„Vor den italienischen Wahlen an diesem Wochenende zeigt sich, wie deutlich sich der makroökonomische Kontext im Vergleich zu dem früherer Wahlen unterscheidet. Das europäische BIP wuchs im vergangenen Jahr um 2,5 %. Und obwohl Italien etwas hinter dem Rest Europas zurückblieb, verzeichnete es 2017 ebenfalls ein sehr positives Wachstum von 1,5 %.
Die Auswirkungen der bevorstehenden Wahlen auf die Preise italienischer Assets waren bisher minimal. Das ist nicht verwunderlich, wenn man die Kombination zweier positiver Stimmungsfaktoren betrachtet. Erstens hat sich die Wahrnehmung des politischen Risikos seit den französischen Wahlen 2017 erheblich verringert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die gleiche Wahl vor zwei oder drei Jahren als eine der Hauptursachen für die Verunsicherung der Märkte angesehen worden wäre. Aber das ist heute nicht der Fall. Zweitens hat sich die Marktstimmung in Anbetracht des positiven makroökonomischen Umfelds deutlich verbessert.
Was die Aktienmärkte anbelangt, so sind die Bewertungen in Europa im Allgemeinen attraktiv. Der italienische Leitindex FTSE MIB ist tatsächlich einer der günstigsten in der Region. Die Fundamentaldaten rund um den Index sind nach wie vor stark. Und da sich diese nicht verschlechtern, könnte jede Volatilität, die sich aus den Wahlen ergibt, durchaus eine Einstiegsmöglichkeit darstellen, wie wir sie nach dem Verfassungsreferendum 2016 gesehen haben. In Bezug auf die Branchen und für Investoren, die optimistisch auf das aktuelle Wirtschaftswachstum blicken, könnte es interessante Möglichkeiten im lokalen Finanzsektor geben, wo derzeit die Bankerträge steigen und sich die Qualität ihrer Bilanzen verbessert.
Wenn wir uns den italienischen Anleihemarkt und insbesondere die BTPs (Buoni del Tesoro Poliennali), also die Staatsanleihen, ansehen, zeigt sich ein anderes Szenario – je nachdem, wie man als Investor an die Sache herangeht. Für Anleger, die direkt in BTPs mit einer aktuellen Rendite von 2 % investieren, hat das Wahlumfeld eine risikoreichere Konnotation. Die Wirtschaft der Eurozone wächst recht schnell, was sich in einem Aufwärtsdruck auf die Renditen niederschlägt. Darüber hinaus dürfte die Nachfrage nach italienischen BTPs, unterstützt von der EZB, zurückgehen, wenn das QE-Programm zurückgefahren wird.
Anleger, die dagegen auf den Spread zwischen italienischen BTPs und deutschen Bundesanleihen setzen, können sich über das Wachstum der Eurozone freuen. Für sie ist die Umkehrung der expansiven Geldpolitik eine gute Nachricht. Das QE-Programm der EZB hat die Preise vor allem für Bundesanleihen verzerrt, weniger jedoch für BTPs.
Italienische Staatsanleihen werden auf die drei wahrscheinlichsten Szenarien, die sich aus den Wahlen ergeben, unterschiedlich reagieren. Wenn es eine Große Koalition gibt, können wir davon ausgehen, dass die Märkte dies positiv werten und die Spreads sich verringern. Dies wird aber nur langsam passieren, da die politische Unsicherheit für eine Weile bestehen bleiben könnte. Eine Mitte-Rechts-Koalition könnte kurzfristig als stabiler angesehen werden. Aber mittel- bis langfristig wird die Reaktion des Marktes von dem von der Regierung durchgeführten Ausgabenplan abhängen. Das Szenario, das als das unsicherste wahrgenommen wird, wäre ein Sieg der Fünf-Sterne-Bewegung. Dann wäre auf kurze Sicht ein Markteinbruch möglich, wobei sich der BTP-Bundesanleihen-Spread auf 200 Basispunkte ausweiten könnte.
Allerdings war die Fünf-Sterne-Bewegung in letzter Zeit konstruktiver gegenüber der Europäischen Union. Und wenn dieser Trend anhält, werden sich die Spreads mittel- bis langfristig wieder verringern, sobald sich die Märkte an die neue Realität gewöhnt haben.“