Schwellenländer schlagen sich trotz Inflation gut
In den letzten zehn Jahren hat sich in den Schwellenländern viel verändert. Denkt man beispielsweise an die Zeit des "Taper Tantrum" im Jahr 2013 zurück, hatten die Schwellenländer in der Tat zu kämpfen. Insbesondere an den Devisenmärkten, da Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten unter Druck gerieten. In dieser Zeit wurden Indien, Indonesien, Brasilien, Südafrika und die Türkei als die "Fragilen 5" bekannt. Wenn wir uns diese Volkswirtschaften heute ansehen, können wir jedoch feststellen, dass die ersten vier von ihnen ihre Leistungsbilanzdefizite deutlich gesenkt oder sogar Überschüsse erzielt haben.
Diese grundlegende Verbesserung spiegelt die Schwellenländer als Ganzes wider, da die Länder Strukturreformen durchgeführt haben und im Allgemeinen eine verantwortungsvollere Geldpolitik betreiben – ironischerweise mehr als einige Industrieländer. Das Ergebnis ist: Viele Schwellenländerwährungen haben sich in diesem Jahr auf den Devisenmärkten gegenüber dem Dollar recht gut gehalten. Besser als der Euro oder sogar das Pfund. In vielen Fällen waren sie auch der Inflation voraus, da sie im vergangenen Jahr eine straffere Geldpolitik betrieben haben, während die meisten Zentralbanken der Industrieländer ihre Geldpolitik weiter gelockert haben. Bemerkenswerterweise gibt es zum ersten Mal seit 20 Jahren weniger Schwellenländer mit einer Inflation von über 5 Prozent als Industrieländer. Vielleicht ist es also an der Zeit, dass sich die altmodische Sichtweise auf die Schwellenländer ändert.
Trendwende in China in Sicht?
Das soll natürlich nicht heißen, dass in den Schwellenländern derzeit alles in Butter ist. Insbesondere Chinas Wirtschaftswachstum hat drei problematische Wendungen genommen: Damit sind eine stärkere Regulierung des Privatsektors (insbesondere der Internetunternehmen), ein Abschwung auf dem Immobilienmarkt und die "Null-Covid"-Strategie gemeint. Wir sind der Ansicht, dass sich die Verschärfung der Vorschriften dem Ende zuneigt und China in vielen Fällen ohnehin näher an internationale Standards heranführt. Der Immobilienmarkt bleibt ein grundlegendes Problem. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Regierung ihre Kontrollen lockert und die Hypothekenzinsen sinken. Dies stimmt uns zuversichtlich, dass China das Schlimmste hinter sich haben könnte. Was Chinas Null-Covid-Politik betrifft, so gibt es viele Spekulationen darüber, ob und wann diese aufgeben wird. Aber auch hier gibt es ermutigende Entwicklungen: Reisende, die in China ankommen, müssen jetzt zehn statt 21 Tage in Quarantäne.
Bemerkenswert ist auch, dass die Regierung an ihrem Ziel von 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum für dieses Jahr festhält. Zum Vergleich: Im ersten Quartal dieses Jahres wuchs die chinesische Wirtschaft um weniger als 5 Prozent, während das Wachstum im zweiten Quartal, in dem es viele Schließungen gab, eher bei 1 Prozent lag. Um 5,5 Prozent für das gesamte Jahr zu erreichen, muss das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte also eher bei 7-8 Prozent liegen, was auf die Wahrscheinlichkeit fiskalischer oder monetärer Anreize hindeutet. Dies könnte zu einer interessanten Dynamik führen, da China möglicherweise genau zu dem Zeitpunkt aus seiner wirtschaftlichen Talsohle herauskommt, zu dem die großen Industrieländer in eine Rezession geraten könnten und die Inflation noch immer hoch ist. In diesem Umfeld sollten sich chinesische Aktien unserer Meinung nach gut entwickeln.
Bei Anlagen in Schwellen- und Entwicklungsländern ist aber auch zu bedenken, dass die Marktliquidität abnehmen kann. Das kann bedeuten, dass es nicht einfach ist, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Es kann auch zu Schwierigkeiten bei Handel und Abwicklung sowie bei der Verwahrung kommen. Weniger entwickelte Länder stehen möglicherweise vor größeren politischen, wirtschaftlichen oder strukturellen Herausforderungen als entwickelte Länder.
Laut Salman Siddiqui, Investment Manager, Global Emerging Market Equities bei Jupiter Asset Management