Ölpreise – Ende gut, alles gut?

Zwischen Überkapazitäten und Sorgen um das globale Wirtschaftswachstum: Das Team der Templeton Global Equity Group geht den Ursachen für den Ölpreisverfall auf den Grund und wagt einen vorsichtigen Ausblick. Franklin Templeton | 08.02.2016 13:22 Uhr
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Cindy L. Sweeting
Cindy L. Sweeting
Ohne Frage hat der Einbruch der Ölpreise zu finanziellen Verwerfungen geführt, und bei Produzenten mit zu hohen Schulden oder hohen Kosten ist mit Insolvenzen und Kreditereignissen zu rechnen. Für besser kapitalisierte Ölunternehmen aber kann der Preisverfall sehr hilfreich sein, denn sie können in Not geratene Konkurrenten und deren Reserven aufkaufen, statt viel Geld für die Suche nach neuen Ölquellen an unerschlossenen Standorten auszugeben.
Fast geschlossen gehen Anleger derzeit davon aus, dass es einen Teufelskreis gibt, in dem fallende Ölpreise eine globale Wachstumsverlangsamung auslösen, die ihrerseits zu noch weniger Energienachfrage und dadurch zu weiteren Preisrückgängen bei Öl führt. Die Geschichte und ökonomische Analysen lassen jedoch eine Tendenz zur Selbststabilisierung erkennen, da billiges Öl die Wirtschaftsaktivität stützt und die Energienachfrage moderat erhöht. Zudem lassen niedrigere Ölpreise und ihre dämpfende Wirkung auf die Inflation unserer Meinung nach die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die globalen Zentralbanken ihre lockere Geldpolitik beibehalten werden. Der rapide Rückgang der Ölpreise war also mit Sicherheit disruptiv, doch eine Stabilisierung von der derzeitigen Talsohle aus dürfte sich positiv auf das Wirtschaftswachstum niederschlagen, selbst wenn der Ölpreis nicht mehr über 100 US-Dollar pro Fass steigt, wie im Jahr 2014.

Tony Docal
Tony Docal
Die Ölpreise sind ein Symptom der anhaltenden Sorge am Markt, dass Produktion, Handel und Investitionen in den Industrieländern trotz massiver Liquiditätsspritzen der Zentralbanken stagnieren. Die Realität ist unserer Meinung nach jedoch, dass die Weltwirtschaft noch dabei ist, die deflationären Auswirkungen des Abbaus der Überkapazitäten und des Überangebots abzuarbeiten. Das ist nichts Neues: Weltweit wurden zu viele Produktionskapazitäten aufgebaut, um eine von übertriebener Verschuldung getriebene, nicht nachhaltige Nachfrage zu befriedigen, und nun erfasst die schmerzhafte Korrektur immer mehr Bereiche der Weltwirtschaft. Wir gehen davon aus, dass diese Entwicklung anhalten wird.


Die globale Erholung ist also bestenfalls moderat, und das Trauma der Finanzkrise 2008–2009 noch sehr präsent. Deshalb ist es verständlich, dass die Märkte vor allem das Potenzial für unerfreuliche Schocks im Kopf haben, zumal die Expansion in den Industrieländern bald in ihr siebtes Jahr geht. Die möglichen Schocks reichen von einer harten Landung der chinesischen Konjunktur bis zu einer Rezession in den USA, wo sich der Öl- und der Produktionssektor in Schwierigkeiten befinden und wo der nichtsubventionierte Preis für Geld allmählich wieder eine Rolle spielt.

