LAIQON Research Spotlight:„Die Bundestagswahl ist eine riesige Chance für die Wirtschaft“

Erfahrungen aus dem Austausch mit 35 börsennotierten Unternehmen in Deutschland – Interview mit Robert Barnjak, Fund Manager Equity, Vice President der LAIQON-Gruppe LAIQON | 21.02.2025 08:00 Uhr
© Foto von Maheshkumar Painam auf Unsplash
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Ein breit angelegtes Konjunkturprogramm, ein Abbau der überbordenden Bürokratie und eine Reform der Schuldenbremse: Unternehmen in Deutschland erhoffen sich von einer neuen Bundesregierung umfassende Maßnahmen, um die strauchelnde Wirtschaft zu stützen. 

Die Bundestagswahl ist eine große Chance, für den gesamten deutschen Aktienmarkt, meint Robert Barnjak Fund Manager Equity, Vice President der LAIQON-Gruppe, sofern sie zu einer konsequenten Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führt. In den vergangenen Wochen hat sich der Fondsmanager mit dem Management von 35 börsennotierten Unternehmen ausgetauscht. Seine Erfahrungen daraus, teilt er in folgendem Interview aus der Reihe LAIQON Research Spotlight.

Herr Barnjak, wie sehen die deutschen Unternehmen die aktuelle wirtschaftliche Situation?

Robert Barnjak: Die befragten Unternehmen betonen, dass sie in den letzten drei Jahren von einer Reihe externer Schocks getroffen wurden. Zunächst sorgte der Angriff Russlands auf die Ukraine für sprunghafte Anstiege der Energiekosten, was in Kombination mit den pandemiebedingten Nachwirkungen die Inflation anheizte und zu erheblichen Zinserhöhungen führte. Darüber hinaus belasteten globale Lieferkettenengpässe, welche weltweit zu einem hohen Vorratsaufbau geführt haben, der jetzt abgebaut wird, steigende Frachtkosten sowie eine nachlassende Konjunktur in China – ein Problem, das besonders den exportorientierten Mittelstand trifft – die wirtschaftliche Lage erheblich. Insgesamt zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft seit über zwei Jahren schrumpft – ein Phänomen, das seit der Finanzkrise 2008/2009 so nicht beobachtet wurde. Dennoch nehmen viele Unternehmen erste Anzeichen einer allmählichen Normalisierung der Rahmenbedingungen wahr. 

Werden die viel diskutierten politischen Rahmenbedingungen dann aktuell gar nicht als Problem wahrgenommen?

Robert Barnjak: Aus Unternehmenssicht wird es immer Herausforderungen durch externe Schocks geben. In den letzten drei Jahren haben sich jedoch besonders viele davon aneinandergereiht. Die Unternehmen können damit grundsätzlich umgehen, insbesondere der deutsche Mittelstand, welcher ja für seine Innovationsfähigkeit und Weltmarktführerschaft in zahlreichen Nischen bekannt ist. Aber Unternehmen erwarten sich von der Politik auch größtmögliche Rückendeckung bei der Bewältigung dieser Probleme. In den vergangenen drei Jahren wurde diese Rückendeckung von den Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, nicht verspürt. So wird beispielsweise das Abschalten laufender Atomkraftwerke in der Energiekrise kritisch gesehen – hier hätte der Weiterbetrieb eine kostengünstige und stabile Stromversorgung sichern können. Es sind die Bau- und Rückbaukosten, welche den Bau von neuen, großen Atomanlagen wiederrum kostspielig machen. Vielerorts wird dies als Hinweis interpretiert, dass politische Entscheidungen in Deutschland aktuell eher ideologisch als wirtschaftlich pragmatisch getroffen werden. Diese Vorgehensweise wirkt abschreckend auf in- und ausländische Investoren, was die ohnehin schwierige Situation zusätzlich verschärft. 

Wird die Politik dann als Verstärker der schlechten Stimmung wahrgenommen?

