Die Entscheidung der Fed, die Anhebung um 75 Basispunkte durchzuziehen, beweist, dass die Notenbank das Inflationsziel klar auf Kosten des Wachstums anstrebt, auch wenn der Markt offenbar unentschlossen ist, ob mittelfristig eher Wachstum oder doch Inflation die dominantere Rolle spielen wird. Aktien- und Anleihemärkte hatten sich in den letzten Wochen bereits auf diesen Zinsschritt eingestellt. Die unmittelbare Marktreaktion fiel erwartungsgemäß gedämpft aus, aber im Anschluss an die Pressekonferenz kam es zu einer Erholung sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen.
Die US-Notenbank muss sich durchsetzen und tatsächlich an den Daten ausrichten. Sie sollte sich alle Optionen offenhalten, da viele unterschiedliche Datenquellen beobachtet werden müssen. Einige Indikatoren hinken zeitlich stärker der Entwicklung hinterher als andere. Der US-Arbeitsmarkt hat alle anderen Signale einer sich abschwächenden Wirtschaft widerlegt, wie Fed-Chef Jerome Powell anmerkte. Hinkt die Fed nun der realen Wirtschaft hinterher, indem sie sich mehr auf den Arbeitsmarkt als auf den Rest der Daten konzentriert? Powell sagte, dass sich die Nachfrage nach Arbeitskräften zwar etwas verlangsamt habe, aber die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage sei immer noch zu groß. Die Verwendung aktueller Arbeitsmarktdaten könnte irreführend sein, da die Geldpolitik in der Realwirtschaft historisch gesehen mit einer Verzögerung von 12 bis 18 Monaten wirksam wird und die Arbeitslosenzahlen in der Vergangenheit 12 Monate vor Beginn einer Rezession ihren Tiefpunkt erreicht hatten.
Vielleicht kann die Fed die Inflation unter Kontrolle bringen. Das Wachstum wird wahrscheinlich zurückgehen, und eine technische Rezession scheint unmittelbar bevorzustehen. Aber die Fed möchte sich vielleicht ein Polster für künftige Zinssenkungen verschaffen, wenn sie die Zinserhöhungen im Laufe des Jahres 2022 beschleunigt. Der Vorsitzende Powell strebt immer noch 3,25 bis 3,5 % bis zum Jahresende an und sagt, dass wir uns jetzt ungefähr im neutralen Bereich befinden. Es scheint fast unmöglich, Inflation und Wachstum gleichzeitig zu steuern, wenn man so weit hinter der Kurve zurückliegt. Daher war eine weiche Landung in unseren Augen immer eher optimistisch als realistisch erreichbar. Die Umstellung auf eine Steuerung „von Meeting zu Meeting“ ist ein klares Zeichen dafür, dass die Fed die wirtschaftlichen Aussichten als äußerst ungewiss ansieht und dass es für ihre Glaubwürdigkeit von entscheidender Bedeutung sein wird, sich eine Option offen zu halten.
Wie wird sich dies auf die Märkte und die Wirtschaft in den USA und darüber hinaus auswirken? Nun, es sieht aus wie ein Fall von "die USA niest und die Welt erkältet sich". Hier hat sich nichts geändert. Die US-Wirtschaft hat in letzter Zeit Schwäche gezeigt. Und die Stärke des Arbeitsmarktes verschleiert ein wenig die Anfälligkeit der Verbraucher und ihre Fähigkeit, die ständig steigenden Preise zu bezahlen -– und, was noch wichtiger ist, ihr Vertrauen. Das Ungleichheitsgefälle wird wahrscheinlich wieder zunehmen und politischen Druck erzeugen. Vermutlich wird dies Auswirkungen auf die ganze Welt haben. Powell denkt, dass die Fed eine Chance hat, die Kraft des Arbeitsmarktes vor der Pandemie zu erhalten, wenn es gelingt, die Preisstabilität als Fundament der Wirtschaft unter Kontrolle zu bringen. Dies ist für ihn der Schlüssel zu einer sanften Landung.
Zwischenzeitlich wird der US-Dollar immer stärker, wie schon die meiste Zeit in diesem Jahr – das ist eine gute Nachricht für die USA, aber weniger günstig für den Rest der Welt. Das Motto lautet weiterhin: „Don’t fight the Fed“.
Eva Sun-Wai, Fondsmanagerin im Public Fixed Income Team von M&G Investments