Geopolitische Auswirkungen

Chris Peel
Chris Peel
Auch die geopolitischen Risiken nehmen erkennbar zu – der Nahe Osten ist derzeit mit Sicherheit in einem fragilen Zustand. In der Tat ist die Liste der potenziellen und tatsächlichen Konfliktherde groß: Bürgerkriege in Syrien, dem Jemen und in Libyen, Zunahme der Terroranschläge in zahlreichen Ländern sowie Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien, um nur einige zu nennen. Der Verfall der Ölpreise bedeutet erheblichen Druck für die geopolitische Lage in Nahost. Geringere Öleinnahmen in den Exportländern haben die Regierungen veranlasst, Maßnahmen zum Schutz ihrer Haushaltssituation zu ergreifen. Zunehmend geraten auch an den US-Dollar gebundene Währungen in den Fokus–- es gibt Spekulationen, dass einige dieser Bindungen aufgegeben werden könnten, wenn die Ölpreisschwäche über einen längeren Zeitraum anhält. Die meisten der großen ölexportierenden Länder in Nahost haben allerdings in Zeiten höherer Preise erhebliche Reserven aufgebaut und einen im Vergleich zu ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) niedrigen Schuldenstand. Damit dürften sie unserer Ansicht nach in der Lage sein, einen gewissen, wenn auch nicht endlos langen, Zeitraum mit niedrigeren Ölpreisen zu überstehen.


Irak, Iran, Libyen und Saudi-Arabien machen zusammen ungefähr 20% der weltweiten Rohölproduktion aus. Trotzdem scheint in den aktuellen Ölpreisen, wenn überhaupt, nur ein kleiner Aufschlag für das geopolitische Risiko eingepreist zu sein. Sollten die Spannungen weiter eskalieren und zu Störungen bei der Ölversorgung führen, könnte der aktuelle Puffer des globalen Überangebots schnell in das Gegenteil umschlagen. Dies ist nicht unser Basisszenario, doch es liegt darin mit Sicherheit ein Aufwärtsrisiko für den Ölpreis, das wir derzeit nicht eingepreist sehen.

Wie weit könnte Öl noch fallen?

Bekannt ist, dass derzeit mehrere Faktoren zum Überangebot bei Öl beitragen. Zu einem bereits überversorgten Markt kamen der massive Anstieg der US-Schieferölproduktion in den vergangenen Jahren sowie die Entscheidung der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und insbesondere SaudiArabiens, die Produktion nicht zu drosseln. Die nach der Aufhebung der Sanktionen anstehende Rückkehr des Iran an den Markt könnte das Überangebot weiter erhöhen. Damit sich die Ölpreise normalisieren, muss der Markt irgendwie von der überschüssigen Produktion befreit werden.

Allerdings sollte das Überangebot unserer Meinung nach in einem breiteren Kontext gesehen werden. Nach Schätzungen liegt es derzeit insgesamt zwischen 1 und 1,5 Mio. Barrel Öl pro Tag. Bei einem weltweiten Verbrauch von rund 94 Mio. Barrel am Tag macht das Überangebot also nur etwa 1 bis 2%1 aus, was bei der aktuellen Wachstumsrate nur der Zunahme der Nachfrage in einem Jahr entspricht. Das ist weitaus weniger als in den 1980er Jahren, als die OPEC und Saudi-Arabien eine ähnliche Marktanteilsstrategie verfolgten.

Mit einem gesteuerten Förderrückgang von etwa 4–5% bei bestehenden Ölbohrungen und sinkenden Investitionen der Branche ist es unserer Meinung nach unvermeidlich, dass Angebot und Nachfrage bei Öl ein neues Gleichgewicht finden werden. Auf kurze Sicht glauben wir allerdings, dass der Ölpreis so weit sinken muss, dass das Überangebot vom Markt verschwindet. Dieser Prozess hat bereits begonnen, auch wenn er länger dauert, als viele erwartet haben. Viele Anleger fragen sich, wie weit die Preise noch fallen können. Unserer Ansicht nach wird sich das neue Gleichgewicht umso schneller einstellen, je billiger Öl kurzfristig noch wird, denn dies macht es für manche Produzenten unwirtschaftlich, ihre aktuelle Förderung beizubehalten. Nach manchen Prognosen werden die Ölpreise auf 20 US-Dollar pro Barrel fallen, was sicher nicht unmöglich ist. Jedoch bringt auf diesem Niveau ein großes Volumen an Rohöl laufende Verluste, was sich stärker auf das Angebot auswirken dürfte, als bislang zu beobachten war.

