Wahltermine sorgen für Nervosität
2019 wird in vielen Ländern ein neues Parlament gewählt – von Nigeria im Februar bis Namibia im November. „Die stärksten Auswirkungen auf die Märkte wird wohl die argentinischen Entscheidung im Oktober haben. Eine Wiederwahl des marktfreundlichen Amtsinhabers Macri würde eher positiv aufgenommen, während Investoren auf einen Sieg der ehemaligen Präsidentin Christina Kirchner eher negativ reagieren dürften,“ sagt Claudia Calich. „Auch andere Wahlen in der Ukraine (März), Indonesien (April), Indien (April/Mai) und Südafrika (Mai) können für Volatilität sorgen.“ In den Ländern, in denen wichtige Wahlen bereits im vergangenen Jahr stattfanden, kommt es nun auf die Umsetzung der gemachten Zusagen an. Wird es zum Beispiel Fortschritte in der Rentenreform Brasiliens und Klarheit bei der mexikanischen Wirtschaftspolitik geben? „Maßnahmen der Regierungen können die jeweils eigenen Risiken eines Landes sowohl erhöhen als auch reduzieren – für Schwellenländer-Anleger ist es am wichtigsten, die schlechtesten Akteure zu vermeiden“, erklärt die Expertin. „Im vergangenen Jahr waren diese nämlich nicht etwa durch ein gemeinsames Thema verbunden, sondern jedes Land fiel durch ein spezielles Problem auf. So belasteten die sinkenden Ölpreise besonders Nigeria, Ecuador und Venezuela. In Argentinien war es der hohe Finanzierungsbedarf und in Sambia und Costa Rica die nicht überzeugenden steuerpolitischen Anpassungen.“
Rohstoffpreise – Symptom oder Ursache?
Obwohl gemeinhin eine starke Verbindung zwischen Öl und den Schwellenländern angenommen wird, ist die Abhängigkeit der einzelnen Länder von den Ölpreisen recht unterschiedlich. Claudia Calich dazu: „Sollten die Ölpreise steigen, werden sich die Leistungsbilanzen der Türkei, Indiens und anderer Importeure verschlechtern, während die Länder des Nahen Ostens und weitere Ölexporteure wie Russland oder Nigeria davon profitieren. Ein deutlicher Rückgang metallischer Rohstoffe hingegen wirkt sich hingegen tendenziell negativ auf die meisten Schwellenländer aus, denn eine solche Entwicklung träfe nicht nur die Exporteure, sondern wäre auch ein Zeichen für eine schwache Nachfrage und damit ein langsameres globales Wachstum. So hatte beispielsweise die Abschwächung des chinesischen Immobilienmarktes negative Folgen für die weltweiten Stahl- und Eisenerzpreise.“
Fundamentaldaten stabilisieren sich
Niedrige Ausfallraten von Unternehmen und die bessere Bonität von Bondemittenten gehörten für die Schwellenmarktexpertin im vergangenen Jahr zu den Lichtblicken: „Mit guten Erträgen und disziplinierten Investitionen haben Unternehmen ihre Schulden letztes Jahr insgesamt reduzieren können. Per Ende Juni lag der Nettoverschuldungsgrad von Unternehmen in Schwellenländern unter dem 2,75-fachen des Gewinns. Zum Höchstwert 2016 hatte die Nettoverschuldung noch das 3,5-fache betragen. Für das laufende Jahr gehen wir davon aus, dass sich die Fundamentaldaten stabilisieren. Bei den hochverzinsten Anleihen könnten sich die Ausfallraten jedoch leicht auf zwei bis drei Prozent erhöhen – im Vergleich zu unter zwei Prozent im letzten Jahr. Mit dieser Einschätzung berücksichtigen wir, dass die wirtschaftlichen Gegebenheiten in einigen Länder wie der Türkei, China und Argentinien schwieriger werden könnten. Dennoch dürften die Ausfallraten unter ihrem langfristigen Durchschnitt bleiben.“
Claudia Calich sieht für das Jahr 2019 Chancen für Anleihen aus Schwellenländern sowohl in Hart- als auch in Lokalwährungen: „Die großen makroökonomische Risiken bleiben uns im Jahr 2019 erhalten, aber die Anleiherenditen in Schwellenländern sind mit rund sieben Prozent für Staatsanleihen in US-Dollar auf dem höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise 2008. Hartwährungsanleihen haben seit 1994 nie negative Renditen in zwei aufeinander folgenden Jahren verzeichnet. Bei Lokalwährungstiteln sieht das zwar anders aus, da Währungsanpassungen oft einige Jahre dauern, abhängig etwa vom Konjunkturzyklus oder der Geldpolitik. Aufgrund der derzeitigen Bewertungen, der in vielen Ländern durchgeführten Anpassung der Leistungsbilanzen und des Anstiegs der Realrenditen glauben wir, dass der Großteil der lokalen Währungskorrektur hinter uns liegt.“