Die Inflationserwartungen für die privaten Haushalte im Euroraum sind im September weiter deutlich gesunken. Bei den Haushalten liegt die VPI-Inflationserwartung jetzt bei 2,4% für das nächste Jahr und nur noch bei 2,1% für die nächsten drei Jahre. Im August lagen diese Werte noch bei 2,7% bzw. 2,4%. Dies sind große Veränderungen innerhalb nur eines Monats. Sie sind jedoch wahrscheinlich auf den starken Rückgang der Ölpreise im September zurückzuführen. Auch die Daten aus den Unternehmensumfragen sehen weniger schlecht aus als im September. Diese Umfragen deuten zwar immer noch auf eine Stagnation der Wirtschaft hin, aber die Tendenz ist besser. Schließlich erholt sich die Kreditvergabe an den privaten Sektor weiterhin schneller als erwartet. Die Kreditvergabe an den privaten Sektor in Form von M3 bewegt sich allmählich auf ein normales Niveau zu, was darauf hindeutet, dass die Wirkung der geldpolitischen Straffung, die das Eurogebiet in den letzten Jahren erlebt hat, langsam nachlässt.
Diese Daten werden die EZB darin bestärken, die Zinssätze in den nächsten Sitzungen schrittweise zu senken. Die Entscheidungsträger sind sich bewusst, dass die aktuellen Daten eine Auswirkung ihrer früheren geldpolitischen Maßnahmen sind. Aus diesem Grund legt die EZB bei ihren politischen Entscheidungen so viel Wert auf ihre Prognosen. Die Geldpolitik hat lange und variable Verzögerungen, und deshalb ist es wichtig, dass die Politik zukunftsorientiert bleibt. Sowohl die heute veröffentlichten monetären Daten als auch der jüngste starke Anstieg der Hypothekennachfrage, der sich aus der BLS-Umfrage der EZB ergibt, zeigen, dass die Wirkung der geldpolitischen Straffung nachlässt. Diese Daten haben weiterhin eine hohe Vorhersagekraft für die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation auf mittlere Sicht. Die BLS-Umfrage zur Hypothekennachfrage ist ein starker Frühindikator für die Immobilientätigkeit und den Verbrauch langlebiger Güter. Es ist wichtig, dass die EZB die Leitzinsen weiter senkt, um den starken Rückgang der Inflationserwartungen zu stabilisieren, der sich aus den heutigen Daten ergibt. Die EZB sollte alles in ihrer Macht Stehende tun, um die mittelfristigen Inflationserwartungen auf dem Zielwert zu halten.
Die EZB sollte jedoch die mittelfristige Perspektive nicht aus den Augen verlieren. Die monetären Daten deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation im nächsten Jahr erholen werden. Ein wichtiges Risiko ist die US-Zollpolitik: Selbst wenn die neue US-Politik nur zu einer Zollverhandlung mit der Europäischen Kommission führt, wird die Unsicherheit sehr groß sein. Der Optionswert der Unternehmen, mit Investitionen zu warten, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird erheblich steigen. In diesem Tail-Risk-Szenario würden sich die Konjunkturumfragen aufgrund des Stimmungseinbruchs wahrscheinlich weiter verschlechtern. In diesem Fall wäre eine Senkung um 50 Basispunkte im Dezember gerechtfertigt, aber die US-Wahl und die US-Zollpolitik liegen noch vor uns. Auf der Grundlage der heutigen Daten ist es zu früh, eine Senkung um 50 Basispunkte im Dezember zu fordern.
Von Tomasz Wieladek, Chief European Economist bei T. Rowe Price