Die Gesamtinvestitionen der Branche in Exploration und Produktion weltweit sind nach unseren Analysen 2015 wahrscheinlich gefallen und dürften auch 2016 zurückgehen. Dies wäre das erste Mal seit mindestens drei Jahrzehnten, dass die Ölindustrie in zwei aufeinander folgenden Jahren weniger investiert.

Wie oben erwähnt, verfügen große staatliche Produzenten nicht über genügend finanzielle Ressourcen, um niedrige Ölpreise unbegrenzt lange zu verkraften. Saudi-Arabien, Russland, Brasilien und Venezuela (die wichtigsten Exporteure) kämpfen alle mit erheblichen Haushaltsdefiziten, die auf niedrigere Ölpreise zurückzuführen sind. Manche Länder haben zwar höhere Reserven als andere, doch die Belastungen sind am Markt bereits zu spüren.

Zum Vergrößern bitte auf den Chart klicken!
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Mit der Zeit erwarten wir deshalb eine Neujustierung des Marktes von einer Welt des Überangebots hin zu einem ausgeglichenen Verhältnis und später vielleicht sogar einer Unterversorgung. Ab diesem Punkt wird der Ölpreis auf ein Niveau steigen müssen, das dafür sorgt, dass neues Angebot auf den Markt kommt, um den natürlichen Rückgang des Fördervolumens auszugleichen und künftiges Nachfragewachstum zu decken. Wann könnte es soweit sein? Unsere Meinung ist, dass das Ungleichgewicht spätestens ab Anfang 2017 durch eine Kombination von verringerter Produktion und zunehmendem Nachfragewachstum allmählich schwinden wird.

Wertpotenziale im Energiesektor finden

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Ähnlich wie der Ölpreis selbst sind auch Unternehmen aus der Ölindustrie am Markt unter Druck geraten. Im Energiebereich konnten wir deshalb zuletzt recht viele günstig bewertete Aktien finden – zum Teil sind die Bewertungen sogar so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Beispielsweise haben wir große integrierte Ölunternehmen mit soliden Bilanzen und ansehnlichen Dividenden identifiziert, die mit der aktuellen Marktunsicherheit zurechtkommen dürften und längerfristig von Kostendeflation und Kapitaldisziplin sogar profitieren könnten. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Explorations und Produktionsfirmen aus den USA, die stark vom Ölpreis abhängen und deutlich profitieren dürften, wenn sich Angebot und Nachfrage normalisieren – die US-Schieferölbranche könnte sich hier unserer Meinung nach mit als Erstes erholen. Trotzdem gehen wir derzeit sehr selektiv vor, da wir natürlich nur in den Unternehmen engagiert sein möchten, die wir für die Überlebenden halten.


Die vielen Risiken, deren Eintreten für manche Marktteilnehmer unmittelbar bevorzustehen scheint, haben zu Beginn des neuen Jahres so etwas wie Untergangsstimmung gebracht. Jedoch wird die kurzfristige Abstimmungsmaschine des Marktes von Stimmungsänderungen angetrieben. Die Herausforderung ist dabei stets, emotionslos, ausgewogen und objektiv zu bleiben, sich weiter auf die längerfristigen Fundamentaldaten zu konzentrieren und darauf zu warten, dass positive Überraschungen und ein Stimmungsumschwung eintreten.

Cindy L. Sweeting, CFADirector of Portfolio ManagementTempleton Global Equity Group

Tony Docal, CFA Deputy Director of Research Templeton Global Equity Group

Chris Peel, CFA Portfolio Manager, Research Analyst Templeton Global Equity Group

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