Geht der KI-Aktienrallye die Puste aus?

Capital Group | 29.04.2025 07:53 Uhr
Jared Franz, Volkswirt bei Capital Group / © e-fundresearch.com / Capital Group
Jared Franz, Volkswirt bei Capital Group / © e-fundresearch.com / Capital Group

Vor 25 Jahren erreichte der technologielastige Nasdaq Composite sein Allzeithoch. Dann platzte die Dotcom-Blase. Daran mögen sich viele Investoren erinnern, wenn sie sehen, dass zahlreiche KI-Aktien nicht mehr von der Stelle kommen.

Steht der KI-Revolution das gleiche Schicksal bevor wie der Dotcom-Ära?

Seit Jahresanfang 2025 sind die Aktienkurse von fünf der Magnificent 7, die enorme Summen in KI investiert haben – Apple, Microsoft, NVIDIA, Amazon und Alphabet – gefallen und liegen hinter dem S&P 500 Index (Stand 20. März).

Zwei Dinge haben bei den Investoren Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Milliardeninvestitionen in den Ausbau von Datenzentren geweckt: Die Nachricht, dass das chinesische Unternehmen DeepSeek ein kostengünstigeres KI-Modell entwickelt hat und die Ankündigung von Microsoft, einige seiner Datencenter-Pläne auf Eis zu legen. Ein dritter Grund ist die allgemeine Marktvolatilität infolge der von der Trump-Regierung verhängten Zölle.

Das sind wichtige Überlegungen, aber nach Ansicht von US-Volkswirt Jared Franz sind überraschende Wendungen bei der Entwicklung neuer Technologien unvermeidbar.

"Wechselnde Phasen von Begeisterung und Enttäuschung sind bei neuen Technologien ganz normal,” erklärt Franz. „Ungewöhnlich bei der KI ist, dass es so schnell geschieht. Alle zwei Wochen kommen neue Modelle heraus. Investoren sollten sich auf weitere Überraschungen einstellen. Aber seien Sie versichert: Langfristig wird KI enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft haben – und auf alles, was wir tun.“

Tatsächlich hat der Technologieausbau die geografische Struktur der US-Wirtschaft verändert. Regionen, die von der digitalen Wirtschaft abgehängt waren, wurden plötzlich interessant, sodass sich hier auch für Unternehmen außerhalb der Technologiebranche neue Chancen boten. Im Folgenden nennen wir vier Faktoren, die man bei der Evaluierung der Auswirkungen der KI und möglicher Chancen berücksichtigen sollte.

1. KI verändert den Mittleren Westen

Trotz schwankender Aktienkurse investieren die Unternehmen weiter stark. Das zeigt ein Blick auf die Karte.

Made in USA: KI verändert die geografische Struktur der US-Wirtschaft

Die KI-Revolution hat ihr Gesicht verändert. Anfangs ging es vor allem um die Cloud und vieles fand im Sillicon Vallye und anderen Technologieknoten statt. Heute stehen die Reindustrialisierung und wirtschaftliche Umstrukturierungen im Mittleren Westen, Südwesten und im Nordosten des Landes im Mittelpunkt. Die Suche nach Standorten mit ausreichend Land, Zugang zu zahlreichen Energiequellen und qualifizierten Arbeitskräften hat zu einer enormen Bautätigkeit in Arizona, Texas, Louisiana, Ohio und einer Vielzahl anderer Staaten geführt.

Ein Beispiel ist Columbus in Ohio, das vom KI-Boom profitiert. Hier wurden im Vorort New Albany über 40 Datenzentren auf über 3.600 Hektar Fläche gebaut. Alle Magnificent 7 sind mit Datenzentren in New Albany vertreten, und Intel baut für 28 Milliarden Dollar im selben Industriegebiet eine Halbleiterfabrik.

„Ich habe schon früh in meiner Laufbahn gelernt, dass man 10% Wachstum erst dann glauben darf, wenn man es mit eigenen Augen sieht. Deshalb sind wir gespannt, was aus den Milliardeninvestitionen wird“ sagt Dane Mott, Finanzanalyst von Capital Group, unter dessen Leitung Ende 2024 eine Gruppe von Volkswirten und Politikanalysten Columbus besuchte. „Wir sahen massenweise Kräne, die in den Himmel ragten, mit Abraum beladene Schwerlaster auf den Highways und Baustellen, wohin man blickte.

