Leitwährung: Der Dollar und seine Rivalen

Jupiter Asset Management | 29.07.2024 11:35 Uhr
Ned Naylor-Leyland, Vikram Aggarwal und Xuchen Zhang, Investment Experten für Gold und Silber bei Jupiter Asset Management / © e-fundresearch.com / Jupiter Asset Management
Ned Naylor-Leyland, Vikram Aggarwal und Xuchen Zhang, Investment Experten für Gold und Silber bei Jupiter Asset Management / © e-fundresearch.com / Jupiter Asset Management

Das Einfrieren von rund 280 Milliarden Dollar an russischen Devisenreserven durch westliche Regierungen als Vergeltung für die Invasion in der Ukraine hat erneute Spekulationen über die Zukunft des Dollars als Reservewährung der Welt und wichtigster Währung im internationalen Finanz- und Handelssystem angefacht. Derartige Spekulationen sind an sich nichts Neues – in den Medien wird schon seit vielen Jahren immer wieder gerne über den vermeintlichen Niedergang des Dollars berichtet. Ausmaß und Umfang der Sanktionen gegen Russland haben jedoch größere Fragezeichen aufgeworfen, was die Sicherheit der Zentralbankreserven und den Zugriff auf diese Gelder angeht. So hat der Westen nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen Länder wie den Iran und Nordkorea scharfe Sanktionen verhängt.

Umfassende Sanktionen der USA und ihrer westlichen Verbündeten haben zu Einschränkungen im Handel und den internationalen Investitionen geführt und den freien Kapitalfluss behindert. Durch die zunehmende Instrumentalisierung des Dollars als Waffe fühlen sich viele Länder angreifbar und suchen nach Alternativen. Etwa 60 Prozent der internationalen Reserven werden in auf Dollar lautenden Vermögenswerten gehalten. Der Dollar ist die am meisten gehandelte Währung der Welt und spielt eine wichtige Rolle im Welthandel und auf den Fremdkapitalmärkten.

Die Leitwährung

Viele Faktoren stützen die Position des Dollars als weltweiter Leitwährung. Die US-Wirtschaft ist die größte Wirtschaft der Welt und größer als China und Japan zusammen, die es nach der Wirtschaftsleistung auf Platz 2 bzw. 3 bringen. Die USA zeichnen sich durch ein stabiles Finanzsystem mit einer unabhängigen Zentralbank und einer relativ offenen Wirtschaft aus.

Hinzu kommen weitere positive Eigenschaften. Reserven werden durch den Ankauf von Staatsanleihen eines Landes gebildet. Der US-Treasury-Markt ist der liquideste Staatsanleihenmarkt der Welt mit einer Fülle an erstklassig bewerteten Schuldtiteln. Etwa 30 Prozent der weltweit im Umlauf befindlichen Staatsanleihen werden von der US-Regierung begeben. Die Tatsache, dass die US-Regierung noch nie mit ihren Schulden in Verzug geraten ist, ist ein wesentlicher positiver Faktor, der Gelder in US-Staatsanleihen lockt.

Der weiterhin übermäßige Einfluss des US-Dollars ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen. Einer davon ist die militärische Macht der USA. Die Rolle des Militärs ist zwar nicht immer offensichtlich. Mit ihrem Abkommen mit Saudi-Arabien in den 1970er Jahren zum Beispiel sorgten die USA jedoch dafür, dass der Ölproduzent seine überschüssigen Petrodollars im Gegenzug für militärische Hilfe in US-Staatsanleihen anlegte. Die Tatsache, dass viele Länder wie Hongkong, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien ihre Währungen an den US-Dollar binden, unterstreicht die Bedeutung des Greenback und die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank (Fed).

Dennoch ist der Anteil der USA an der Weltwirtschaft im Zuge der anhaltenden Expansion der asiatischen Volkswirtschaften, wie China und Indien, im Laufe der Jahre geschrumpft. Geopolitische Verschiebungen und die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China haben die rasche Globalisierung ausgebremst. Die Corona-Pandemie hat die disruptiven Folgen einer übermäßig von China abhängigen Lieferkette für den Rest der Welt deutlich gemacht.

