Wolfgang Bauer, Fondsmanager bei M&G Investments:
„Powell erhöht das Tempo und führt eine Zinserhöhung um 0,5 % durch, nimmt gleichzeitig aber eine Anhebung um 0,75 % in den folgenden FOMC-Sitzungen de facto vom Tisch. Damit versucht er eine weiche Landung zu erreichen. Er möchte nicht als derjenige Notenbanker in Erinnerung bleiben, der die Inflation außer Kontrolle geraten ließ – aber er möchte auch keine Rezession auslösen. Für Powell ist das allerdings ein riskantes Unterfangen. Gelingt ihm die Gratwanderung, wäre dies sein größter Triumph.
Doch die Gefahr besteht darin, dass sich Zinsschritte um ein halbes Prozent als unzureichend erweisen, um die galoppierende Inflation in den USA einzudämmen. Dann würde die Fed „hinter der Kurve“ bleiben, also der Entwicklung hinterhereilen, und im weiteren Verlauf würden aggressivere – und somit schmerzhaftere – Schritte erforderlich. Powells Vermächtnis wäre in diesem Fall beschädigt.“
Auch M&G-Fondsmanager Ben Lord kommentiert die FOMC-Sitzung: „Die Inflation ist mit 8,5 % eindeutig zu hoch, zumal die Beschäftigungszahlen immer noch gut sind. Die Fed konzentriert sich ganz darauf, die Inflation zu senken. Das deutet auf eine Reihe von Zinserhöhungen hin. Man kann daraus sogar schließen, dass eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit erwünscht ist. Schließlich geht die Inflation jeden an. Die Arbeitslosigkeit betrifft dagegen, wenn die Politik richtig umgesetzt wird, nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Daher liegt der Schwerpunkt natürlicherweise hier.
Die Anzahl und das Ausmaß der Zinserhöhungen hängen letztlich davon ab, wie sich Wirtschaft und Politik im Laufe der Zeit entwickeln. In jedem Erhöhungszyklus besteht immer das Risiko, dass etwas außer Kontrolle gerät. Im Moment ist die Inflation jedoch so hoch, dass die Fed das Gefühl hat, handeln zu müssen. Daher sind die Risiken für die Märkte momentan akut.
Ein großes Risiko aus Sicht der Anleiheinvestoren und des FOMC betrifft die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Im Moment muss die Fed einen deutlichen Rückgang der Inflation sehen und den Kurs beibehalten, unabhängig davon, was mit dem Wachstum, der Beschäftigung oder den Risikoaktiva geschieht. Und um dies zu erreichen, muss sie sich von der politischen Stimmung fernhalten – auch wenn Washington beginnen sollte, sich mehr um die Arbeitslosigkeit als um die Inflation zu sorgen, muss die Fed dennoch ihren Kurs beibehalten. Wenn sie vor dem nächsten Zinsschritt nicht für eine niedrigere Inflation sorgt, wird es eine Glaubwürdigkeitskrise geben.
Die Fed hofft, dass die Inflation im Laufe des Sommers auf 5-6 % fällt. Zu diesem Zeitpunkt wird der Zinssatz, zu dem die amerikanischen Finanzinstitute untereinander Geld leihen (Fed-Fonds) bei 2 % liegen, was ein sehr niedriges/neutrales Niveau ist. Wenn die Daten schwächer sind und die Inflation an dem erhofften Punkt ist, können sie glaubwürdig eine Pause einlegen, die Entwicklung der Daten beobachten und geduldiger sein. Ist die Inflation höher und/oder fallen die Daten besser aus, werden sie die Zinsen erhöhen.“