1. Die Eurozone ist intakt
2012 hätten eine ganze Reihe Anleger und Ökonomen keinen Cent auf das Fortbestehen der Eurozone gewettet. Nach der Überzeugung vieler müssten sich die Peripherieländer entweder unter Druck aus der gemeinsamen Währung verabschieden oder Kerneuropa würde gehen. Womöglich ist es das größte Verdienst der EZB, dies verhindert zu haben: Kein Land ist aus dem Euro ausgetreten – und heute sind die Märkte deutlich weniger besorgt.
2. Die Peripherie ist wieder am Markt
Vor fünf Jahren hatten die Refinanzierungskosten der Euro-Peripheriestaaten schwindelerregende Höhen erreicht. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen aus Spanien lag bei 7,5%, die italienischer Titel bei 7%, während Portugal auf ein Niveau von 11% und Griechenland sogar auf 27% gestiegen war. Das spiegelte zumindest teilweise das Risiko einer Rückkehr zu den alten nationalen Währungen wider. Als letzte Instanz und „lender of last resort“ hat es die EZB vermocht, den Markt für Länder wie Spanien und Italien wieder zu öffnen und ihre Refinanzierungskosten zu senken. Allmählich haben auch (zumindest einige) Strukturreformen, geldpolitische Anreize und neues Wirtschaftswachstum die Chancen der Peripherieländer erheblich verbessert. Die Rückkehr Griechenlands an den Anleihemarkt zeigt diesen Wandel sehr deutlich.
3. Das Wachstum ist zurück
Die ultralockere Geldpolitik der EZB bestraft Sparer, verringert die Kreditkosten und motiviert Anleger, Risiken einzugehen. Das hat die Verbraucher optimistischer gestimmt, den Konsum angeregt und die Assetpreise in die Höhe getrieben. Gerade hat die Eurozone weltweit mit ihren überdurchschnittlich guten Wachstumsdaten überrascht, und das gestern veröffentlichte neue Rekordhoch des Ifo-Geschäftsklimaindex könnte bedeuten, dass das Wachstum auf rund 3% in der zweiten Jahreshälfte steigt.
4. Die Inflation bleibt ein Problem
Aber: Trotz Stabilisierung der Eurozone, gesunkener Kreditkosten und einem positiven Konjunkturausblick verfehlt die EZB weiterhin ihr Inflationsziel von nahe, aber unter 2%. Zwar scheint die Inflationsrate sich wieder in Richtung Preisstabilität zu bewegen – doch das geschieht nur sehr langsam. Jegliche Straffung der EZB-Geldpolitik wird vermutlich ein langwieriger Prozess werden.
5. Die EZB hat ihre Bilanz mit einem Schuldenberg aufgebläht
Das Anleihekaufprogramm der EZB, eingeführt im Januar 2015, sollte 1,1 Billionen Euro in den Markt pumpen und damit die Gefahr einer Deflationsspirale eindämmen, nachdem sie den Anlagezins für Geschäftsbanken 2014 auf unter Null gesenkt hatte. Trotzdem war die EZB schließlich gezwungen, das Kaufprogramm noch weiter auszudehnen und sitzt inzwischen auf einem Anleihevolumen von 4 Billionen Euro. Ein Rückzug aus dieser Geldpolitik dürfte schmerzhaft werden, auch wenn er nach Mario Draghis Willen graduell erfolgt – auch in der EZB selbst sorgen sich manche über die negativen Auswirkungen für das Bankensystem und die „Kreditabhängigkeit“ der Eurozone.
6. Und die Politik?
Populistische Strömungen scheinen viele Industrieländer erfasst zu haben, doch die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und den Niederlanden haben diesen Trend für die Eurozone zunächst einmal gestoppt. Allerdings könnte Italien mit seiner schwachen Wirtschaft bei den Parlamentswahlen 2018 durchaus für Verstimmungen sorgen. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist zwar etwas gefallen, ist aber vor allem bei jungen Arbeitnehmen immer noch hoch.
Nach unserer Beobachtung ist sich die EZB sehr bewusst, dass sie die Grenzen der Geldpolitik fast erreicht hat. Und nachdem ihre Maßnahmen eine wirtschaftliche Erholung in Gang gesetzt haben, die sich selbst tragen kann, dürfte sie für die nächsten fünf Jahre auf ruhigere Zeiten hoffen.