Es erinnerte mich an meine Reisen nach China vor 20 Jahren“, sagt Mott. „Diese weiten Flächen – ehemals Ackerland und Natur – verwandeln sich scheinbar vor unseren Augen", fügt er hinzu.

Solche Projekte auf dem Land sorgen für Nachfrage, nicht nur nach hochmodernen Halbleitern und anderen wichtigen Technologien, sondern auch nach Strom, elektrischer Ausrüstung, Kühlsystemen, Land und qualifizierten Arbeitskräften.

2. Die Nachfrage lässt nicht nach, sie verschiebt sich

Nach den Berichten im Februar, dass Microsoft einige seiner Datencenter-Pläne auf Eis legt, stellt sich die Frage, ob der KI-Ausbau seinen Höhepunkt erreicht hat.

„Ich denke, die Nachfrage verschiebt sich. In der Industrie ist sie ungebrochen“, sagt Investmentanalyst Nate Burggraf, verantwortlich für US-Industrieunternehmen, die am Bau von Datenzentren beteiligt sind. „Die Nachfrage nach Energiequellen, elektrischer Ausrüstung, HVAC-Systemen und Arbeitskräften ist nach wie vor höher als das Angebot.“

Microsoft hat gesagt, es plane nach wie vor, in diesem Jahr 80 Milliarden US-Dollar in Datenzentren zu investieren, und auch andere Hyperscaler investieren immer noch in großem Umfang. Der Datenbankriese Oracle und der japanische Technologieinvestor Softbank bauen zusammen mit OpenAI Campus, und Meta berichtete über sein Vorhaben, im Nordosten Louisianas ein 2,2-Gigawatt-Datenzentrum für 10 Milliarden US-Dollar zu errichten.

Die Nachricht von Microsoft scheint kein Hinwies auf eine Änderung der Art seiner KI-Investitionen, erklärt Burggraf. Es gibt zwei KI-Workloads: Trainingsmodelle, die der Kern der KI sind und Inferenzmodelle, die in der Regel kleinere, regionalere Rechenzentren mit unterschiedlichen Rechen- und Leistungsanforderungen erfordern.

Und dann ist da noch der Durchbruch von DeepSeek. Hier geht es um Trainingsmodelle, die kostengünstiger und mit weniger modernen Chips entwickelt wurden. Auch wenn die Nachrichten Hyperscaler nicht davon abgehalten haben, viel zu investieren, werden effizientere Datenzentren vermutlich Folgen für Industrieunternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette haben.

„Diese Entwicklung könnten das Auftragswachstum und die Preismacht einiger Zulieferer von Kühl- und elektronischer Ausrüstung belasten“, fügt Burggraf hinzu. „Deshalb müssen Investoren ab jetzt sehr genau hinsehen“.

3. Folge den Engpässen

Wo wird innerhalb der Datencenter-Lieferkette am meisten investiert?

Die Datenzentren, also das Rückgrat der KI und der digitalen Wirtschaft insgesamt, sind unterschiedlich konzipiert. Sie können zwischen 200.000 und einer Million Quadratfuß groß sein, und ihr Bau kann Milliarden von Dollar kosten, wobei das meiste für die Technologie, also auch für Server und riesige Mengen von Halbleiter gebraucht wird. Sie müssen Zugang zu viel Strom haben, weil die KI-Ausrüstung sieben oder acht mal so viel Energie benötigt wie die Cloud und andere weniger komplexe Computing-Aufgaben.

Wohin fließen die Investitionen in KI-Infrastruktur?

Außerdem wird Kapital für die Grundstücke, die Stromversorgung einschließlich Generatoren, Transformatoren und Schaltanlagen gebraucht sowie für Kühlanlagen, die eine Überhitzung der Server verhindern.