Robert Barnjak: Dies wird in der Tat so gesehen. Viele Unternehmen führen an, dass öffentliche Streitigkeiten innerhalb der Regierungsparteien sowie das häufige Brainstorming über Förderideen ohne konkrete Umsetzung das Vertrauen in die politische Führung untergraben haben. Die politische Uneinigkeit und die zögerlichen Maßnahmen haben die Stimmung zusätzlich negativ beeinflusst. Die Unternehmen hoffen daher auf eine neue, geschlossen agierende Regierung, die nicht in interne Konflikte verstrickt ist und mit klaren, umsetzungsorientierten Impulsen sowohl in Berlin als auch auf europäischer Ebene für Wachstum sorgt. Ebenso wird eine geschlossene, starke Regierung für die Durchsetzung deutscher und europäischer Handelsinteressen in den USA und China benötigt.

Welche konkreten Maßnahmen erwarten die Unternehmen von einer neuen Regierung?

Robert Barnjak: Ein zentraler Kritikpunkt ist die als überbordend empfundene Regulierungsdichte. Beispiele hierfür sind die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und das Lieferkettengesetz, die von vielen als Wettbewerbsnachteil gewertet werden – gerade in Zeiten verschlechterter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Bei einem der SDAX Unternehmen beschäftigen sich neben zahlreichen externen Beratern auch ein halbes Dutzend eigener Mitarbeiter mit der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts. Diese Überregulierung stellt zwar einen kurzfristigen Traum für Berater in Europa dar, schädigt jedoch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen nachhaltig. Zudem fordern Unternehmen, das innovative Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren nicht durch übermäßige Bürokratie gebremst werden. 

Erhofft sich der Mittelstand auch fiskalpolitische Impulse?

Robert Barnjak: Definitiv! Fiskalpolitisch besteht weitgehender Konsens darüber, dass Deutschlands marode Infrastruktur dringend durch breit angelegte Konjunkturprogramme – etwa im Bereich von Straßen, Schienen und Glasfasernetzen – modernisiert werden muss. Immer wieder wird auf deutsche Nachbarländer verwiesen, die erfolgreich in den letzten Jahren Konjunkturprogramme aufgelegt haben und als Vorbild dienen können. Auch der Vergleich, wie weit Deutschland mittlerweile beim Thema Digitalisierung zurück liegt, wird immer wieder gezogen. Beim Thema Investitionen wenden viele Unternehmen ein, dass ihnen die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form als zu orthodox erscheint. Ebenso wie es für die Unternehmen sinnvoll sein kann Investitionen kreditfinanziert zu tätigen, so ist dies durchaus auch für den Staat vorstellbar. Gleichzeitig wird in den Gesprächen jedoch häufig auch als größtes Risiko genannt, dass die Randparteien zusammen eine Sperrminorität erreichen und damit weitreichende Reformen der Schuldenbremse und anderer Gesetze verhindern könnten. Daneben fordern verständlicherweise alle Industrieunternehmen Entlastung auf Seiten der Energiepreise, da diese in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen internationalen Wettbewerbsnachteil geworden sind. Dabei zeigen sich Unternehmen aus dem Erneuerbaren Energien Sektor auch offen für eine Anpassung des EEG. 

Ein Solarparkbetreiber hat mir beispielsweise davon berichtet, dass die eigenen Solarprojekte mittlerweile auch ohne EEG-Vergütung rentabel sind. So liegt die EEGVergütung für Solarprojekte aktuell bei rund 50 € / MWh, während über private Stromabnehmerverträge aktuell rund 60 € / MWh erzielt werden können. Die EEGVergütung stellt für diese Projekte aktuell nur eine Absicherung dar, welche jedoch auch vonseiten der Fremdkapitalgeber nicht mehr benötigt wird und zu einer negativen Stimmung gegen Erneuerbare Energien beiträgt. Hier ist also Potenzial zumindest die Neuprojekt-Förderungen, die nicht mehr benötigt werden, herunterzufahren, um die Kosten der Stromabnehmer zu senken. Außerdem bemängeln Unternehmen die nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung in Deutschland. So sucht ein Technologieunternehmen aus dem TecDax, mit welchem ich gesprochen habe, aktuell aufgrund der zu hohen Steuerbelastung in Deutschland einem neuen Unternehmenssitz. Insbesondere in Zukunftsindustrien sind hohe Investitionen notwendig, um international den Anschluss nicht zu verlieren und diese Investitionen müssen nun mal aus dem Ergebnis nach Steuern finanziert werden. Entsprechend fließen Investitionen und Unternehmenssitze aktuell leider ins Ausland ab. 

