„Die EZB ebnet den Weg für eine Zinserhöhung um 0,25 % auf ihrer nächsten Sitzung und für weitere Anhebungen danach. Die Zinsen noch länger auf ihrem historischen Tiefstand zu halten, wäre angesichts der galoppierenden Inflation in Europa nur schwer zu rechtfertigen gewesen. Letztlich steht die Glaubwürdigkeit der EZB auf dem Spiel.
Die Zentralbank steht bereits in der Kritik, weil sie nicht viel früher mit der Normalisierung der Geldpolitik begonnen hat. Das lässt sich im Nachhinein natürlich leicht sagen. Angesichts der komplexen wirtschaftlichen Dynamik während der Pandemie, für die es keinen Plan gab, ist es jedoch wahrscheinlich klug, die EZB nicht zu hart zu kritisieren.
Heute beherrschen die Äußerungen der EZB zu künftigen Zinserhöhungen die Schlagzeilen. Doch man sollte nicht unterschätzen, was das bevorstehende Ende der Nettokäufe von Vermögenswerten bedeutet. In den vergangenen Jahren waren diese Programme das wichtigste Instrument der EZB, um in Krisenzeiten das Vertrauen zu stärken und so die Stabilität der Finanzmärkte wiederherzustellen. Ohne Nettokäufe verfügen die Märkte über kein Sicherheitsnetz, was in Zukunft zu Phasen erhöhter Volatilität führen könnte.
Die EZB hat sich die Möglichkeit offengelassen, die Käufe im Rahmen des Pandemie-Notkaufprogramms (PEPP) wieder aufzunehmen, falls es zu erneuten Marktreaktionen im Zusammenhang mit Corona kommt. In Anbetracht der Inflation liegt die Messlatte für einen Ausstieg aus dem Ankauf von Vermögenswerten meiner Meinung nach jedoch sehr hoch. Es wären eine erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Fundamentaldaten und eine drastische Marktkorrektur erforderlich, um die Ankäufe wieder auf die Tagesordnung zu setzen. In gewisser Weise ist der Put der Zentralbank also weit aus dem Geld – diese Option hat keinen Wert.“
Wolfgang Bauer, Fondsmanager bei M&G Investments