„Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament steht der Europäischen Union ein wichtiger Countdown bevor. Auch wenn die Wahl wahrscheinlich keine unmittelbaren Probleme für die EU mit sich bringen wird, ist die derzeitige Entwicklung nicht unbedingt eine positive Phase der Zusammenarbeit, wie wir sie im Reformpaket 1986 erlebt haben. Meinungsumfragen zeigen, dass EU-feindliche und nationalistische Parteien bei den bevorstehenden Wahlen ein Viertel der Sitze im Europäischen Parlament erringen könnten – ihr bisher bestes Ergebnis.
Ökonomisch gesehen fällt die EU hinter den Wirtschaftsräumen USA und China zurück, wobei die Industriepolitik – oder das Fehlen einer solchen – eine Rolle spielt. Während die USA mit dem Infrastructure Act und dem Inflation Reduction Act China bei der Umsetzung einer groß angelegten Industriepolitik gefolgt sind, gibt es in der EU keine vergleichbaren Ansätze. Die EU investiert weniger in digitale und fortschrittliche Technologien als die USA und China. Und nur vier europäische Unternehmen sind unter den 50 weltweit führenden Technologieunternehmen gelistet.
Ein schreckliches Ereignis wie die russische Invasion in der Ukraine hat die EU sowohl politisch als auch finanziell beansprucht und die Notwendigkeit von Veränderungen verstärkt – und das ist die Botschaft, die diese Wahl wahrscheinlich vermitteln wird.
Die EU-freundlichen Parteien EVP, S&D, Renew und die Grünen werden wahrscheinlich eine komfortable Mehrheit im Parlament behalten und daher die Finanzmärkte nicht schocken. Dennoch wird die Botschaft lauten, dass die EU ihren Kurs ändern muss, um ein wachstumsstärkeres, weniger regulierungsorientiertes Gremium zu werden, das sich auf Innovationen konzentriert und qualifizierte Arbeitsplätze schafft – genau wie die Regierungen der USA und Chinas.
Der frühere Präsident der EZB und italienische Ministerpräsident Mario Draghi fasste kürzlich in zwei Worten zusammen, was in der EU notwendig ist: Radikaler Wandel.“
Von Randeep Somel, Fondsmanager im Aktienteam bei M&G Investments