Wie es nun weitergehen soll ist unklar. Die Formel der Gläubiger, dass es nur dann ein drittes Hilfsprogramm gibt, wenn Reformen versprochen werden, bleibt sicherlich aufrecht. Ohne Hilfszahlungen kann Griechenland aber nicht nur seine Schulden nicht bedienen, sondern auch die Ausgaben nicht bestreiten. Mittlerweile dürfte die Primärbilanz, also das Staatsbudget exklusive Zinszahlungen, wieder negativ sein. Zudem kann die Europäische Zentralbank die griechischen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für die Notkredite akzeptieren.
Unmittelbar ist also eine Entscheidung nötig, ob die Staaten der Eurozone bzw. der EU die griechischen Staatsanleihen garantieren, damit die EZB weiter Notkredite vergeben kann. So oder so wird die griechische Regierung bald ihre Ausgaben mit Gutscheinen bestreiten. Das ist dann de facto eine Parallelwährung zum Euro, die aber ziemlich rasch an Wert verlieren wird, wenn sie nicht im Verhältnis 1:1 in Euro getauscht werden kann.
Die griechischen Banken bleiben bis auf weiteres geschlossen und die Kapitalverkehrskontrollen bleiben aufrecht. Ohne Hilfszahlungen mit einem zum Stillstand gekommenen Finanzsystem und ohne eigene Währung wird die griechische Wirtschaft abermals in eine schwere Rezession fallen. Funktionierende Banken sind für den Wirtschaftskreislauf eine notwendige Voraussetzung. Ohne eine Erholung der Wirtschaft und ohne Notkredite der EZB bleibt nur noch die Umwandlung der Sparguthaben in Eigenkapital übrig, um die Banken zu stützen. Oder es folgt ein Währungsreform, d.h., eine Umwandlung des Euro-Bargelds, der Euro-Bankguthaben und der Euro-Verbindlichkeiten in eine neue Währung.
De jure wird Griechenland auf absehbare Zeit Teil der Eurozone bleiben. Aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen und der wahrscheinlichen Einführung einer Parallelwährung hat sich Griechenland aber de facto gestern von der Eurozone verabschiedet.
Gerhard Winzer, Chefvolkswirt, Erste Asset Management
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