Die Inflationserwartungen der Verbraucher im Euroraum für das kommende Jahr stiegen im April auf 3,1%. Dies war der zweite Anstieg in Folge, der über den Erwartungen lag, und ein Anstieg um 0,5% gegenüber dem jüngsten Tiefstand im Februar 2025. Diese Entwicklungen stehen eindeutig im Widerspruch zur Disinflationserklärung der EZB, aber aus gutem Grund.
Die Lebensmittelpreise sind seit Jahresbeginn deutlich gestiegen. Die Inflationserwartungen machen 60% der Lebensmittelpreise aus. Und die Lebensmittelpreise im Einzelhandel sind seit Jahresbeginn aufgrund des Anstiegs der weltweiten Lebensmittelpreise gestiegen. Darüber hinaus dürften die Verbraucher Zölle intuitiv mit einer höheren Inflation in Verbindung bringen. Seit der Ankündigung der US-Zölle sind die Ölpreise jedoch um 25% in Euro gefallen. Auch die Preise an den Zapfsäulen haben einen großen Einfluss auf die Inflationserwartungen. Die Inflationserwartungen für das kommende Jahr dürften in den nächsten Veröffentlichungen der EZB-Umfrage zurückgehen. Viel wichtiger für den Kurs der EZB-Zinsen wird die Veröffentlichung der Inflationsdaten für den Euroraum im Mai sein. Hier deuten die Nachrichten darauf hin, dass die Dienstleistungsinflation zurückgeht. Auch die ausgehandelte Lohninflation im Euroraum ist im ersten Quartal 2025 deutlich auf 2,4% gesunken. Schließlich schwächte sich der Dienstleistungs-PMI im Mai erneut ab. Insgesamt wird die EZB diese Veröffentlichung berücksichtigen und den Leitzins bei ihrer Sitzung nächste Woche um 25 Basispunkte senken. Ich gehe davon aus, dass die Daten die EZB letztendlich dazu veranlassen werden, den Leitzins in diesem Jahr auf 1,25% zu senken.
Von Tomasz Wieladek, Chief European Economist bei T. Rowe Price