Die Anwärter

Der Dollar ist nicht über Nacht zur Leitwährung der Welt geworden. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts begann die US-Währung, das britische Pfund zu verdrängen – ein Prozess, der durch den Zerfall des britischen Empire zusätzlich beschleunigt wurde. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich das globale Machtgefüge hingegen vor allem durch den Aufstieg Asiens – und vor allem Chinas – zunehmend verschoben.

Als mögliche Dollar-Rivalen gelten Gold, der Euro, der Renminbi und Kryptowährungen. Nachdem die Zentralbanken ihre Goldbestände nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems vor einem halben Jahrhundert zunächst kontinuierlich abgebaut hatten, sind sie in den letzten zehn Jahren wieder zu Nettokäufern von Gold geworden.

Das Edelmetall hat mehrere Vorzüge. Zum Beispiel gilt es als stabile und krisensichere Wertanlage und kann zur Inflationsabsicherung dienen.

Angesichts der erhöhten geopolitischen Spannungen und Ereignisse wie der globalen Finanzkrise und der Corona-Pandemie haben sich die Zentralbanken verstärkt um eine bessere Absicherung von Risiken für die Finanzstabilität bemüht. Dadurch ist das Interesse an Gold zuletzt gestiegen. Etwa ein Fünftel der überirdischen Goldbestände wird von den Zentralbanken gehalten.

Der größte Herausforderer

Mit der Einführung des Euro im Jahr 1999 strebten die Mitgliedstaaten des gemeinsamen europäischen Währungsraums auch eine strategische Unabhängigkeit vom Dollar an. Zudem bot die neue gemeinsame Währung die Möglichkeit einer Diversifizierung weg vom Dollar. Seit Einführung des Euro ist der Anteil der auf US-Dollar lautenden Vermögenswerte in den Reserven der Zentralbanken um zwölf Prozentpunkte auf 59 Prozent gesunken, während der des Euro bei rund 20 Prozent liegt. Die Eurozone weist viele ähnliche Merkmale wie die USA auf, darunter tiefe Finanzmärkte und eine offene Wirtschaft. Während der europäischen Schuldenkrise vor mehr als zehn Jahren geriet die Gemeinschaftswährung jedoch ins Wanken und gewann erst wieder an Stabilität, nachdem der damalige EZB-Präsident Mario Draghi in seiner berühmten Rede versprach, den Euro um jeden Preis zu verteidigen.

Die Europäische Union hat erst in den letzten Jahren damit begonnen, auf Euro lautende Schuldtitel zu verkaufen. Daher ist das Volumen der im Umlauf befindlichen Euro-Anleihen im Vergleich zum Volumen der US-Treasuries gering. Zudem handelt es sich aufgrund der unterschiedlichen Emissionsländer nicht um einen homogenen Markt wie den US-Anleihenmarkt. Daher haben Reservemanager hier keine andere Möglichkeit, als in Anleihen erstklassiger Schuldner wie Deutschland, Belgien oder den Niederlanden zu investieren. 

Die veränderte geopolitische Dynamik und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte haben das Vertrauen in den Euro als neutraler Reservewährung jedoch geschwächt. Auch könnte sich die Tatsache, dass die Region zwar eine gemeinsame Geldpolitik, aber keine gemeinsame Finanzpolitik hat, noch als Problem erweisen.

Der ehrgeizige Anwärter

China schließt bereits seit längerem verstärkt bilaterale Abkommen, um Zahlungen in Renminbi im globalen Handel zu etablieren.

Auf dem Weg zu einer breiteren internationalen Durchsetzung der Währung sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Zum einen ist die Währung nicht frei konvertierbar, und solange China grundsätzlich an Kapitalverkehrskontrollen festhält, wird die Bereitschaft der Anleger gering bleiben, größere Volumen an RMB zu halten. Der Anteil des Renminbi an den weltweiten Devisenreserven ist weiterhin deutlich geringer als der des Dollar. Im weltweiten Zahlungsverkehr rangiert er hinter dem Dollar, dem Euro und dem britischen Pfund, könnte in den nächsten Jahren aber weiter an Bedeutung gewinnen, wenn Chinas Wirtschaft und Handel weiter expandieren.