Welche Unternehmen und Aktien könnten von entsprechenden Maßnahmen nach der Bundestagswahl profitieren?

Robert Barnjak: Grundsätzlich glaube ich, dass die Bundestagswahl – sofern sie zu einer konsequenten Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führt – eine große Chance für den gesamten deutschen Aktienmarkt darstellt, jedoch insbesondere für mittelständische Unternehmen, welche überproportional hohe Umsatzanteile in Deutschland aufweisen. Die zahlreichen wirtschaftlichen Schocks und die mangelnde Hilfestellung seitens der Politik in den vergangenen Jahren haben sich nicht nur auf die Ergebnisentwicklung der Unternehmen ausgewirkt, sondern auch zu großen Kapitalabflüssen seitens internationaler Investoren geführt, sodass deutsche Mittelständler aktuell auf historisch niedrigen Bewertungen handeln. Die anfangs erwähnte Normalisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die erhofften Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen sollten daher sowohl zu einer Verbesserung der Ergebnisniveaus als auch zu einer Ausweitung der Unternehmensbewertungen führen.

Gibt es denn einzelne Sektoren, welche besondere Chancen bieten?

Robert Barnjak: Klar, die Bauindustrie ist beispielweise ein Sektor, der hervorgehoben werden kann. Die Verfehlung des Ziels 400.000 neue Wohneinheiten pro Jahr zu bauen, wird aktuell regelmäßig im Wahlkampf adressiert. Es ist davon auszugehen, dass sich eine neue Regierung verstärkt für die Erreichung dieses Ziels einsetzen wird. Auch Bauunternehmen nennen Deregulierung immer wieder als einen benötigten Impuls. Die Vorstände dieser Unternehmen wohnen teilweise selber in Gebäuden, welche vor 10 Jahren erbaut wurden und in einwandfreiem Zustand sind, jedoch aufgrund von gestiegener Regulierungsanforderungen heute nur zu deutlich höheren Kosten gebaut werden könnten. Neben den Regulierungen im Bau wird jedoch auch die Mietregulierung als großes Problem bezeichnet. Die Anforderung einen hohen Sozialwohnungsanteil zu erfüllen, macht heute viele Neubauprojekte insbesondere nach den gestiegenen Bau- und Zinskosten unrentabel. Häufig wird zudem der gewünschte Sozialeffekt verfehlt: 

Die Immobilienunternehmen suchen sich unter den unzähligen Berechtigten für eine Sozialwohnung verständlicherweise diejenigen, die finanziell am besten dastehen. Dies sind aber leider auch die Mieter, die eine Sozialwohnung am wenigsten benötigen. Auch die Mietpreisbremse führt zu weniger Wohnungsneubau aufgrund der schlechteren Rentabilität der Projekte. Vermietungsunternehmen berichten auch davon, dass Privatpersonen teilweise mehrere Wohnungen anmieten, welche von den Wohnungskonzernen regulatorisch bedingt zu einem künstlich zu niedrig gehaltenem Mietpreis angeboten werden, und diese Wohnungen dann auf dem Schwarzmarkt teuer weitervermieten. 

Die Bauindustrie kann daher als exemplarisch für die deutsche Wirtschaft und Aktienmarktlandschaft gesehen werden: Sie hat stark unter hoher Inflation und gestiegenen Zinsen gelitten, welche zudem auch die Belastung durch die seit Jahren bestehende Überregulierung offenbart haben und konnte sich keiner Rückendeckung durch die Politik erfreuen, weswegen auch internationale Kapitalgeber ihre Vermögen abgezogen haben. Die potenziell synchrone Verbesserung all dieser Punkte nach der Bundestagswahl – eventuell auch verstärkt durch eine Waffenruhe in der Ukraine – stellt aus meiner Sicht die größte Chance für deutsche Unternehmen und deren Aktien in den letzten 20 Jahren dar.

Von Robert Barnjak, CFA, CAIA, Team von Markus Wedel Fund Manager des LF – Active Value Selection 

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