichsdaten für die Gesamtinflation und die Erzeugerpreise auch nicht mehr so astronomische Steigerungen zeigen wie aktuell. Die Debatte über Inflation und Geldpolitik konzentriert sich jedoch auf die Frage, ob die längerfristigen Inflationserwartungen steigen und die Zentralbanken daher befürchten, die Kontrolle über diese Erwartungen und damit über die Inflation selbst zu verlieren.
Die erwartete 5-Jahres-Termininflationsrate für Europa liegt nun wieder auf einem Niveau, das seit 2013 nicht mehr erreicht wurde, während die erwartete 5-Jahres-Inflationsrate in den USA so hoch ist wie seit 2014 nicht mehr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erwarteten 5-Jahres-Terminzinsen in Europa bei -1% und in den USA bei -0,45% liegen. Das verdeutlicht das Dilemma der Fed und anderer Zentralbanken – sie sehen sich mit mehreren aufeinanderfolgenden Angebotsschocks konfrontiert, die (in wirtschaftlicher Hinsicht) im Eiltempo eintreten. Gleichzeitig erkennen viele Angehörige der EZB (und anderer Zentralbanken), dass ihre Möglichkeiten, diese Angebotsdynamik mit geldpolitischen Instrumenten zu beeinflussen, begrenzt sind. Die Geldpolitik ist jedoch ihr einziger Hebel und sie können sich nicht einfach zurücklehnen und nichts tun, da die negativen Realzinsen das Problem noch verschärfen werden.
Werden die realen Zinsen steigen?
Wie stark könnten die realen Zinsen steigen, um diesem Problem zu begegnen? Bei der Beantwortung dieser Frage könnte ein Blick zurück ins Jahr 2018 helfen: Damals glaubte die US-Notenbank (Fed), ein Inflationsproblem zu haben, und wollte die Geldpolitik in jedem Fall normalisieren. Daher stiegen die 5J5J-Terminzinsen auf 1%, bevor der Markt erkannte, dass es kein Inflationsproblem gab und die Fed lediglich eine Fehlentscheidung getroffen hatte. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld würden viele argumentieren, dass die Fed diesen geldpolitischen Fehler wiederholen würde, wenn sie die Zinsen so stark anhebt, wie von einigen prognostiziert wird.
Unabhängig davon, ob dies zutrifft oder nicht, bewegen wir uns bereits in Richtung positive Realzinsen und könnten ein ähnliches Niveau wie im Jahr 2018 erleben. Ob dieser geldpolitische Kurswechsel gerechtfertigt ist oder nicht, wird sich erst nach zwölf bis 18 Monaten zeigen. Dass die Fed untätig bleibt, ist aus unserer Sicht jedoch keine Option.
Mark Nash, Head of Fixed Income Alternatives bei Jupiter Asset Management