“Heute ist ein historischer Tag – doch ohne Überraschungen. Nach Auslösung von Artikel 50 haben die Bond- und Währungsmärkte kaum reagiert. Die Renditen zehnjähriger britischer Staatsanleihen sind mit -3 Bp marginal gefallen, während das Pfund Sterling gegenüber dem US-Dollar um 0,1 % sowie gegenüber dem Euro um 0,65 % zugelegt hat.
Die langfristigen Auswirkungen des Brexit auf die Finanzmärkte werden von den Handelsbeziehungen abhängen, doch für Spekulationen ist es noch viel zu früh. Das bestmögliche Szenario wäre konstruktiv und würde jeden Druck auf die Nachfrage in Großbritannien minimieren. Ein erbitterter Scheidungskampf dagegen könnte in eine Rezession führen. In diesem Szenario dürften sowohl die Geld- als auch die Haushaltspolitik darauf ausgerichtet bleiben, die Konjunktur anzukurbeln. Eine weitere QE-Runde der Notenbank sowie eine Lockerung der Steuerpolitik durch die britische Regierung könnten folgen.
Der Austritt aus der EU ist ohne Beispiel. Verbraucher ebenso wie Unternehmen werden der Unsicherheit über die Zukunft wohl mit Vorsicht begegnen. Da der Zugang zum EU-Markt bis 2019 jedoch gesichert ist, dürften britische Unternehmen bis dahin ihre Lager zollfrei auffüllen. Auch die Verbraucher werden vermutlich manche Käufe vorher tätigen, um die mögliche Verteuerung der Importe zu vermeiden. Kurzfristig kann sich also durchaus eine Sonderkonjunktur über die nächsten 12 bis 18 Monate einstellen, jedenfalls solange die Realeinkommen nicht durch steigende Inflationsraten und stagnierende Löhne gedrückt werden.
Im vergangenen Monat lag die britische Preissteigerungsrate erstmals seit 2013 über dem Zielwert der Bank of England, was zum Teil dem deutlichen Wertverlust des Pfundes und dessen Wirkung auf Importe geschuldet ist. Die Notenbank muss nun entscheiden: Sollen sie die Zinsen anheben, um Inflation und Konsum etwas abzukühlen, oder ist es wichtiger, die grundlegendere Wirtschafts- und Investitionsschwäche abzufedern? Es scheint, als ob die Bank of England eher ein Überschießen der Inflation tolerieren wird als eine straffere Geldpolitik zu riskieren – zumal die Bank selbst den Brexit durchaus pessimistisch sieht.“
„Als Anleger müssen wir uns auf zwei Dinge konzentrieren: Ändert sich der zugrunde liegende Wert meiner Investments und, was wichtig ist, wie viel weiß ich überhaupt? Auch in Bezug auf den Brexit können wir nicht vorhersagen, wie sich die Preise bewegen werden.
Seit dem Referendum im vergangenen Juni hat sich tatsächlich sogar wenig geändert. Vor der Abstimmung machten düstere Zukunftsprognosen die Runde. Die Rede war von Rezession alleine aufgrund der Unsicherheit, die mit dem beispiellosen Schritt Großbritanniens einher geht. Die Daten zeigen aber, dass sich dieses Szenario nicht verwirklicht hat. Der Arbeitsmarkt wächst, die Zahl der Arbeitslosen ist nahe ihres 40-jährigen Tiefpunktes und das durchschnittliche Ertragswachstum der privaten Haushalte ist in der zweiten Jahreshälfte sogar gestiegen.
Lediglich bei den Preisen von Vermögenswerten haben wir eine Reaktion gesehen. Unternehmen mit einer Ausrichtung auf Großbritannien wurden abgestraft. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Britische Unternehmen haben heutzutage einen großen inländischen Markt und ihre Aktienkurse handeln aufgrund der mit Brexit verbundenen Angst immer noch mit erheblichen Nachlässen. Hier bieten sich uns deshalb Anlagegelegenheiten.
Darüber hinaus sind wir weniger auf spezifische Aussichten fixiert und konzentrieren uns stattdessen auf das, was die Märkte im Augenblick glauben, sowie auf die Risiken und möglichen Überraschungen. Aus meiner Sicht kommt den Löhnen hier eine entscheidende Rolle zu. Die Zentralbanken haben bereits angekündigt, schnell wachsende Löhne mit Zinserhöhungen zu kontern. Das sollte für die Erwartungen der Menschen ein Schock sein. Jeder geht im Moment von einem langsamen und stetigen Lohnwachstum aus. Ein schnelles Lohnwachstum ist momentan nicht eingepreist. Daher würde ich sagen, dass hier der Schlüsselfaktor für potenzielle Schwachstellen liegt. Beobachten Sie die Löhne, dann wissen Sie, wo die Zinsen hingehen.“