Die EZB hat am Donnerstag wie erwartet die Leitzinsen unverändert belassen. Der Fokus richtet sich nun auf die kommenden Sitzungen. Präsidentin Lagarde gab nur wenige Hinweise auf mögliche nächste Schritte, was von den Märkten als leicht restriktiv interpretiert wurde. Dem würden wir nicht zustimmen: Ein starker Euro, hohe geopolitische Unsicherheit sowie zunehmende Handelskonflikte sprechen unseres Erachtens durchaus für zumindest eine weitere Zinssenkung, zumal die EZB ihren Risiko-Szenarien künftig mehr Gewicht verleihen möchte.
Langfristig wird die Entwicklung der Arbeitsmärkte ein zentrales Thema für Notenbanken und Investoren sein. Diese haben sich in den vergangenen Jahren strukturell verengt, bedingt durch alternde Bevölkerungen und eine wachsende Zahl von Erwerbstätigen, die den Arbeitsmarkt verlassen. Das Problem: Die europäischen Arbeitsgesetze sind für diese neue Ära schlecht gerüstet, da sie weiterhin Arbeitsplatzsicherheit über Flexibilität stellen. Aus unserer Sicht trägt auch die geringe Arbeitsmobilität zur wachsenden Produktivitätslücke zwischen Europa und den USA bei. Die USA profitierten bis vor Kurzem noch von einer robusten Nettozuwanderung, die sowohl das Arbeitskräfteangebot als auch das BIP-Wachstum stützte. Die Einwanderungsbeschränkungen unter der Trump-Regierung könnten das Wachstum des Arbeitskräfteangebots jedoch stark abbremsen, möglicherweise bis 2027 auf nahezu null, was das potenzielle BIP-Wachstum um bis zu einen halben Prozentpunkt verringern könnte.
Abschließend betrachten wir das neu verabschiedete GENIUS-Gesetz und dessen weitreichende Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Das Gesetz stärkt den Verbraucherschutz durch erhöhte Transparenzanforderungen und schreibt vor, dass Stablecoin-Emittenten Reserven in liquiden, auf US-Dollar lautenden Vermögenswerten halten müssen. Dadurch wird die Stellung des Dollars als führende globale Reservewährung untermauert. Darüber hinaus fördert das Gesetz Amerikas Ambitionen, ein führendes Zentrum für digitale Innovationen im Finanzbereich zu werden, und könnte grenzüberschreitende Zahlungen grundlegend verändern.
Von Dr. Karsten Junius, Chief Economist, J. Safra Sarasin
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