Aktien-Ausblick: Chancen auch außerhalb der USA

Sinkende Zinssätze, starkes Gewinnwachstum und umfassende Innovationen: US-Aktien haben die weltweiten Aktienmärkte in den letzten zehn Jahren dominiert. Mit Blick auf die Zukunft könnten jedoch Europa und die Schwellenländer wieder stärkere Opportunitäten bieten. Zu dieser Erkenntnis kommt Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group. Die Gründe dafür sieht er in einem stärker diversifizierten Aktienmarkt sowie in mehreren Branchen, die aufgrund der neuen Realität ein Gewinnwachstum verzeichnen könnten. Capital Group | 30.01.2025 12:43 Uhr
Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group / © e-fundresearch.com / Capital Group
Christophe Braun, Equity Investment Director bei Capital Group / © e-fundresearch.com / Capital Group

„Die US-Aktienmärkte sind mit einer Rallye in das Jahr 2025 gestartet“, sagt Braun. „Sie profitieren weiterhin von dem Schwung nach den US-Wahlen sowie einem Umfeld, das von breitem Wachstum geprägt ist.“ Die Pläne der neuen Administration in den USA könnten jedoch nicht nur für Rücken-, sondern auch für einiges an Gegenwind sorgen. Auf der Habenseite stünden Vorschläge für Steuersenkungen, höhere Verteidigungsausgaben und Deregulierung in einer Reihe von Unternehmenssektoren, darunter Banken, Energie, Luft- und Raumfahrt sowie Gesundheitsunternehmen.

„Andere Maßnahmen stellen für bestimmte Branchen eine Herausforderung dar“, so der Experte. „Die geplanten Zölle könnten langwierige Handelskonflikte mit wichtigen Handelspartnern auslösen und möglicherweise die Inflation wieder anheizen.“

Europäische Opportunitäten trotz schwachem Wachstum

Auch deshalb lohne sich ein Blick auf den europäischen Kontinent. Zwar leide die Region unter dem Krieg in der Ukraine, den hohen Energiepreisen und der engen Bindung an Chinas schleppende Wirtschaft, doch „die europäischen Unternehmen sind nicht gänzlich von der Gesundheit der heimischen Wirtschaft abhängig“, erläutert Braun. „Viele europäische Unternehmen haben globale Ertragsströme, die von einem starken säkularen Rückenwind profitieren.“

Globale Trends hätten den Grundstein für einen Investitionssuperzyklus gelegt, der Chancen für wendige europäische Industrieunternehmen eröffne. So liege beispielsweise der Flugverkehr heute über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie, was die Nachfrage nach neuen Verkehrsflugzeugen antreibe. Airbus, einer von nur zwei großen Flugzeugherstellern weltweit, habe einen Auftragsbestand, der sich über ein Jahrzehnt erstrecke. Im Bauwesen hingegen biete die wachsende Vorliebe für langlebige Materialien, die die Energieeffizienz steigern und die Kosten senken. „Diese Trends stellen Investitionsmöglichkeiten dar, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken, und wir befinden uns erst am Anfang“, resümiert Braun hinsichtlich der Potenziale des alten Kontinents. „In Europa gibt es einige große Industrieunternehmen, die in Bereichen Fuß fassen, die für ein langfristiges globales Wachstum reif sind.“

Schwellenländer profitieren von Diversifizierung

Das Wirtschaftswachstum in China sei weiterhin ausgesprochen schwach, die Wachstumsraten in anderen asiatischen Ländern sähen allerdings viel gesünder aus. „Dies könnte am ‚China-plus-One-Effekt‘ liegen, bei dem Unternehmen ihre Abhängigkeit von Lieferketten aus einer Hand verringert und ihre Produktionsstätten von China weg diversifiziert haben“, erläutert Braun. Dieser Trend könne einen neuen Schub bekommen, je nachdem, wie sich die Zölle unter der Trump-Regierung entwickeln. Während sich die ersten Diskussionen über die drohenden Zölle auf die negativen Auswirkungen konzentrieren würden, könnten die ASEAN-Staaten zu den möglichen Nutznießern gehören.

„Mehrere dieser südasiatischen Länder haben während und seit der ersten Trump-Regierung positive Auswirkungen des ‚Handelskriegs 1.0‘ erlebt“, so Braun. „Nach unseren Berechnungen ist der Anteil der ASEAN-Staaten an den US-Exporten seit 2018 um vier Prozent gestiegen, während der Anteil Chinas um fünf Prozent gesunken ist.“ Derzeit könnten die asiatischen Länder aufgrund der vergleichsweise niedrigeren US-Zollsätze einen größeren Kostenvorteil gegenüber China genießen: bis zu 60% für China gegenüber 10-20% für die ASEAN-Länder, wobei diese Zahlen noch bestätigt werden müssten.

In der Zwischenzeit gebe es nur wenige Alternativen für die Produktion außerhalb der ASEAN-Länder und Chinas. Der Anteil Chinas an den US-Importen von Produkten wie Telefonen und Kleidung liege immer noch bei über 25%, was bedeute, dass die ASEAN-Länder noch Wachstumspotenzial hätten, wenn die USA eine härtere Gangart gegenüber China einlegen sollten.

Mexiko und Indien hinken hinterher

„Zwar haben auch Mexiko und Indien Anteile an den US-Ausfuhren übernommen, doch sind die Fortschritte im Vergleich zu den ASEAN-Ländern aufgrund von Standort- und kulturellen Nachteilen langsamer“, resümiert der Investment Director. „Es ist jedoch zu erwarten, dass ein ‚China plus One 2.0‘ langsamer und mit milderen Auswirkungen als in der Anfangsphase verlaufen wird.“

In den letzten Jahren habe sich das US-Handelsdefizit mit den ASEAN-Staaten erheblich vergrößert: Im schlimmsten Fall könne dies bedeuten, dass diese Länder mit höheren Zöllen belegt werden, im besten Fall, dass es zu langwierigen Handelsverhandlungen mit anhaltender Unsicherheit kommt.

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