Durch die bislang einzigartige Nachfrage nach Datenzentren sind Engpässe entstanden. Investoren, die diese sowie die Unternehmen schnell erkennen, die hier Abhilfe schaffen können, sind im Vorteil. „Vor einem Jahr gab es überall in der Lieferkette Engpässe,“ sagt Burggraf. „Einige wurden schneller beseitigt als andere.“

Beispielsweise übersteigt die HVAC-Nachfrage noch immer das Angebot, aber die Lage entspannt sich. Die Lieferzeiten werden kürzer. HVAC-Hersteller wie Carrier Global, AAON und Modine Manufacturing planen, ihre Kapazitäten auszubauen. „Auch die Lieferzeiten von Ausrüstung für die Stromversorgung (Transformatoren, Schaltanlagen zum Schutz der Server) haben sich verkürzt. Aber noch immer ist die Nachfrage größer als das Angebot“, erklärt Burggraf.

In zwei Bereichen gibt es noch akute Engpässe: Stromerzeugung und Arbeitskräfte. In einigen Regionen dauert die Wartezeiten auf den Anschluss an das Stromnetz ganze sechs Jahre. GE Vernova zum Beispiel braucht nach eigenen Angaben bis 2029, um seine Aufträge für Hochleistungsgasturbinen abzuarbeiten. Das Unternehmen stellt – ebenso wie seine Wettbewerber Caterpillar und Cummins – auch kleinere Turbinen her, die in kleineren regionalen Datenzentren eingesetzt werden.

In puncto Fachkräfte suchen Unternehmen schaffen Comfort Systems und Quanta Services neue Stellen für Techniker, die HVAC-Systeme und Stromanlagen installieren und Übertragungs-/Verteilersysteme bauen können.

4. Bei Innovationen gibt es immer Überinvestitionen

Der Durchbruch von DeepSeek hat die KI-Welt in Aufruhr gebraucht, sodass sich Investoren fragten: Sind so hohe Investitionen notwendig und überhaupt sinnvoll? Zweifellos sind die Tech-Giganten, die in ihrem Streben nach KI-Marktführerschaft massiv investieren, in der Lage, dies fortzusetzen. Und weil sich die Technologie weiterentwickelt und sich die Wettbewerbssituation verändert, besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass zu viel investiert wird, meint Franz.

„Man sollte aber nicht vergessen, dass Überinvestitionen bei Innovationen kein Makel sondern völlig normal sind“, sagt er. Irgendwann werden sich die Unternehmen darauf verlegen, effizienter zu investieren. Natürlich wird es langfristig KI-Gewinner und -Verlierer geben. Aber keine der Übertreibungen dürfte aus einem der Akteure eine zweites Global Crossing machen, ein Dotcom-Telekommunikationsunternehmen, das dafür bekannt wurde, dass es zunächst massiv in Telekommunikationsinfrastruktur investiert und dann Konkurs angemeldet hatte. 

Anders als Global Crossing, das niemals die Gewinnzone erreicht hat, erzielen die heutigen Technologie-Hyperscaler solide Erlöse und freien Cashflow. Ein zweites Cisco Systems, das im März 2000 das wertvollste Unternehmen der Welt war, ist aber durchaus möglich. Heute gilt Cisco Systems als wichtiger Akteur im Bereich Internet- und Cloud-Infrastruktur, aber seine Marktkapitalisierung ist nach wie niedriger als 2000. Fazit: Bei Anlagen in großartige Unternehmen muss man auf die Bewertung achten.

Häufig dauert es Jahre, bis sich eine neue Technologie in der Produktivität niederschlägt

Auch wenn die KI-Infrastruktur in Lichtgeschwindigkeit ausgebaut wurde, nutzen bislang noch nicht viele Unternehmen KI. „Die Verbreitung neuer Technologien kann dauern, weil die Nutzer neue Prozesse lernen müssen“, fügt Franz hinzu. „Die wirtschaftlichen Vorteile zeigen sich möglicherweise erst nach Jahren.“

KI kann zu einer Allzwecktechnologie werden, mit Auswirkungen auf erheblich mehr Branchen als Technologie, Energie und Industrie. „Ich denke, sie wird in den nächsten zehn Jahres alles verändern, was wir tun“, so Franz abschließend.

Auch für Investoren kann sie alles ändern.

Von Jared Franz, Volkswirt bei Capital Group

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