„Zum Thema Steuern: Die Demokraten sind eher die Partei der höheren Steuern und Ausgaben. Um fiskalische Anreize zu finanzieren, ist das Ziel der von Joe Biden vorgeschlagenen Steuererhöhungen, etwa 3,2 Billionen Dollar über zehn Jahre aufzubringen. Die Lohnsteuern für die Sozialversicherung würden steigen, der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer sich von 37% auf 39,6% erhöhen, die Körperschaftssteuer von 21% auf 28%. Das würde zwar besonders den Bankensektor treffen. Dennoch würden die Erhöhungen geringer als unter der Präsidentschaft von Barack Obama ausfallen, als viele US-Unternehmen Kapital im Ausland parkten, um höhere inländische Steuern zu vermeiden. Biden könnte sich außerdem um eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde bemühen. Dies dürfte die diskretionären Ausgaben erhöhen, würde sich aber negativ auf kleine Arbeitgeber und Einzelhändler auswirken, die bereits während der Coronavirus-Lockdowns zu kämpfen hatten.
Zu den Klimakosten: Donald Trump beabsichtigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Biden wird wohl mit ziemlicher Sicherheit Unterzeichner bleiben und einen Plan zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen bis 2050 aufstellen. Biden hat Ausgaben in Höhe von 2 Billionen Dollar über einen Zeitraum von vier Jahren angekündigt, um die Nutzung sauberer Energie im Verkehrs-, Elektrizitäts- und Bausektor deutlich zu erhöhen. Der Vorschlag zielt darauf ab, Wirtschaftswachstum zu schaffen, die Infrastruktur zu stärken und gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen. Unternehmen für fossile Brennstoffe und energieintensive Firmen dagegen werden wohl unter Trump deutlich besser fahren.
Das Gesundheitswesen ist ein weiteres Wahlschlachtfeld. Biden wird wohl politische Maßnahmen zu einem breiteren Zugang zur Gesundheitsversorgung ergreifen. Trump hat unterdessen auch die Rhetorik über die Arzneimittelpreise in den USA verschärft. Er will die Preise, die in den USA im Allgemeinen höher sind, auf internationales Niveau senken. Dies könnte zu einer gewissen Kursvolatilität bei Aktien des Gesundheitswesens führen, je mehr die Wahl naherückt.
Und was ist mit dem Kongress? Bei der Wahl im November wird neben der Präsidentschaftswahl die wichtige Entscheidung darüber fallen, welche Partei beide Kammern der Legislative kontrollieren wird. Das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des US-Senats stehen zur Wahl. Gegenwärtig kontrollieren die Demokraten das Unterhaus und die Republikaner den Senat. Um eine legislative Agenda erfolgreich umsetzen zu können, müssten die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses mehrheitlich vertreten sein.
Und wo bleibt der Enthusiasmus? Umfragen zeigen, dass weniger als ein Viertel der registrierten US-Wähler von Biden begeistert ist; selbst unter seinen registrierten Anhängern ist weniger als die Hälfte von ihnen "sehr" begeistert, obwohl er insgesamt eine breite Unterstützung hat. Dies könnte sich auf die Wahlbeteiligung auswirken, zumal Trump bei seinen Anhängern mit 65% "sehr" begeisternd eingeschätzt wird.
Es wird wahrscheinlich knapp, und somit wird sich Nervosität einschleichen. Investoren werden mit der politischen Unsicherheit kämpfen. Im Bush-Gore-Rennen 2000 ließ eine Nachzählung in Florida das Ergebnis wochenlang in der Schwebe. Der S&P-500-Index fiel damals im Laufe des Novembers um etwa 8%. Die Entscheidung ging an den Obersten Gerichtshof, der für George W. Bush stimmte.
Mit der Zunahme der "Mail-in"-Stimmen in diesem Jahr, deren Auszählung einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ist eine Wiederholung der Wahl von 2000 möglich. Wenn es Anzeichen für einen Wahlbetrug gibt, könnte jeder Kandidat die Annahme des Ergebnisses verweigern und die Wahl könnte wie 2000 vom Obersten Gerichtshof entschieden werden. Die Amtseinführung des nächsten US-Präsidenten wird zwar erst am 20. Januar 2021 stattfinden, aber ein umstrittenes Ergebnis würde die Märkte zweifellos verunsichern, bis es einen legitimen und offiziellen Sieger gibt.“
Randeep Somel, Associate Portfolio Manager im Aktienteam von M&G Investments