Der chinesische Staatsanleihenmarkt ist zweifelsohne groß und bietet attraktive Anlagemöglichkeiten. Um ausländischen Investoren Zugang zum Onshore-Anleihenmarkt zu geben, startete das Land im Jahr 2017 das „Bond Connect“-Programm. Aufgrund einer ganzen Reihe von Regeln und Bedingungen ist der Prozess für ausländische Investoren jedoch weiterhin umständlich.

Die Aufsteiger des neuen Zeitalters

Das starke Wachstum von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum in den letzten Jahren hat zu Spekulationen geführt, dass die Digitalisierung die internationale Vormachtstellung des Dollar aushöhlen könnte.

Während alle bisher genannten Währungen (mit Ausnahme von Gold) von einer Zentralbank und letztlich von einem Staat (oder einem Zusammenschluss von Staaten) gestützt werden, ist dies bei Kryptowährungen nicht der Fall. Genau das betrachten Befürworter als ihren größten Reiz: Da sie ohne eine zentrale Instanz auskommen, bieten sie eine Freiheit, die Fiat-Währungen nicht bieten können. Anstelle einer zentralen Autorität dienen kryptografische Methoden zur Verifizierung von Transaktionen.

Aufgrund ihrer Volatilität sind Kryptowährungen jedoch unberechenbare Investitionen. El Salvador, das als erstes Land Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat, hat die Tücken der Kryptowährung schmerzhaft zu spüren bekommen. So scheinen Kryptowährungen eher zu Spekulationszwecken gehalten zu werden und weniger als Tauschmittel. Ihre Unreguliertheit stellt ebenfalls ein Risiko dar, wie der jüngste Fall des Gründers der insolventen Kryptobörse FTX, Sam Bankman-Fried, gezeigt hat.

Abgesänge auf den Dollar sind verfrüht

Wie sieht die Zukunft des Dollars angesichts der sich abzeichnenden geopolitischen Fragmentierung aus? Nach Ansicht von Naylor-Leyland hat das Finanzsystem noch nicht realisiert, welche Tragweite die Umwälzungen haben, die durch das Einfrieren russischer Vermögenswerte angestoßen worden sind. Noch würden US-Staatsanleihen als „risikofreie“ Sicherheiten verwendet. Dem Investmentexperten zufolge wird sich die Welt aber zunehmend dem Gold zuwenden.

Die Welt hat sich in den letzten 50 Jahren enorm verändert. Wenige Jahre nach der Umstellung auf variable Wechselkurse hatte der Dollar einige Probleme, da die hohe Inflation der späten 1970er Jahre seinen Wert untergrub. Seither ist es der Fed gelungen, die Inflation mehr oder weniger stabil zu halten.

Die Spekulationen über die Rolle des Dollars im globalen Finanzsystem dürften in den kommenden Jahren andauern. Eine sichere und zuverlässige Alternative ist derzeit jedoch nicht in Sicht. Das Vertrauen in den Dollar zeigt sich darin, dass die Anleger selbst in Krisenzeiten wie während der globalen Finanzkrise und der Corona-Pandemie Zuflucht in Dollar-Anlagen suchten.

Von Ned Naylor-Leyland, Vikram Aggarwal und Xuchen Zhang, Investment Experten für Gold und Silber bei Jupiter Asset Management

HINWEIS: Als spezialisierter High-Conviction-Vermögensverwalter hat Jupiter keine Hausmeinung, die Vorgaben zu Positionen macht, und dieser Artikel spiegelt die Ansichten der einzelnen Fondsmanager wider.) 

Referenzen

A Central Banker’s Guide to Gold as a Reserve Asset - Second edition | World Gold Council

China’s renminbi pips Japanese yen to rank fourth in global payments (ft.com)

The dollar’s international role: An “exorbitant privilege”? | Brookings

Enduring Preeminence (imf.org)

Revisiting the international role of the US dollar (bis.org)

Christopher J Waller: The Dollar’s international role (bis.org)

Debt securities statistics publication table: BIS,SEC_C1,1.0

Creation of the Bretton Woods System | Federal Reserve History

Hong Kong Monetary Authority - Norman Chan on Asian Financial Crisis: The Battle to Defend Hong Kong’s Financial Stability (hkma.gov.hk)

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