„Der längste Bullenmarkt der Geschichte stirbt nicht nur deshalb, weil er alt ist. Wir sehen zwar Anzeichen für die Spätphase des Zyklus, aber es wirken auch etliche Faktoren stimulierend auf die Aktienmärkte. So wächst die US-Wirtschaft immer noch stark, die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Geldpolitik bleibt expansiv und vor allem bleibt die Verbrauchernachfrage stabil.
Bisher konnten US-Unternehmen in diesem Jahr ihre Erträge durch Wachstum in vielen Bereichen steigern. Auf der anderen Seite aber hat der Druck, Gewinne zu machen, bei den Unternehmen die Bereitschaft gesenkt, Geld auszugeben oder zu investieren. Sollte diese Zurückhaltung zu einer Welle von Herabstufungen führen, könnte das die ohnehin schon vorsichtige Stimmung der Anleger noch weiter trüben. Allerdings wurde auch schon vor den letzten beiden Berichtszeiträumen ein Gewinnrückgang erwartet und am Ende waren die Ergebnisse doch besser.
Auf politisch sensible Branchen achten
Der US-Aktienmarkt bietet auch im Wahljahr Chancen, aber bestimmte Sektoren sind jetzt politisch besonders sensibel. Dazu gehört das Gesundheitswesen: In Amerika sind die Gesundheitskosten viel höher als in anderen Ländern. Daher werden Politiker dazu neigen, in der Hoffnung auf Wählerstimmen eine stärkere Regulierung zu versprechen. Davon wären dann Branchen wie etwa die Pharmaindustrie betroffen. Aber jeder Ausverkauf auf der einen Seite des Sektors würde auf der anderen Seite Möglichkeiten eröffnen – zum Beispiel für den Bereich „Managed Healthcare“.
Politisch relevante Themen wie Kartellrecht oder Datenschutz könnten auch für die großen Technologienamen ein gewisses Risiko tragen. Die kurz FAANG genannten Unternehmen Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet (Google) führten in den letzten Jahren die Entwicklung des S&P 500 an, ihre aktuellen Bewertungen spiegeln jedoch schon die Bedenken hinsichtlich des regulatorischen und politischen Klimas wider. Trotz solider Fundamentaldaten dürfte die Stimmung hier durchwachsen bleiben.
Wir denken, dass US-Aktien die sogenannte „Wall of Worry“ überwinden werden, aber die Renditen dürften nicht mehr so üppig ausfallen wie bisher.
Inverse Zinskurve muss nicht auf Rezession hindeuten
Historisch gesehen ging den letzten sieben Rezessionen zwar eine umgekehrte Zinskurve voraus, aber für sich alleine ist das noch kein Indikator für einen Konjunkturrückgang. Die Zinsstrukturkurve sagt uns etwas über den Zustand der Wirtschaft und gibt Aufschluss darüber, ob die Zentralbank den Fuß auf der Bremse oder auf dem Gaspedal hat. Die Umkehrung, die wir dieses Mal sehen, hat andere Gründe: Normalerweise dreht sich die Zinskurve, wenn Zentralbanken bei langsamem Wachstum die kurzfristigen Zinssätze anheben. Aktuell senken die Zentralbanken die kurzfristigen Zinsen jedoch, obwohl das Wachstum in Ordnung ist. Das Signal wird verzerrt durch eine expansive Geldpolitik, Nervosität der Anleger und den konzentrierten Aktienbesitz großer institutioneller Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherungen. Statt sich auf die Interpretation von Zinskurven zu konzentrieren, halten wir es daher für sinnvoller, stärker die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern zu beobachten.
Die USA bleiben die dynamischste Volkswirtschaft der Welt mit einem günstigeren gesamtwirtschaftlichen Umfeld als andere Industrienationen, wie zum Beispiel Europa. Für Investoren, die sich Sorgen über eine Verlangsamung des globalen Wachstums und geopolitische Risiken machen, bietet der US-Markt eine Reihe defensiverer Möglichkeiten.
Darüber hinaus sind die Chancen, in den USA besonders gut Unternehmen zu finden, die zusätzlich zu angemessenen Erträgen auch ihre Dividenden nachhaltig über die Jahre steigern können - in Zeiten knapper Renditen in allen Anlageklassen ist das eine überzeugende Eigenschaft.“
Ritu Vohora, Investmentdirektor, M&G Investments