„In den USA hat man sich jetzt offenbar auf ein Programm von rund 1,2 Billionen US-Dollar geeinigt, auch wenn hier noch eine Restunsicherheit besteht. Ein signifikanter Teil dieser Gelder soll in harte Infrastruktur, wie Straßen, Brücken, Stromnetze und Wasserinfrastruktur fließen. Auf der europäischen Seite steht der inzwischen über 800 Milliarden Euro umfassende EU-Aufbaufonds bereit. Hiervon ist gut die Hälfte für grüne Projekte und für die Digitalisierung vorgesehen.
Der Bausektor profitiert direkt
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Unternehmen auf der Aktienseite von diesen Infrastrukturinvestitionen profitieren könnten. Als mögliche unmittelbare Profiteure fallen einem zuallererst Unternehmen aus dem Bauwesen und aus Sektoren ein, die an das Bauwesen gekoppelt sind, also zum Beispiel Baumaterialien, Industriemetalle/Stahl oder der Maschinenbau. Für die Bauunternehmen stellen die geplanten Infrastrukturausgaben mehr oder weniger direkte Einnahmen dar. Die Unternehmen, die dem Sektor nahestehen, profitieren wiederum von den Bestellungen und Aufträgen des Bauwesens. Während die positiven Wachstumserwartungen dieser Branchen bereits zu gewissen Kurssteigerungen geführt haben, ist zuletzt der steigende Kostendruck aufgrund von Engpässen und steigenden Rohstoffpreisen in den Vordergrund gerückt und hat bei einigen der Unternehmen eine Korrektur ausgelöst. Zudem darf man nicht vergessen, dass diese Branchen sehr zyklisch sind und ein gewisses Rückschlagspotenzial besteht, sobald die Infrastrukturausgaben ihren Höhepunkt überschritten haben. Bis dahin dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen. Mittelfristig dürften die genannten Branchen somit vor einer Wachstumsphase stehen.
Längerfristig gute Aussichten für Betreiber
Etwas anders verhält es sich bei den Betreibern von Infrastrukturanlagen. Hierzu zählen u.a. Versorger, Transportinfrastrukturunternehmen oder auch Mobilfunkturmbetreiber. Bei diesen Unternehmen machen sich die Infrastrukturausgaben zwar nicht unmittelbar als positive Cashflows bemerkbar. Allerdings erhalten diese Unternehmen die Möglichkeit, ihre Infrastruktur-Assets auszubauen und aus diesen Assets dann über einen längeren Zeitraum oftmals sehr verlässliche Cashflows zu generieren. Infrastrukturbetreiber könnten somit zu den nachgelagerten, längerfristigen Profiteuren der Infrastrukturprogramme gehören. Im Gegensatz zu den unmittelbaren Profiteuren war die Kursentwicklung vieler Infrastrukturbetreiber zuletzt eher verhalten. Der Markt scheint die Chancen dieser Unternehmen also noch nicht in Gänze wahrgenommen zu haben, was wiederum eine Gelegenheit für geduldige und langfristig orientierte Investoren bedeuten könnte.
Ausbau sauberer Energie in den USA und Europa
Last but not least sind die Unternehmen aus dem Bereich der „sauberen Energie“ im weiteren Sinne zu nennen. Zwar kommt dieser Bereich im US-Infrastrukturprogramm deutlich weniger zum Tragen als im ursprünglichen 2,2 Billionen US-Dollar umfassenden Vorschlag von Joe Biden. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Demokraten versuchen werden, neben weiteren Agenda-Punkten den Ausbau grüner Infrastruktur an den Republikanern vorbei zu beschließen. In der EU ist der Ausbau einer grünen Infrastruktur hingegen bereits jetzt ein zentraler Bestandteil des Programms. Dem langfristigen Wachstum der Unternehmen aus diesem Bereich steht somit nichts entgegen. Allerdings hat man gesehen, dass gerade hier mit erhöhter Volatilität zu rechnen ist. Nach einer massiven Rally im Jahr 2020 haben viele der Unternehmen zu Jahresbeginn sehr deutlich an Wert eingebüßt. Für langfristige und opportunistische Investoren könnte aber gerade dies eine interessante Einstiegsgelegenheit darstellen.
Aus Investorensicht gibt es somit mehrere Möglichkeiten, sich den Rückenwind der geplanten Infrastrukturprogramme zunutze zu machen. Übergeordnet sollte man allerdings neben dem Wachstumspotenzial die Bewertungen nicht außer Acht lassen. Wie so oft gilt auch hier: Selektivität ist entscheidend.“
Ivan Domjanic, Capital Market Strategist bei M&G Investments