Im Oktober 2022, wenige Wochen nach der Krise am britischen Staatsanleihenmarkt, warnten wir vor einem erhöhten Risiko von Finanzunfällen infolge einer starken und abrupten Straffung der Finanzkonditionen und Geldpolitik nach mehr als zehn Jahren des billigen Geldes (siehe „Crunch time“).
Wie vermutet, war das Drama rund um die Liability Driven Investment-Fonds in Großbritannien im vergangenen Herbst nur ein erster derartiger Unfall. Ein weiterer folgte im März dieses Jahres, als die fragile Lage der US-Regionalbanken deutlich wurde und die Notrettung der bereits angeschlagenen Credit Suisse keinen Zweifel mehr daran ließ, unter welchem Stress das Finanzsystem steht.
Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik kommen zum Tragen
Im Bankgeschäft geht es im Grunde um das Management von Laufzeit- und Liquiditätsinkongruenzen. Umso problematischer ist ein Umfeld mit anhaltend inversen Zinsstrukturkurven und einem starken Anstieg der Staatsanleiherenditen für die Banken. Das bedeutet nicht, dass jede Bank als potenzieller Ausfallkandidat betrachtet werden sollte. Es ist jedoch klar, dass Banken in schwächeren Ausgangspositionen und mit Geschäftsmodellen, die in einem Umfeld niedriger und stabiler Zinsen funktioniert haben, in diesem neuen Umfeld straucheln können.
Zu bedenken sind auch mögliche Defizite in den Aufsichtsstrukturen und Lücken in den Regulierungssystemen. Die globale Finanzkrise war im Grunde genommen eine „Kreditkrise“. Daher konzentrierten sich die Regulierungsmaßnahmen auch hauptsächlich auf Instrumente, mit denen eine Wiederholung einer derartigen Krise verhindert werden sollte. Dabei wurde das Zinsrisiko – zumindest in den USA – weitgehend ignoriert. Und wie die jüngsten Ereignisse zeigen, kann einige Zeit vergehen, bis Anpassungen der Geldpolitik Wirkung zeigen. Dann aber können die Auswirkungen erheblich sein – ähnlich wie bei Hemingways Beschreibung davon, wie Menschen bankrottgehen: „Auf zwei Weisen: erst schleichend und dann plötzlich“.
Kreditvergabestandards werden voraussichtlich (noch) restriktiver
Im Trend deuten die Frühindikatoren bereits seit mehreren Quartalen auf eine makroökonomische Abschwächung hin. So liegen z.B. die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in den USA, dem Euroraum, Großbritannien und Japan immer noch unter 50, während der US-Verbraucherpreisindex den neunten Monat in Folge gesunken ist und sich zuletzt auf dem niedrigsten Niveau seit Mai 2021 bewegte. Etwaige bedeutende Trendänderungen sollten sich in den nächsten Monaten zeigen. Das gilt insbesondere für die Arbeitsmarktdaten.
Bis auf Weiteres dürften die jüngsten Ereignisse unseres Erachtens aber am ehesten zu noch restriktiveren Kreditvergabestandards führen. In Europa und vor allem in den USA, wo es zu massiven Abzügen von Kundeneinlagen aus Regionalbanken gekommen ist, haben sich die Kreditkonditionen in den letzten Monaten bereits deutlich verschärft. Neben der höheren Verzinsung alternativer Geldmarktanlagen ist dies vor allem auf die bislang fehlende umfassende Garantie von Einlagen über 250.000 USD zurückzuführen. Weitere Unsicherheiten in Bezug auf die Bankeinlagen könnten zu einer noch geringeren Kreditvergabebereitschaft der regionalen Banken führen.
Die regionalen/kleinen Banken (die Fed definiert eine „kleine“ Bank als eine Bank, die gemessen an der Bilanzsumme nicht zu den Top 25 der US-Banken zählt) sind natürlich strukturell weniger bedeutend. Zusammen haben sie aber einen großen Anteil am Kreditvolumen in den USA. Das gilt insbesondere für die Kreditvergabe an kleinere Unternehmen, einen wesentlichen Wachstumstreiber der Wirtschaft. Gewerbeimmobilien sind ein Schwerpunktbereich für diese Kreditgeber. Das Volumen an ausstehenden gewerblichen Immobilienkrediten kleiner Banken ist etwa zweieinhalb Mal so hoch wie das der Großbanken. Dabei sind die Leerstände im US-Büroimmobiliensektor aktuell so hoch wie nie zuvor.
Wird die Fed eine Zinspause einlegen?
Angesichts der schwächeren Kreditversorgung der Wirtschaft sind wir daher nach wie vor der Ansicht, dass die USA auf eine harte Landung zusteuern. Was die Inflation angeht, sehen wir weiterhin strukturelle Faktoren, die für einen künftig nachlassenden Preisdruck sprechen, wozu die Konsumgüter- und Rohstoffpreise maßgeblich beitragen werden. Bei der Wohnkosteninflation, die im Februar einen Anteil von 70% am monatlichen Anstieg des Kern-VPI hatte, handelt es sich um einen nachlaufenden Faktor. Daher könnte es noch einige Zeit dauern, bis diese Messgröße mit dem maximal geringen Wachstum auf den Echtzeit-Mietmärkten gleichzieht. Den jüngsten Daten zufolge hat auch das Lohnwachstum etwas nachgelassen.
Bei schwächeren Wachstums- und Inflationsraten in den USA hätte die Fed weniger Anlass für eine weitere Straffung ihrer Geldpolitik. Daher glauben wir, dass die US-Währungshüter bald eine Zinspause einlegen könnten.
Mit Blick auf unsere uneingeschränkte Anleihenstrategie betrachten wir Staatsanleihen angesichts des Spielraums für deutlich niedrigere Renditen auf Sicht der nächsten zwölf bis 18 Monate einmal mehr als effektive Absicherung gegen die Volatilität der Kreditmärkte. Trotz der jüngsten Höherbewertung in einigen Bereichen finden wir in den Industrieländern – vor allem in den USA, Australien und Neuseeland – sowie in einigen Schwellenmärkten – Südkorea und Brasilien – immer noch attraktive Anlagemöglichkeiten entlang der Zinskurve.
Wir halten weiter eine Kreditmarktallokation mit einem gewissen Schwerpunkt auf Titeln mit einer niedrigeren Duration, defensiven Sektoren und besicherten Papieren. Seit einigen Wochen spricht jetzt aber unserer Ansicht nach einiges für eine schrittweise Rückführung unseres Kreditengagements. Weitere Hinweise auf ein schwächeres makroökonomisches Umfeld könnten uns zu einer konservativeren Positionierung in Unternehmensanleihen veranlassen.
Von Ariel Bezalel und Harry Richards, Investment Manager, Festverzinsliche Wertpapiere bei Jupiter Asset Management