Zölle verstehen: Was bedeuten sie für die Wirtschaft?

Capital Group | 28.03.2025 08:23 Uhr
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Eine neue Runde mit Zöllen gegen Kanada, Mexiko und China hat in letzter Zeit Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst, weil Investoren versuchen, die zunehmende politische Unsicherheit und deren Folgen für die Weltwirtschaft einzuschätzen.

Eine genaue Prognose ist schwierig, zumal jeder Tag neue Ereignisse und Entscheidungen bringt. Dazu zählen ständig neue Zollankündigungen und -rücknahmen, ein einmonatiger Aufschub für die Automobilindustrie, eine Pause bei einigen Zöllen gegen Mexiko und die Wahrscheinlichkeit, dass eine Reihe der neu eingeführten Handelsbarrieren reine Verhandlungstaktik sind und nur dazu dienen sollen, andere politische Ziele der Trump-Regierung zu erreichen. Jedes Narrativ kann und wird sich vermutlich schon morgen wieder ändern.

Unser Capital Strategy Research Team beobachtet die Ereignisse sehr genau, analysiert verschiedene Zoll-Szenarien sowie ihre möglichen Folgen und untersucht, ob und wie sie unsere Einschätzung der Märkte und der Wirtschaft beeinflussen könnten. Wir wissen aber auch, dass man – wie einer unser Kollegen es formulierte – manchmal „die Modelle abschalten muss“. Unser Standardmodell zur Analyse der Weltwirtschaft beruht auf Daten, die 40 Jahre zurückreichen. Damit umfassen sie einen Zeitraum, in dem die Welt immer stärker zusammenrückte, nicht auseinander. Wenn man dann noch die enorme Unsicherheit hinzunimmt, befinden wir uns zurzeit in einem Umfeld, in dem jegliche Modellergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind.

Deshalb nutzen wir jetzt diesen „4-Szenarien-Rahmen“ (zusammen mit entsprechenden eingehenden Analysen), um bei unseren Entscheidungen stets mehrere mögliche Auswirkungen auf Wirtschaft, Märkte und Unternehmen zu berücksichtigen.

Für Investoren stellt sich die entscheidende Frage, ob wir am Anfang einer strukturellen Veränderung der politischen Weltordnung stehen oder ob sich nur Trends fortsetzen, die sich bereits seit zehn Jahren aufbauen. Vermutlich ist beides richtig. Der Wahlsieg Trumps bedeutet eine strukturelle Veränderung des Ansatzes, wie die USA mit ihrer führenden Rolle in der Welt umgeht. Zugleich haben wir es aber auch mit Entwicklungen zu tun, die sich in den USA bereits seit Jahren abzeichnen – und die sich aus unserer Sicht fortsetzen werden. In den letzten Tagen ist dies besonders deutlich geworden, und es erklärt auch einen großen Teil Volatilität an den Märkten Ende Februar und Anfang März.

Vor diesem Hintergrund sehen wir vier mögliche Zollszenarien:

Quelle: Capital Group, American Compass. Stand 5. März 2025


1. Abkopplung

Eines der Motive für die jüngsten US-Zölle ist der Wunsch weniger abhängig von singulären Lieferketten zu machen, vor allem von Ländern wie China, das schon seit Jahren im Mittelpunkt des US-Handelskriegs steht. Mit dieser Art von Zöllen sollen Teile der Produktion zurück in die USA gebracht werden.

2. Anpassung

Reziproke Zölle sollen die Handelsbilanz mit anderen Handelspartnern wie der EU, Japan, Mexiko und Kanada ausgleichen. Ziel ist, das US-Handelsdefizit zu senken und diese Länder zu einem ausgewogeneren Handel zu zwingen.

3. Verhandlungstaktik

Die Trump-Administration hat klar gemacht, dass einige Zölle vor allem dazu dienen, andere Länder unter Druck zu setzen, um bestimmte politische Ziele zu erreichen, unter anderem die Eindämmung der illegalen Einwanderung und des grenzüberschreitenden Drogenhandels.

4. Finanzierung

Zölle werden als Einnahmequelle für die US-Regierung betrachtet, die möglicherweise die Folgen von anderen politischen Entscheidungen wie Steuersenkungen und Deregulierung ausgleichen kann.

Diese vier Motive bestimmen auch die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. So dürften Zölle, die aus taktischen Gründen erhoben werden, vermutlich nicht von langer Dauer sein. Hingegen könnten Zölle, die einen umfassenden Abkopplungsprozess unterstützen sollen, lange in Kraft bleiben.

Alles in allem könnten die Trump‘sche Politik enorme Folgen für die US- und Weltwirtschaft haben. Aber solange wir die Einzelheiten nicht kennen und nicht zumindest erste Auswirkungen sehen, lässt sich nur schwer sagen, wohin dies alles führen wird. Sicher ist nur, dass die Märkte sehr volatil sein werden.

Unser Basis-Szenario ist und bleibt, dass die US-Wirtschaft auch 2025 solide wachsen wird, unterstützt von stabilen privaten Konsumausgaben und Unternehmensinvestitionen, die wiederum von stark steigenden Einkommen und Unternehmensgewinnen profitieren. Wir erwarten einen Anstieg des US-BIP um 2,5% bis 3% in diesem Jahr. Allerdings könnten Umfang und Reichweite der jüngsten politischen Entscheidungen diese Prognose teilweise zunichte machen.

Wir waren immer überzeugt, dass man die Wirtschaftsaktivität am besten auf Grundlage von fundamentalen Faktoren wie Einkommen und Gewinne prognostizieren kann. Aber wir müssen auch zugeben, dass die schiere Menge der weltpolitischen Entwicklungen und Ereignissen in den letzten zwei Monaten so viel Unsicherheit ausgelöst haben könnten, dass sich die Wirtschaft so stark von den bislang verlässlichen Fundamentaldaten abkoppelt, wie wir es noch nie erlebt haben. Deshalb ist es für uns als fundamentale Einzelwertspezialisten vielleicht jetzt an der Zeit, die „Modelle einfach abzuschalten“, die Folgen der bislang einzigartigen Ereignisse in Echtzeit zu betrachten und entsprechend zu reagieren.

Von Jared Franz, Volkswirt und Tryggvi Gudmundsson,Volkswirt, Capital Group

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