Lange Zeit waren die Notenbanken, und insbesondere die US-Notenbank Fed, die Hauptantriebskraft für die Anleihenmärkte. „2025 wird das anders“, prognostiziert Peter Becker, Fixed Income Investment Director bei Capital Group. Er sieht die Weltwirtschaft am Beginn einer Ära der fiskalischen Dominanz: „Die Fed tritt in den Hintergrund. Stattdessen orientieren sich die Märkte an der anderen dominierenden makroökonomischen Kraft: den Regierungen.“ Fiskalausgaben und -politik – von Handel und Einwanderung bis hin zu Steuern und Regulierung – seien für die künftige Entwicklung von Wachstum und Inflation von großer Bedeutung. „Da die US-Politik im Fluss ist, glaube ich, dass die Volatilität an den Märkten hoch bleiben wird, was sowohl zu einem höheren Risiko als auch zu größeren Chancen für Anleger und aktive Manager führt“, so der Experte. Er nennt fünf Themen, die Anleiheportfolios im Jahr 2025 bestimmen werden.
1. Günstiges makroökonomisches Umfeld
Der Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump und die politischen Veränderungen, die dieser mit sich bringe, könnten dazu führen, dass das US-Wachstum stärker ausfalle als bisher erwartet. „Die US-Wirtschaft dürfte von dem unternehmensfreundlicheren Klima profitieren, das durch mögliche Deregulierung und Steuersenkungen geprägt ist“, sagt Becker. Gleichzeitig könne sich die Inflation als hartnäckiger herausstellen als bisher angenommen, da Zölle und die Einwanderungspolitik das Tempo der Preissteigerungen beeinflussen könnten. Dennoch ist Becker nicht übermäßig besorgt, da eine Reihe von Faktoren dazu beitragen könne, eine potenziell inflationäre Finanzpolitik auszugleichen. Dazu gehöre die deflationäre Wirkung eines starken US-Dollars. Zudem sei es einer Trump-Regierung schon einmal gelungen, Zölle einzuführen, ohne die Inflation anzuheizen.
2. Erhöhte Zinssätze und Zinsvolatilität können Chancen bieten
Becker erwartet, dass die Fed die Zinssätze im Jahr 2025 mit Bedacht weiter senken wird, wenn auch vielleicht nur ein- bis zweimal um 25 Basispunkte. Unter dieser Annahme dürfte die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen zwischen 4 und 5 Prozent liegen. Auch die Zinsvolatilität dürfte hoch bleiben. „In diesem Umfeld kann die Positionierung in der Renditekurve und in der Duration Möglichkeiten bieten, sowohl offensiv als auch defensiv zu agieren“, erläutert Becker. „Die Risiken eines Durations-Engagements erscheinen ausgewogener und könnten mittelfristig attraktiv sein, während die Schwankungen der Zinssätze nach oben und unten Möglichkeiten bieten, sich gegen potenzielle Überreaktionen des Marktes abzusichern.“
3. Anleihen höherer Qualität bieten besseren Wert
Der Renditeunterschied zwischen höherwertigen und minderwertigen Anleihen habe sich stark verringert, und die Risikokompensation sei auf ein historisch niedriges Niveau gesunken. Die geringen Spreads würden Anleiheinvestoren nicht mehr angemessen für das gestiegene Risiko entschädigen. „Ein vergleichsweise kleiner Schock hätte bereits das Potenzial, zusätzliche Erträge zunichtezumachen“, sagt Becker. Der Bewertungsdruck biete Anlegern jedoch die seltene Gelegenheit, die Qualität ihrer Anleihenallokation zu verbessern, ohne dabei Abstriche bei der Rendite zu machen, und möglicherweise sogar eine höhere Rendite zu erzielen. Investment-Grade-Anleihen mit höherer Qualität beispielsweise könnten ähnliche Ergebnisse wie ihre Pendants mit niedrigerer Qualität liefern, böten aber ein viel größeres Potenzial für den Schutz vor Verlusten. „Ich gehe davon aus, dass die Streuung der Kreditqualität in den kommenden Jahren wieder zunehmen und eine defensivere Haltung belohnt werden wird. Qualitativ hochwertige Emittenten in Branchen wie Pharmazeutika, Versorger und erstklassige Finanzwerte können in einem Risk-off-Umfeld aufgrund ihres defensiveren Profils attraktiv sein“, so Becker.
4. Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen dürften sich normalisieren
Da die Inflation mittlerweile viel näher am Zielwert der Fed liege, sei es nicht länger das Bestreben der US-Notenbank, ein langsameres Wachstum zu erreichen. Sie konzentriere sich nun vielmehr darauf, das derzeitige Wachstumsniveau bei stabiler Inflation zu halten. „Dieser Kurswechsel ist für Anleiheinvestoren äußerst wichtig, denn er ist der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, bei der Korrelation zwischen Aktien und Anleihen zu historischen Normen zurückzukehren“, erklärt Becker. Im Falle eines Wachstumsschocks habe die Fed die Möglichkeit, die Zinssätze zu senken, um das Wirtschaftswachstum zu stützen, wodurch die Renditen sinken und die Anleihekurse steigen würden. Hochwertige Anleihen könnten damit in einem potenziell ungünstigen Marktumfeld erneut eine Diversifizierung gegenüber Aktien und anderen Risikoanlagen bieten. „Der potenzielle Diversifizierungsnutzen von Anleihen ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt der Experte.
5. Technische Faktoren sprechen für festverzinsliche Anlagen
Die Nachfrage nach Anleihen dürfte 2025 hoch bleiben. Grund dafür sei unter anderem das hohe Renditepotenzial: „Der Bloomberg US Aggregate Index bietet aktuell eine Rendite von etwa 5% und liegt damit deutlich über seinem 10-Jahres-Durchschnitt von etwa 2,9%“, argumentiert der Experte. Höhere Anfangsrenditen hätten in der Vergangenheit zu höheren zukünftigen Erträgen geführt. Und Anleiheinvestoren könnten potenziell sogar zweistellige Erträge erzielen, wenn die Wachstumserwartungen nachlassen sollten. Diese Kombination aus höherem Ertragspotenzial und überzeugendem Abwärtsschutzpotenzial könne im Jahr 2025 zu einer höheren Allokation in festverzinsliche Anlagen führen. Da sich Aktien und viele andere Assetklassen auf oder in der Nähe von rekordhohen Bewertungen befänden, könnten Anleger außerdem zunehmend versuchen, ihre erheblichen Gewinne zu sichern und sie durch höhere Anleiherenditen zu vermehren. Selbst eine Rückkehr der Anleger zu einer neutralen Aktien-/Anleihenallokation – aktuell seien viele Portfolios angesichts der starken jüngsten Aktienmarktgewinne zu stark auf Aktien ausgerichtet – dürfte zu einer erheblichen zusätzlichen Nachfrage nach festverzinslichen Wertpapieren führen.
Fazit:
Angesichts eines gesunden US-Wirtschaftswachstums, hoher Anfangsrenditen und einer Inflation, die unter Kontrolle zu sein scheint, dürften Anleihen im Jahr 2025 positive Renditen liefern. Zudem habe die Fed reichlich Spielraum, um die Zinsen im Falle eines negativen wirtschaftlichen Schocks zu senken, was zu einem sehr attraktiven Risiko-Ertrags-Profil für hochwertige festverzinsliche Wertpapiere führe. „Anleger haben jetzt die Chance, ein hochwertiges, hochverzinsliches Portfolio aufzubauen, das in verschiedenen Szenarien ein attraktives Ertragspotenzial und einen gewissen Schutz vor Kursverlusten bieten kann“, so Becker abschließend. „Die anbrechende Ära der fiskalischen Dominanz bietet Anlegern und aktiven Managern vielfältige Chancen.“
Von Peter Becker, Investment Director bei Capital Group