„Es deuten viele Zeichen darauf hin, dass die 2020er Jahre ein Value-Jahrzehnt werden könnten. Gründe für diese Einschätzung liegen einmal darin, dass eine Reihe von grundlegenden Einflussfaktoren dabei sind an Schwung zu verlieren oder sogar schon den Rückwärtsgang eingelegt haben. Dazu kommt das unglaublich große Bewertungsgefälle an den Märkten.
Nullzins-Effekt auf Aktienmärkte lässt nach
Das zu Ende gehende Jahrzehnt der langlebigen, stabilen und sicheren Vermögenswerte nährte sich in erster Linie vom 40-jährigen Abwärtstrend der Zinssätze. Die haben nun in den meisten großen Volkswirtschaften ihren Nullpunkt erreicht. Darüber hinaus scheint es Einigkeit darüber zu geben, dass der Flirt mit negativen Zinssätzen nicht dauerhaft ist. Auch die schwere globale Rezession hat die Zinssätze nicht weiter nach unten gebracht. Dieser starke langjährige Einflussfaktor ist also so gut wie ausgeschöpft.
Auf der anderen Seite ist es durchaus wahrscheinlich, dass die enorme Ausweitung der Zentralbankbilanzen, kombiniert mit den umfangreichen Konjunkturpaketen zur Bekämpfung der Covid-19-Auswirkungen, in nicht allzu ferner Zukunft zu einer Inflation führen könnte – kein passendes Szenario für sichere, langlebige Anlagen mit hohen Ratings. Aber auch für unterkapitalisierte Unternehmen ist ein solches Umfeld ungemütlich. Auf der anderen Seite könnten gerade das gute Voraussetzungen für Besitzer sogenannter Hard Assets, wie Rohstoffe oder Immobilien, sein.
Die FAANGS - das Ende einer Ära?
Zu den als sicher geltenden Vermögenswerten der letzten zehn Jahre gehören auch die neuen Monopolisten. Besonders fällt das in den USA auf: Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google (kurz FAANG) und ein paar andere zogen mit ihren scheinbar unaufhaltsam steigenden Aktienkursen eine breite Fangemeinde von Investoren an. So weisen die sieben führenden Unternehmen im S&P500-Index mit 25 Prozent die gleiche kombinierte Marktkapitalisierung auf wie die 383 Unternehmen am unteren Indexende zusammen.
Bedenklich ist, dass diese sieben Unternehmen weniger als zwei Millionen Mitarbeiter beschäftigen, die untere Gruppe hingegen etwa 11,7 Millionen Menschen. Das wirft folgende Fragen auf: Wenn die FAANGs auch im neuen Jahrzehnt zu den Gewinnern zählen, wieviel Marktanteil haben sie dann noch? Und wie sieht eine Gesellschaft aus, in der die ganz Großen so ein beachtliches Stück vom wirtschaftlichen Kuchen abbekommen? Welche Form von Demokratie kann in einem solchen Rahmen überleben? Schließlich wird sich zeigen, an welchem Punkt Politiker, Regulierungsbehörden und auch Bürger entscheiden, ob ein solcher Status unhaltbar oder unerwünscht ist.
Es ist durchaus möglich, dass die oben beschriebenen Anlegerlieblinge weiterhin von einem extrem starken Kreislauf profitieren, bei dem der anhaltende Anstieg der Aktienkurse das Sicherheitsgefühl der Anleger verstärkt und umgekehrt. Wir halten es jedoch für wahrscheinlicher, dass der Markt in der veränderten Welt der 2020er Jahre eine vergessene Lektion neu lernen wird: Die bedeutende Rolle der Bewertung eines Unternehmens.
Die Gewinner und Verlierer des nächsten Jahrzehnts werden andere sein als die der vergangenen Dekade. Das ist beinahe immer so, wie das Beispiel Microsoft eindrucksvoll beweist: Vor zehn Jahren gehörte die Aktie zu den Verlierern der Börse und wurde bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von nahe zehn gehandelt – heute liegt diese Kennzahl bei über 32.“
Richard Halle, Aktienfondsmanager bei M&G Investments